Berliner Räumung

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
Christian
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#31

06.09.2013, 12:58

Für den Gläubiger liegt der Unterschied im Wesentlichen in der Haftung und Verwertung.

Räumung nach § 885 ZPO „Berliner Räumung“ Haftung und Verwertung nach BGB
Räumung nach § 885 a Nr. 1 ZPO „Beschränkte Räumung“ Haftung und Verwertung nach ZPO

Die Berliner Räumung ist als Variante der Zwangsräumung eng mit dem Vermieterpfandrecht nach BGB verbunden und demgemäß mit hohen Risiken verbunden. Der Vermieter ist an die Verwertungsvorschriften des Vermieterpfandrechts gebunden, da hier § 885 Abs. 4 ZPO nicht gilt! Auf Verlangen des Schuldners hat der Vermieter die dem Vermieterpfandrecht nicht unterliegenden Sachen herauszugeben (BGB-Frist!). Wird hiergegen verstoßen, bestehen Schadensersatzpflichten!
Die Verwertung nach Berliner Räumung:
Zunächst muss bezüglich der verbliebenen Gegenstände geklärt werden, ob es sich um dem Vermieterpfandrecht unterliegendes Gut handelt, das nach den Vorschriften der § 1233 BGB ff. zu verwerten ist oder es sich um unpfändbare Gegenstände beziehungsweise Müll handelt. Unpfändbare Gegenstände sind an den Schuldner herauszugeben, beziehungsweise - wenn dieser nicht reagiert - gemäß BGB Frist (!) zu verwahren. Nur offensichtlicher Müll kann beseitigt werden. Hier ist jedoch darauf zu achten, dass noch zu gebrauchendes, aber nicht verwertbares Räumungsgut (stark abgenutzte Gegenstände, Erinnerungsstücke) nicht einfach beseitigt werden kann, sondern ebenfalls gemäß BGB zu verwahren ist.
Der Ablauf im Einzelnen:
1. Wirksame Geltendmachung, sowohl inhaltlich und förmlich (Nachweis des Zugang).
2. Die Aufbewahrung hat sicher und haftend zu erfolgen.
3. Eine Verwertung ist Anzukündigen. Dazu ist die Ermittlung der neuen Anschrift des ehemaligen Mieters erforderlich. Dann die Anrohungs- und Ankündigungsverpflichtungen vor Versteigerung beachten!
4. Das Suchen und finden eines Versteigerers, der GVZ kann, aber muss nicht.
5. Verwertung nach den Kriterien einer seriösen ordentlichen Versteigerung.
6. Der Gläubiger haftet für Untergang und Verlust. Er haftet vor allem für eine nicht rechtsstaatliche Verwertung.

Im Gegensatz dazu die Räumung nach § 885 a Nr. 1 ZPO.
(3) Der Gläubiger kann bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, jederzeit wegschaffen und hat sie zu verwahren (1 Monat). Bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, kann er jederzeit vernichten. Der Gläubiger hat hinsichtlich der Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.

Beide Räumungsarten sind kein „Allheilmittel“ und haben Nachteile.

Die viel geschmähte Klassische Räumung nach § 885 ZPO bietet allerdings auch Vorteile.
-Relativ sichere, halbwegs zeitnahe Räumung.
-Geringer Arbeitsaufwand des Vermieters, da dessen Anwesenheit allenfalls bei Übernahme der Wohnung bzw. der Entgegennahme der Schlüssel nach Ersetzen eines neuen Schlosses durch einen vom GVZ beauftragten Schlosser angezeigt ist.
-Der Vermieter benötigt für diese Art der Räumung kein Personal.
-Der Vermieter erreicht eine „stressfreie“ Räumung, da er sich nicht direkt mit dem Mieter auseinandersetzen muss. Er kann sich quasi hinter dem GVZ „verstecken“. Aggressionen des Mieters richten sich primär gegen den Gerichtsvollzieher.
-Der Vermieter sieht sich keinen Schadensersatzprozessen des Mieters ausgesetzt, da die handelnde Person der GVZ ist. Auch negative Presse lässt sich dadurch vermeiden, falls Fehler bei der Räumung gemacht wurden.

