Vollstreckungsmöglichkeiten bei ALG-Empfänger

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
Sanya
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#1

11.09.2013, 13:08

Hallo ihr Lieben,

ich habe grade ein Vermögensverzeichnis vorliegen (von Ende 2012) und überlege, welche Vollstreckungsmöglichkeiten sich daraus ergeben.

Die Schuldnerin bekommt ALG II, Kindergeld und Wohngeld. Außerdem hat sie Rentenanwartschaften bei der Dt. Rentenversicherung. Die Schuldnerin ist 26 Jahre alt.

Ich würde unserer Mandantin vorschlagen, das Konto zu pfänden. Habe ich das richtig verstanden, dass die o.g. Sozialleistungen in vollem Umfang pfändbar sind, wenn es sich bei dem Konto nicht um ein P-Konto handelt bzw. das Konto nicht binnen vier Wochen nach Eingang der Pfändung auf ein P-Konto umgestellt wird? Das würde heißen, wenn die Schulnderin nicht reagiert, würde die Bank das volle Guthaben auszahlen (vorausgesetzt es liegen keine weiteren Pfändungen vor), oder? Ich würde sowieso trotz P-Konto pfänden wollen, für den Fall, dass sich die Einkommensverhältnisse der Schuldnerin ändern oder mal zusätzlich Geld eingeht. Was meint ihr?

Ich habe außerdem gehöhrt, dass man den Dispo pfänden kann. Welche Voraussetzungen liegen hierfür vor?

Bezüglich der Rentenanwartschaften ist es doch so, dass es erst zur Auszahlung der gepfändeten Beträge kommt, wenn der Schuldner den Rentenanspruch erwirbt. Da können wir ja bei einer 26-jährigen Schuldnerin lange warten. Also lohnt sich das schonmal nicht, oder?

Viele Grüße und :thx schonmal für Eure Antworten!

Sanya
kr
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#2

11.09.2013, 13:25

Also:

Wie du schon richtig sagst, Rentenanwartschaften lohnen sich bei einer 26-jährigen nicht. Erstens weil ihr auf die Auszahlung noch ewig warten müsst und zweitens weil sie wohl auch noch nicht soviel eingezahlt hat, wenn sie mit 26 Jahren jetzt ALG II bezieht...

Kontopfändung macht - nach meiner Erfahrung - auch wenig Sinn, da die wenigstens Schuldner tatsächlich die 4-Wochen-Frist verpassen. Da sind sie alle ganz schnell :-(
Den Dispo kann man nur pfänden soweit er in Anspruch genommen wird. Zumindest kenn ich das so, falls es jemand anders weiß lass ich mich gerne belehren ;-)

Ich persönlich würde in diesem Fall wohl von einer Pfändung absehen (sind nur unnötige Kosten) und eine lange WV legen.
Pitt
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#3

11.09.2013, 13:35

In 99 von 100 Fällen ist bei so einer Konstellation derzeit nix zu holen und man sollte die Akte zunächst auf WV legen. Falls Dein Mandant aber das Kostenrisiko nicht scheut oder es ihm "ums Prinzip" geht, dann könnte eine Kontopfändung probiert werden. Realistischerweise wird die Schuldnerin aber vor Ablauf der 4-Wochen-Frist merken, dass eine Kontopfändung vorliegt und bei der Bank nachhaken, die normalerweise auf die Möglichkeit des Pfändungsschutzkontos hinweist. Wie kr richtig schreibt, klappt die Dispopfändung nur, wenn dieser auch in Anspruch genommen wird. Rentenpfändung ist bei einer 26-jährigen Schuldnerin sinnlos, zumal ja auch bei einer Rentenpfändung § 850c ZPO greift. Aktuell dürften keine nennenswerten Rentenanwartschaften bestehen.
Sanya
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#4

11.09.2013, 13:37

Danke kr!

