Berufungsverfahren - Entstehung der 1,1 VG nach 3201

...für das vom 01.07.2004 bis 31.07.2013 geltende Gebührenrecht
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Smilie
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#1

30.06.2008, 10:43

So Leute, ich hab mal wieder ein Brett vor dem Kopf und bitte um Beseitigung.

Hier mein Problem:

Wir haben in I. Instanz den Beklagten vertreten. Der Klage wurde teilweise stattgegeben und im Urteil gibt es eine Kostenquote. Soweit noch alles ok - besonders hinsichtlich des KfB.

Wir haben gegen das Urteil Berufung eingelegt und den Schriftsatz mit der Einlegung der Berufung und dem Satz, dass Anträge und Bergründung im gesonderten Schriftsatz erfolgen. So, nach langem hin und her haben wir dann die Berufung zurückgenommen. Klaro - wir haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Bis dahin auch noch alles klar. Jetzt kommt KfB für die II. Instanz mit einer 1,1 Verfahrensgebühr der Gegenseite.

Jetzt meine Frage: Die Gegenseite hat sie nie ggü. dem Gericht gemeldet. Alles was ich hab, ist die Mitteilung des Gerichts, dass der Gegenseite lediglich durch die Übersendung der Berufungsschrift an der Sache beteiligt wurde.

Nu kommts: Laut § 19 (1) Nr. 9 gehört die Empfangnahme von Rechtsmittelschriften zum Rechtszug. Also vermute ich mal, zur I. Instanz. Demzufolge könnte doch die 1,1 Verfahrensgebühr doch gar nicht geltend gemacht werden oder????
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romex
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#2

30.06.2008, 10:52

Hallo Smilie,

genau deshalb kann der Gegenanwalt diese Gebühr verlangen; weil er im Beurfungsverfahren noch nicht agiert hat.

In meinem "Mini-"Kommentar heißt es dazu:

3302 vorzeitige Beendigung des Auftrags, 1,1 Gebühr:

Eine vorzeitige Beendigung liegt vor,
1. wenn der Auftrag endigt, bevor der RA das Rechtmittel einlegt oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag....enthält, einreicht...

Ich bin selbst auch oft überrascht, was andere so für Gebühren geltend machen und gucke dann auch nach, ob das überhaupt geht. Ich denke, hier geht das so in Ordnung.

Liebe Grüße,

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#3

30.06.2008, 10:54

Vielleicht hilft das:

OLG Celle, Beschl. v. 03.04.2006 - 2 W 63/06

Aus den Gründen:

Mit Recht hat das LG eine 1,1 Gebühr nach Nr. 3201 VV RVG angesetzt.

Gemäß § 91 I ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits nur insoweit zu tragen, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig sind. § 91 II ZPO bestimmt insoweit, dass die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des RA der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten sind. Hieraus ergibt sich allerdings nicht, dass jede Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten, welche einen Gebührenanspruch auslöst, auch erstattungspflichtig ist. Vielmehr ist jede einzelne Tätigkeit dahingehend zu überprüfen, ob sie notwendig i.S.d. § 91 I ZPO war.

Die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten für die Berufungsinstanz durch den Beklagten war hiervon gedeckt. Es ist anerkannt, dass der Berufungsbeklagte einen Prozessbevollmächtigten beauftragen darf, wenn das Rechtsmittel eingelegt ist. Auch in diesem Verfahrensstadium hat der Berufungsbeklagte ein billigenswertes Interesse daran, sich anwaltlich beraten zu lassen. Unbeachtlich ist zudem etwa, ob der Beklagtenvertreter sich auf Bitten des Gegners zunächst nicht legitimiert hätte.

In voller Höhe entsteht in der Regel eine 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG mit der Stellung eines Sachantrags nach Vorliegen der Berufungsbegründung. Die Anwaltskosten des Berufungsbeklagten sind dann trotz Verfahrensbeendigung durch Berufungsrücknahme in dieser Höhe zu erstatten, weil es sich bei den durch den Sachantrag auf Zurückweisung der Berufung entstehenden Anwaltsgebühren um notwendige Kosten der Rechtsverteidigung handelt.

