Beratungshilfeschein - ab wann muss der Anwalt tätig werden?

...für das vom 01.07.2004 bis 31.07.2013 geltende Gebührenrecht
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Hobbyesel
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#1

09.03.2012, 15:46

Guten Tag zusammen.

Ich bin der Esel, RA in Köln und bitte euch um eure Meinung / Stellungnahme bei folgendem – fiktiven – Fall:

SV
Stall E. aus K. berät Menschen, die eine urheberrechtliche Abmahnung (sog. Filesharing) bekommen haben. Dies tut E. auch bundesweit.
Einige betroffene Menschen befindet sich in wirtschaftlich beengten Verhältnissen und haben Anspruch auf Beratungshilfe.

Mit Blick auf die sehr knapp gesetzen Fristen der abmahnenden Kanzleien zur Beibringung einer strafbewährten Unterlassungserklärung hat E. in der Vergangnehiet in BHS-Fällen zunächst lediglich auf die Beibringung einer Kopie des bereits ausgestellten BHS bestanden (der zusammen mit der Abmahnung und der Vollmacht vorab gefaxt / gemailt wird). Der BHS und die Vollmacht sollten stets sodann im Original eingereicht werden. Aufgrund der langen Postlaufzeiten wurde das Mandat allerdings regelmäßig bereits sofort nach Auftragserteilung bearbeitet.

Problem
Nun ist es leider so, dass (aus Gründen, die wohl nur Gott kennt) der eine oder andere Mandant auf BHS-Basis es gleichwohl nicht hin bekommt, den BHS im Original noch nachzusenden. Das ist natürlich ziemlich ärgerlich.


Fragen
1. Ist E. eigentlich verpflichtet, bei Beauftragung unmittelbar tätigt zu werden, oder kann die Ausführung des Mandates auch (ggf. auch über die von der Gegenseite gesetzte Frist zur Abgabe einer Unterlassungserklärung hinaus gehend) geschoben werden, bis das Original des BHS da ist?

2. Unterstellt, der BHS wird trotz mehrfacher Aufforderung einfach nicht in Esels Stall übersendet ... kann dann ein Schadensersatzanspruch in Höhe der fiktiven BHS-Gebühr geltend gemacht werden?

Was meint ihr?

Ich habe leider keinen aktuellen BHS-Kommentar.

Es dankt
Hobbyesel
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#2

09.03.2012, 16:42

Der RA hat die Pflicht, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben, dazu gehört auch, die ihm übertragenen Mandate fristgerecht zu erledigen. Hiervon unabhängig ist die Vollmacht oder der BerH-Schein letzteres erfolgt auf eigenes Risiko. Man sollte nicht ohne BerH Schein tätig werden. Keine Beratung/Vertretung ohne Schein
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Anahid
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#3

12.03.2012, 11:27

Ich bin nicht der Meinung, dass ich warten kann, bis der Beratungshilfeschein im Original vorliegt. Wenn der Mandant die Vorlage per Fax dokumentiert hat und hier eine Frist abläuft, dann gehe ich davon aus, dass die Frist durchaus eingehalten werden muss, da ansonsten die Haftung beim Rechtsanwalt hängen bleibt. Mit Übertragung des Mandats, welche ja auch durch das Faxen des BHS und der Vollmacht bestätigt wird, hat der Rechtsanwalt die Pflicht, die Fristen entsprechend einzuhalten.

Wenn der Mandant den BHS nicht im Original zuschickt, dann würde ich ihn unter Fristsetzung letztmalig zur Übersendung auffordern und gleichzeitig androhen, dass bei nicht fristgerechter Übersendung er die Kosten der Inanspruchnahme zu tragen hat, da eine Abrechnung mit der Staatskasse nicht möglich ist. Ich denke schon, dass das zulässig ist. Das andere Problem dürfte allerdings sein, dass im Zweifel bei dem Mandanten die Gebühren nicht durchgesetzt werden können, da er vermögenslos sein dürfte.
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#4

13.03.2012, 10:27

Vor allem ist man nicht davor geschützt, dass der Mandant den BerHiSchein an mehrere RA'e faxt....
Dann wird es mit der Abrechnung "schwierig".... genausowie mit einer Farbkopie des Scheins :augenreib
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#5

13.03.2012, 11:28

Da stimme ich Dir zu Sniper. Aber haftungstechnisch würde ich behaupten, dass Du nicht warten kannst, bis der Schein im Original vorliegt, wenn der Mandant, der z.B. in einem anderen Bundesland wohnt, Dir die Unterlagen vorab Fax schickt und Du über laufende Fristen in Kenntnis gesetzt wirst, die ggf. am nächsten Tag ablaufen. Dann musst Du m.E. sofort tätig werden.

Eine andere Möglichkeit ist natürlich, sofort zu reagieren und die Übernahme des Mandats abzulehnen unter Hinweis darauf, dass eine Übersendung des BHS per Fax nicht ausreicht und dieser im Original vorliegen muss. Wenn mir ein Mandat erst kurz vor Fristablauf per Fax übertragen wird, habe ich - denke ich - die Möglichkeit, dieses auch abzulehnen und den Mandanten darauf hinzuweisen, dass er einen Rechtsanwalt an seinem Wohnsitz beauftragen soll, dem er den BHS sofort übergeben kann.

Aber wenn ich das Mandat annehme, dann kann ich mich nicht über gesetzte Fristen hinwegsetzen unter Hinweis darauf, dass ich den BHS nicht im Original vorliegen habe.
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#6

13.03.2012, 12:58

Vorgenanntem schließe ich mich an. Zur Vermeidung von weiteren Beauftragungen an andere Anwälte würde ich zusätzlich Kontakt mit der Stelle aufnehmen, die den BHS ausgestellt hat (um Vorrecht sozusagen geltend zu machen). Die Androhung einer regulären Abrechnung haben wir auch schon durchgeführt, wenn das Original nicht beikam. Ist zu empfehlen.
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#7

13.03.2012, 16:50

Es ist und bleibt ein Beratungshilfemandat, die Abrechnung regulärer Gebühren ist unzulässig.
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Cindi
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#8

14.03.2012, 17:13

Habe mal in Rechtspflegerforum recherchiert: Angeblich gibt es für fehlende Beratungshilfescheine einen Kommentar in "Lindemann/Trenk-Hinterberger, BerHG, § 6 Rn 13. Hat den jemand. Wir nicht. Und übers Net kann ich nichts Gescheites aufrufen.
cjdenver
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#9

15.03.2012, 14:48

welche mandanten bekommen denn beratungshilfe und haben ein fax? klingt für mich irgendwie nicht so recht passend...
***

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An sich nicht erstattbare Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens erster Instanz sind insoweit erstattbar, als durch sie erstattbare Kosten erspart bleiben. (LG Rheinland-Pfalz)
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Cindi
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#10

15.03.2012, 14:51

Ich kenne auch Hartz IV-Empfänger mit Mercedes. Gibt es alles. Außerdem nutzen einige Mandanten das Fax eines Bekannten oder Familienangehörigen.
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