Ablauf einer Berliner Räumung?

Hier können alle Themen rund um die Zwangsvollstreckung besprochen werden. ZV mit Auslandsbezug bitte in die entsprechende Extra-Rubrik posten.
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Loki
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#1

17.09.2010, 13:20

Hallo, folgendes Problem:

Wir sollen für den Mdt. eine Räumung nach Berliner Modell machen. Ich schreibe den Schuldner hinsichtlich des Vermieterpfandrechtes an, erteile Räumungsauftrag an den GVZ und der GVZ setzt den Schuldner aus dem Besitz am Räumungstag. Soweit ist mir das klar.

Aber, unser Mdt. möchte nun folgendes wissen:

Wenn er am Räumungstag mit vor Ort ist und durch den GVZ in Besitz gesetzt wird, sollte er dann Fotos von der Wohnung bzw. eine Liste der vorhandenen Gegenstände erstellen?

Da er nach Berliner Modell hat räumen lassen, muss er die Sachen einlagern. Wie lange? 1 Monat oder 2 Monate (§ 885 IV ZPO)?

Gibt es Sachen, die er garnicht entsorgen darf (z. B. Papiere)? Gibt es Sachen, die er gleich nach Inbesitznahme entsorgen darf (z. B. Lebensmittel)?

Wenn die Lagerfrist abgelaufen ist und der Schuldner nicht bezahlt bzw. seine Sachen abgeholt hat, muss der Gläubiger die Sachen mit Wert verwerten. Wer sagt ihm, welche Sachen von Wert sind? Und wo bzw. wie kann er diese verwerten?

Man, das sind ja ganz schön viele Fragen zum Wochenende! :roll:

lg Loki
lenox61
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#2

17.09.2010, 15:56

Hallo Loki,

habe auch eine Berliner Räumung beantragt und musste mich vorher im Internet schlau machen.

Es ist wohl auf jeden Fall sinnvoll, dass Fotos von dem Hausrat etc. gemacht werden und alles genauestens dokumentiert wird. Der Schuldner kann ja später behaupten, dass Dinge fehlen oder beschädigt worden sind.

Mit der Frist ist es wohl so, dass diese 2 Monate beträgt. Wenn eine "normale" Räumung durch den GV vorgenommen wird, muß dieser auch diese Frist beachten und kann dann die die Sachen verwerten bzw. versteigern lassen, vorausgesetzt, es lohnt sich.

Welche Dinge pfändbar und nicht pfändbar sind, also dem Schuldner herausgegeben werden müssen, ist in der ZPO §§ 811, 811 c u. 812 geregelt.

Für weitere wertvolle Tips wäre ich auch dankbar, aber das Thema scheint nicht sehr beliebt zu sein, da bis jetzt keine Antworten gekommen sind. Gibt es so wenig Erfahrung mit der "Berliner Räumung"?
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Pepsi
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#3

18.09.2010, 21:16

anscheinend schon, obwohl ich das nicht verstehen kann, da doch bei fast allen Schuldnern zu erwarten ist, dass die Räumung für den Gläubiger nichts bringt, also kein Wert zu finden ist und von daher die Kosten so gering wie möglich zu halten sind

Aber anscheinend scheuen die meisten diese ganzen "Hindernisse"
Geiselmann
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#4

19.09.2010, 11:35

Hallo,

ZPO §§ 885, 811; BGB §§ 562, 562b, 97, 98
1. Zur Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf die Herausgabe der Wohnung bei Geltendmachung des Vermieterpfandrechts (Berliner Modell).
2) Das Vermieterpfandrecht hat Vorrang vor der Entfernung der Habe des Mieters aus der Wohnung, was nicht Gegenstand der Räumungsvollstreckung ist. Deshalb hat der Gerichtsvollzieher den unter Benennung eines Kostenvorschusses von 400 Euro erteilten Räumungsauftrag ohne Prüfung der Berechtigung des Vermieters, sich auf sein Vermieterpfandrecht zu berufen, auszuführen.
- BGH, Beschluss vom 10.08.2006, I ZB 135/05 -
Siehe hierzu auch Flatow, NJW 2006, 1396