Eine - reduzierte - Gebühr entsteht davon unabhängig jedoch bereits auch dann, sobald der Prozessbevollmächtigte in Ausführung des Auftrags der Wahrnehmung der Rechte des Berufungsbeklagten irgendeine Tätigkeit entfaltet. Auf den Umfang der Tätigkeit kommt es dabei ebenso wenig an wie darauf, ob diese nach außen in Erscheinung getreten ist, der Prozessbevollmächtigte sich also etwa zu den Gerichtsakten gemeldet hat oder nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 07.10.2005 - 2 W 200/05). Wegen der vorzeitigen Beendigung des Auftrags durch die Berufungsrücknahme ist eine 1,1 Gebühr nach Nr. 3201 VV RVG angefallen.

Zuletzt geändert von 13 am 29.09.2010, 16:24, insgesamt 1-mal geändert.
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#4

30.06.2008, 10:54

Eine Gebühr der Gegenseite fällt erst an, wenn sie sich bestellt hat und die Berufung kostenpflichtig zurückgewiesen hat. Dazu braucht sie allerdings nicht zu waren, bis ihr die Berufungsbegründung eingelegt habt.
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Smilie
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#5

30.06.2008, 11:03

Hm, ich sitz leider immer noch zwischen den Stühlen.

Nach 13 ist der KfB also ok...

@ Jenniver: Gemeldet hat sich die Gegenseite nicht. Ihr wurde nur vom Gericht die Berufungsschrift übersandt. Mehr nicht.
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#6

30.06.2008, 11:12

Noch eine Entscheidung (siehe insbes. Ziff. 2 der Begründung):

LS
1. Die Entstehung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG für den Anwalt des Rechtsmittelgegners setzt nicht voraus, dass dieser sich bereits zum Verfahren bestellt.

2. Die Bitte an den erstinstanzlichen Bevollmächtigten des Rechtsmittelgegners, sich vorerst noch nicht beim Berufungsgericht zu bestellen, schließt die Erstattungsfähigkeit der durch die Beauftragung mit der Vertretung in der Rechtsmittelinstanz erwachsenden Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG nicht aus.

3. In diesem Falle bedarf es auch keiner weiteren Glaubhaftmachung des Gebührenansatzes.

KG Berlin, Beschl. v. 09.05.2005 - 1 W 20/05
JurBüro 2005, 418 = Rpfleger 2005, 569 = KGR Berlin 2005, 684 = RVGreport 2005, 314 = juris (KORE 442482005)

G r ü n d e

Das Rechtsmittel ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG in Verbindung mit § 104 III 1 ZPO zulässig, hat jedoch in der Sache aus den im klägerischen Schriftsatz vom 20.01.2005 genannten Gründenkeinen Erfolg. Ergänzend ist auszuführen:

1) Einer weiteren Glaubhaftmachung des Vortrages, der Klägervertreter habe den Auftrag gehabt, die Kläger auch in der Berufungsinstanz zu vertreten, bedurfte es nicht. Insbesondere bedurfte es eines Bestellschriftsatzes hierzu nicht. Der Klägervertreter entsprach insoweit der Bitte der Beklagtenvertreter, sich vorerst noch nicht beim Kammergericht zu bestellen.

2) Die Gebühr nach Nr. 3201 VV RVG erforderte ein Tätigwerden aufgrund des Auftrages, das jedoch nicht nach außen in Erscheinung treten musste und lediglich in der Entgegennahme des Auftrags und der Information bestehen konnte (<a href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3406574025/ref=nosim/foreno-21" target="_blank">Gerold/Schmidt</a>/Müller-Rabe, RVG, VV 3200 Rn. 49). Soweit der Auftrag – wie offenbar im vorliegenden Fall – schon mit dem erstinstanzlichen Mandat zur gerichtlichen Geltendmachung der Klageforderung erteilt wurde, bedurfte es nach Zustellung der Berufungsschrift gemäß § 172 II ZPO keiner besonderen Auftrags- oder Informationserteilung. Die mit der Empfangnahme der Rechtsmittelschrift und deren Weiterleitung an den Auftraggeber entfaltete Tätigkeit ist zwar mit der erstinstanzlichen Verfahrensgebühr nach VV 3100 abgegolten, § 19 I Nr. 9 RVG. Daraus folgt aber nicht, dass das Entstehen der weiteren Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG eine zusätzliche Tätigkeit des beauftragten Rechtsanwalts erfordert, die in diesem Stadium des Verfahrens für den Vertreter des Rechtsmittelgegners auch nicht veranlasst ist.