Sofern der GVZ nicht ein exorbitant teures Transportunternehmen beauftragt, ist auch die Klassische Räumung eine Überlegung wert. Einfach eine Anfrage beim GVZ und nach Sachlage entscheiden.

Meine Klassischen Räumungen gehen in der Regel für unter 2000 € durch.
Kuko
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#32

06.09.2013, 19:30

:thx für diese hervorragende Übersicht!
Jule69
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#33

09.09.2013, 08:14

Ich glaube, dass ist so nicht richtig, § 885 ZPO ist die klassische Räumung und § 885a ZPO ist die Berliner Räumung, beschränkte Räumung und Berliner Räumung sind meines Erachtens dasselbe, so zumindest laut Beitrag in der Vollstreckung effektiv im April 2013
Christian
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#34

09.09.2013, 08:43

Nein, es ist so, wie ich es geschrieben habe.
Die Berliner Räumung und die Beschränkte Räumung können schon deshalb nicht dasselbe sein, weil die Berliner Räumung bereits existierte, bevor es § 885 a ZPO überhaupt gab.
Jule69
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#35

09.09.2013, 09:10

VE 2013, Seite 85: " Die in der Praxis entwickelte „Berliner Räumung“ erleichtert die Vollstreckung von Räumungsurteilen. Sie besagt: Hat ein Vermieter vor Gericht ein Räumungsurteil erstritten, soll der Gerichtsvollzieher die Wohnung räumen können, ohne gleichzeitig die – oft kostenaufwändige – Wegschaffung und Einlagerung der Gegenstände in der Wohnung durchzuführen. Dieses Verfahren ist nun in § 885a ZPO auf eine gesetzliche Grundlage gestellt."
Christian
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#36

09.09.2013, 12:22

Sehr schön. Genau, wie ich geschrieben habe. Deren VERFAHREN, eigentlich nur ein Teil davon, wurde lediglich in einer neuen Räumungsvariante auf eine gesetzliche Basis gestellt. Die Berliner Räumung, eine Räumung aufgrund des Vermierterpfandrechts, existiert dessen ungeachtet weiterhin.

Es bleibt jedem Gläubiger unbenommen, weiterhin eine Berliner Räumung zu beantragen, mit allen ihren Nachteilen. Es wird jedoch keine Beschränkte Räumung nach § 885 a ZPO daraus. Dem GVZ ist es letztendlich einerlei, wie der Gläubiger haftet und wie lange er die Sachen des Schuldners aufbewahren möchte.
Svala
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#37

11.09.2013, 10:48

Vielen vielen Dank, endlich ist mir der Unterschied in allen Einzelheiten klar, selbst mein Chef konnte es mir bisher nicht erklären... :pfeif

Ich habe allerdings gerade eine "klassische Räumung" auf dem Tisch, da hat es mich fast vom Stuhl gehauen: Der Gerichtsvollzieher verlangt Vorschuss in Höhe von € 15.000,00 für eine Dreizimmerwohnung mit 75 m²!!!!!!!!!!!!!! :evil:

Sorry, da fall ich echt vom Glauben ab. Wie soll ein Normalsterblicher das mal eben bezahlen?
supibaerchi
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#38

11.09.2013, 10:54

:shock:

hat er vielleicht versehentlich eine Null zu viel geschrieben - obwohl dafür wär es sehr wenig
Liebe Grüße
Bärchi
Svala
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#39

11.09.2013, 11:21

Nein, es war sein voller Ernst, kein Versehen... :evil:
Christian
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#40

11.09.2013, 17:15

15.000 € für 75 qm sind schon etwas heftig. Bei einem solchen Vorschuss sollte der GVZ schon eine Begründung geben. Möglicherweise hat er dafür Anhaltspunkte, dass es sich um eine Messi-Wohnung handelt oder besonderes Gefahrenpotential vorliegt.
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