So müssen Gläubiger bei der Räumungsvollstreckung nach dem „Berliner Modell“ vorgehen:
1. Die nicht dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Gegenstände muss der Gläubiger ordnungsgemäß einlagern, da ihn nach §§ 1215, 1257 BGB eine Verwahrungspflicht trifft. Ein Verstoß gegen die Verwahrungspflicht kann anderenfalls eine Schadenersatzpflicht nach sich ziehen.
2. Der Gläubiger, der keine anderweitige Lagermöglichkeit hat, sollte insoweit mit dem Nachmieter eine Vereinbarung treffen, dass diese Gegenstände in den Keller- oder Dachräumen verbleiben können, bis der Schuldner diese abgeholt hat. Dies vermeidet Regressansprüche. Das stellt zwar noch keine optimale Lösung dar, vermeidet aber Einlagerungskosten, für die der Gläubiger sonst in Vorlage treten muss, ohne sicher zu sein, diese ersetzt zu erhalten.
3. Sodann muss der Gläubiger den Schuldner auffordern, die nicht dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Gegenstände in einer konkret zu bestimmenden Frist abzuholen. Auf Verlangen des Schuldners sind die Gegenstände auch herauszugeben. Soweit damit der Annahmeverzug des Schuldners begründet wird, bewirkt dieser nach § 300 Abs. 1 BGB eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.
4. Die dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Gegenstände kann der Gläubiger nach §§ 1257, 1228 Abs. 2 BGB verwerten und so seine fälligen Forderungen befriedigen. Das sollte dem Schuldner angekündigt werden mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, dies durch die Abholung der Gegenstände Zug um Zug gegen Ausgleich der offenen Forderungen mit konkreter Fristsetzung, zu verhindern.
- Vollstreckung effektiv 3/2007 -

S. Geiselmann
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#5

19.09.2010, 11:48

Zu empfehlen ist auf jeden Fall eine Bilddokumentation über die Gegenstände, die der Geräumte in der Wohnung belassen muss, damit später nicht langwierige Schadensersatzforderungen zu behandeln sind, weil angeblich etwas fehlt oder beschädigt worden ist. Ein insoweit möglicher Rückgriff auf gefertigte Fotos dürfte eine Menge Ärger ersparen.

Insgesamt ist aber mehr als heftig umstritten, ob sich eine schon wegen der damit verbundenen Pflichten des Gläubigers recht aufwändige Berliner Räumung überhaupt rechnet bzw. das Kosten-/Nutzenverhältnis gewahrt ist.
~ Grüßle ~
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#6

19.09.2010, 17:08

Bitte erstellt zwingend eine Fotodokumentantion und listet die vorgefundenen Gegenstände detailliert auf!
Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheit.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.


Quelle: Die englische Fassung nach Charles Reade geht auf ein chinesisches Sprichwort zurück.
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Loki
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#7

20.09.2010, 08:28

Und wenn der Schuldner seine Sachen garnicht zurückhaben will? Muss der Gläubiger dann trotzdem bestimmte Sachen für immer aufheben (z. B. Papiere)? Oder kann er alle unpfändbaren Sachen entsorgen? :hm

Und wenn der Gläubiger noch verwertbare Sachen findet, wo bzw. wie kann er diese verwerten? § 1228 BGB sagt, diese sind durch Verkauf zu verwerten. Also kann er die pfändbaren Sachen bei ebay reinstellen? Gibt es noch andere Möglichkeiten?

lg Loki
silvester
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#8

20.09.2010, 09:01

Das Vermieterpfandrecht lastet zunächsteinmal am gesamten Räumungsgut, vom Fußabtreter bis zum Tafelsilber. Es sei dahingestellt, ob der Gläubiger entscheiden kann, was unpfändbar ist und was nicht, da es nach dem BGH dem GV nicht zukommt hier eine Entscheidung zu treffen, obwohl dieser auf dem Gebiet Fachmann sein sollte.
Bitte nicht nur § 1228 lesen, sondern auch die folgenden Paragraphen. Der Verkauf des Pfandes ist im Wege öffentlicher Versteigerung zu bewirken.
Ebay-Auktionen sind in Deutschland laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. VIII ZR 375/03) keine Auktionen im juristischen Sinne, sondern Kaufverträge, die bei Angebotsende rechtswirksam werden.
Damit ist für die Versteigerung der Gerichtsvollzieher zu beauftragen.
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Loki
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#9

20.09.2010, 13:37

Danke für eure Hinweise. Das hilft mir mal wieder sehr viel weiter! :thx

Jetzt ist aber schon wieder eine neue Frage aufgetaucht!:

Mein Chef meinte eben zu mir, für die Geltendmachung des Vermieterpfandrechtes (wir haben den Schuldner angeschrieben und parallel dazu den GV mit der Räumung beauftragt) entsteht noch eine Gebühr nach Nr. 2300 i. H. v. 1,3. Ich kann hierzu im Internet aber nichts finden.

Könnt Ihr mir helfen? :heul

lg Loki
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Loki
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#10

17.02.2011, 14:13

:schieb Der Schuldner ist vor der Berliner Räumung abgehauen. :evil: Bis jetzt konnten wir ihn nicht ausfindig machen und somit auch nicht auffordern, die Sachen abzuholen.

Wie wird unser Mandant das Zeug jetzt wieder los?
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