3) Ein Stillhalteabkommen ist nicht geschlossen worden, so dass es auf die in diesem Falle geltenden erstattungsrechtlichen Grundsätze (vgl. <a href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3406574025/ref=nosim/foreno-21" target="_blank">Gerold/Schmidt</a>/Müller-Rabe, a.a.O. Rn. 54–57) nicht ankommt. Zwar haben die Berufungskläger bei der fristwahrenden Einlegung der Berufung die Bitte an den Klägervertreter ausgesprochen, anwaltlich noch nicht im Berufungsverfahren tätig zu werden. Dies konnte aber keine rechtliche Verpflichtung für den Klägervertreter begründen, die Gebühr nach VV 3201 nicht geltend zu machen, und erst recht nicht für die Auftraggeber, insoweit keine Erstattung ihrer Kosten zu verlangen. Aus den Gründen zu 2) ist es für die Entstehung und Erstattungsfähigkeit der Gebühr nämlich nicht erforderlich, dass der Rechtsanwalt sich mit einem Meldeschriftsatz zum Verfahren bestellt.

4) Der Erstattungsfähigkeit gemäß § 91 Nr. 1 ZPO steht schließlich auch nicht, wie die Beklagten meinen, der Gesichtspunkt entgegen, dass ein Tätigwerden des Rechtsanwalts im Berufungsverfahren solange objektiv nicht erforderlich gewesen sei, wie die Beklagten über die Durchführung des Berufungsverfahrens noch nicht entschieden hätten. Dieser Gesichtspunkt betrifft nur eine die volle Gebühr nach VV 3200 auslösende weitergehende Tätigkeit des Rechtsanwalts, nicht schon die Entgegennahme des Auftrags zur Vertretung in der Berufungsinstanz, deren Notwendigkeit aus der Sicht einer „verständigen Prozesspartei“ zu beurteilen ist und im Regelfall nicht verneint werden kann (vgl. BGH - NJW 2003, 756-757).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.

So auch:

KG, Beschl. v. 02.12.2005 – 1 W 434/05


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#7

30.06.2008, 11:29

Hm, hab ich verstanden, aber wofür ist dann § 19 (1) Nr. 9? Wenn auf jeden Fall die Verfahrensgebühr nach 3201 entsteht...
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#8

03.07.2008, 18:43

Hallo alle zusammen,

da es hier um die II. Instanz geht habe ich hier auch mal eine Frage:

Folgender Sachverhalt:
Wir vertreten den Kläger und haben in der I. Instanz verloren. Daraufhin haben wir Berufung eingelegt und dann auch zu 100 % gewonnnen.

So jetzt soll ich einen KFA für beide Instanzen machen. Wäre das dann wie folgt richtig:

I. Instanz
1,3 VerfGeb
1,2 TermGeb
PP

II. Instanz
1,6 VerfGeb
PP

??????

Wären diese Gebühren richtig? Im Berufungsverfahren kommt ja die TermGeb nicht hinzu oder? Und darf man in EINEM KFA zwei mal die VerfGeb nehmen?

Vielen lieben Dank schon mal im Voraus für Eure Hilfe

Liebe Grüße
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#9

03.07.2008, 18:48

Hat im Berufungsverfahren denn ein Termin stattgefunden? Wenn ja, dann gibt es dafür auch eine Terminsgebühr.

Du musst in dem KfA nur genau aufschlüsseln in I. Instanz und II. Instanz, dann kannst du auch zwei Verfahrensgebühren geltend machen. Abgesehen davon kann man das ja auch an den RVG-Nr. erkennen, dass I. und II. Instanz gemeint ist.
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#10

03.07.2008, 19:17

Wie Expertin. Es kommt nicht auf, wie viele VG im KFA stehen, sondern es zählen die Instanzen. In jeder Instanz entstehen die Gebühren neu. Macht man also die Kosten für 2 Instanzen geltend, dann tauchen bei Entstehen der Gebühren auch die Begriffe VG und TG entsprechend 2x auf - mit der jeweiligen Gebührenhöhe versteht sich.
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