Aber, was mach ich dann nach der langen WV? Antrag auf Abgabe der VA nach Ablauf der zwei Jahre? Das ist doch dann ähnlich teuer wie die Kontopfändung. Und ob dabei mehr rauskommt ist auch fraglich.
Sanya
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#5

11.09.2013, 13:46

Unsere Mandantin ist so eine, der es ums Prinzip geht. Daher möchte ich alle Möglichkeiten anbieten.
kr
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#6

12.09.2013, 10:34

Also ich würde die Akte auf lange WV legen (2 Jahre) und würde dann mal schauen wie die Rechtslage bis dahin ist mit Abgabe der VA nach 2 Jahre auch bei "alten eV". Da die eV noch 2012 abgegeben wurde, wäre hier ja eigentlich erst Ende 2015 eine Neuabgabe möglich, aber derzeit scheinen die Gerichte da ja noch die unterschiedlichsten Meinungen zu vertreten ;-)

Wenn es deiner Mandantin ums Prinzip geht, würde ich vielleicht mal den für die Schuldnerin zuständigen GVZ anrufen und höflich nachfragen ob ihm die Schuldnerin bereits bekannt ist, da evtl. ein Auftrag ins Haus steht und du dich gerne vorab schon einmal erkundigen wolltest. Oft erzählen einem die GVZ dann bereits dass es sinnlos ist, oder geben andere interessante Infos. Müssen sie zwar nicht, aber wenn man höflich nachfragt kann das oft viel bringen.

Ansonsten würde ich nach der langen WV tatsächlich die Abgabe der VA beantragen: Und das ist günstiger als ein PfüB! Der PfüB kostet 2x GVZ-Kosten (Zustellungen) und auch noch Gerichtskosten, bei Abgabe der VA sind es ja "nur" nur die GVZ-Kosten (einfach).

Ich hoffe das hilft dir ein wenig, auch wenn verspätet, da ich gestern nicht mehr reingeschaut habe?!

LG kr
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#7

12.09.2013, 16:28

Kann man irgendwie den Vermieter rausbekommen? Und da evtl. vorhandene Betriebskostennachzahlungen oder Kautionsansprüche pfänden?

Die Gerichtsvollzieher fragen ja leider nicht oft, welcher Versorgungsanbieter genutzt wird - trotz Fragenkatalog. Ich habe es schon mal hinbekommen, trotzdem beim Versorgungsanbieter zu pfänden. Ich habe mit Kopie des Titels die zwei "großen" örtlichen Versorger angeschrieben und gefragt, ob Schuldner Kunde ist - und hatte Glück. Auch damit, dass es tatsächlich Rückzahlungen gab. ABER: Nun gibt es ja das BGH-Urteil, dass Guthaben bei Versorgern unpfändbar ist, soweit es mit Hartz-IV verrechnet wird ...
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Anahid
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#8

13.09.2013, 14:07

Wenn eine Kaution hinterlegt ist, ergibt sich dies normalerweise aus dem Vermögensverzeichnis. Dann steht da auch, wer der Begünstigte ist (also der Vermieter). Das ist auch eine Frage, die man unbedingte dem Gerichtsvollzieher mitteilen sollte, damit der Schuldner die beantwortet. Anders als durch das Vermögensverzeichnis wirst Du den Vermieter nicht rauskriegen.
:katze2 Jeder Tag ist ein Geschenk ... aber manche sind einfach grottenschlecht verpackt. :katze1
tiko73

#9

14.09.2013, 14:59

Ich würde auch in solch einer Konstellation nicht sofort die Kontopfändung ausschließen. Selbst wenn die SU ein P-Konto einrichtet, kann es immer sein, dass sie in absehbarer Zeit einen (guten) Job findet und dann über der Pfändungsfreigrenze verdient, dann hat man da wenigstens schon mal "den Finger drauf" :-)
Jupp03/11

#10

14.09.2013, 15:04

tiko73 hat geschrieben:Ich würde auch in solch einer Konstellation nicht sofort die Kontopfändung ausschließen. Selbst wenn die SU ein P-Konto einrichtet, kann es immer sein, dass sie in absehbarer Zeit einen (guten) Job findet und dann über der Pfändungsfreigrenze verdient, dann hat man da wenigstens schon mal "den Finger drauf" :-)
so ist es
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