PKH und Einigungsgebühr für Mehrwert

...für das vom 01.07.2004 bis 31.07.2013 geltende Gebührenrecht
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Gast

#1

16.02.2006, 13:52

Hallo zusammen,

in Bonn und Köln scheinen die Uhren im Gebührenrecht wohl andersherum zu gehen. Folgender Fall:

Klage vor dem ArbG mit PKH. Im Termin nach Erörterung Vergleich mit Mehrwert. PKH ist auf den Mehrvergleichsgegenstand erweitert worden.

Die für den Mehrwert angesetzte 1,5 EG ist vom Rpfl. gestrichen worden und auf eine 1,0 EG nach dem zusammengerechneten Wert heruntergekürzt worden.

Begründung: Weil die Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich erstreckt wurde, war im Zeitpunkt, als der Mehrvergleich geschlossen wurde, ein Prozesskostenhilfe-Verfahren anhängig???

Als ich das las, dachte ich, ich spinne. Das ist übrigens ständige Rechtsprechung des LAG Köln - Beschluss vom 22.02.2005 - 4 Ta 30/05 -.
Die verwechseln doch wohl offenbar das anhängige Verfahren (mit PKH) und die eben nicht rechtshängigen Teile, für die doch lediglich zum Zwecke der Protokollierung einer Einigung PKH verlangt wird. Anm.: Die Differenz-Verfahrensgebühr wurde anstandslos erstattet.

Das Problem ist, dass der Beschwerdewert nicht erreicht ist. Für mich grenzt das Ganze an Rechtsbeugung. Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht?

Überlege, ob nach Gehörsrüge Verfassungsbeschwerde möglich ist. Bin jedenfalls stinkesauer. Nicht nur wir, sondern auch die (Voll-)juristen sollten sich mal im Gebührenrecht fortbilden (aber vielleicht hängt's ja mit dem Karneval im Rheinland zusammen, dass da sowas bei rauskommt :roll: ).
Gast

#2

20.02.2006, 13:56

Hallo,

ruft doch heute tatsächlich die Richterin an und fordert, dass wir die Gehörsrüge zurücknehmen sollen, die Sache sei ja schließlich obergerichtlich entschieden. Darauf, dass die Entscheidung gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut verstößt und schlicht falsch ist, ging sie nicht ein. Sie schimpfte nur, warum wir denn daraus so ne dicke Akte machen müssen, wir sollten doch den Rest "abschreiben".

Na, wenn wir jedesmal ne Sache abschreiben würden, weil der Beschwerdewert nicht erreicht ist, kann der Staat natürlich schön sparen - auf unsere Kosten :evil:

Hat von euch jemand auch solche Erfahrungen gemacht???
Andreas

#3

20.02.2006, 14:36

Ne, also was in der Form hab' ich noch nicht erlebt :nachdenk

Ist schon stark :roll:

Ich hatte nur mal den Fall, daß die Richter hierzulande generell und pauschal einfach mal die Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwaltes ausgesprochen haben. Nach dem Rechtsmittelk(r)ampf bekamen die Richter dann ins Büchlein geschrieben, daß sie das schon begründen sollten :wink:

Hat ja aber nix mit deinem Problem zu tun.

Und - ziehst Du die Gehörsrüge durch ? Würde mich mal interessieren, was dabei rauskommt.
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happykitcat
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#4

20.02.2006, 14:40

Hi,

mich würde auch mal interessieren, was die Richterin da eigentlich geritten hat, so mit dir/euch zu sprechen.

Ich glaube, nach deiner Beschreibung zufolge, dass die Richterin hier ihren Beruf verfehlt hat. Wenn selbst sie nicht erkennt, dass die Entscheidung gegen die gesetzlichen Regelung verstößt.

Liebe Grüße aus Berlin

Katja :katze3
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#5

20.02.2006, 15:35

Wenn's nicht zum :heul wäre, müßte man der Richterin einfach nur mal freundlich die Zähne zeigen :mrgreen:

Wo gibt's denn so was???? *tz tz tz* Zustände wie im alten Rom!
Viele Grüße

ich
Gast

#6

20.02.2006, 17:59

Hallo zusammen,

danke für euren Zuspruch,

also die Gehörsrüge ziehe ich auf jeden Fall durch, soll die Richterin mal entscheiden. Obwohl, das wird wahrscheinlich ein Zweizeiler. Sie wird sich einfach hinter die tolle - falsche - Entscheidung des LAG verstecken. Also ich find', manchmal macht's keinen Spaß, wenn Leute so ignorant sind. Gegen unterschiedliche Auffassungen bei unklaren Vorschriften hab ich ja nichts, aber gegen Entscheidungen, die für jedermann (und natürlich jedefrau :wink: ) klar gegen das Gesetz verstoßen, schon.

Ich überlege, was noch getan werden kann, Verfassungsbeschwerde, Strafanzeige wegen Rechtsbeugung o.ä........, befürchte nur, das wird wohl auch nichts bringen. Es ist wirklich zum :uebel

Werde berichten, wie es weitergeht.

Recht haben und Recht bekommen ..... :frust
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Annile
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#7

20.02.2006, 20:07

Hallo - hab hier was gefunden, mit was du vielleicht nochmals begründen könntest. Liebe Grüße Anni

26-V
6.3.2 Vergleich mit Mehrwert
Viele Rechtsstreite enden durch Einigung der Parteien. § 278 Abs.1 ZPO verpflichtet
das Gericht, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des
Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht zu sein. Nr.1000 VV-RVG lockt
den Rechtsanwalt mit der Einigungsgebühr, das selbe zu tun. Gelegentlich werden
in die Einigung auch Gegenstände einbezogen, die bisher nichts rechtshängig und
zwischen den Parteien auch nicht erörtert waren. Aus dem sog. Vergleichsmehrwert
dieser zusätzlichen Gegenstände der anwaltlichen Tätigkeit fällt dann nicht nur eine
1,0 Einigungsgebühr an sondern nach Nr.3101 Nr.2. VV-RVG auch eine 0,8 Verfahrensgebühr.
Eine Terminsgebühr entsteht nach der ausdrücklichen Regelung der
Nr. 3104 Anm. Abs.3 VV-RVG nicht. Bei der Berechnung der konkret verdienten
Gebühr ist, wie immer, § 15 Abs.3 RVG zu berücksichtigen, der bestimmt, dass
zwar für Teile des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit verschiedene Gebührensätze
anzuwenden seien können und die Gebühr dann für die Teile gesondert
berechnet wird, die Gesamtgebühr jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag
der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr betragen
darf.

RA G. Duden Gebühren- und Kostenrecht

Fall 14: RA klagt für A € 10.000,00 ein. Im Termin einigen sich die Parteien und vereinbaren, im Vergleich auch die Herausgabe eines Bildes von A an B zu regeln, Wert € 5.000,00. RA verdient ohne Auslagen und Mehrwertsteuer:
1. 1,3 Verfahrensgeb. Nr.3100 VV-RVG GW: € 10.000,00 € 631,80
2. 0,8 Verfahrensgeb. Nr.3101 Nr.2 VV-RVG GW: € 5.000,00 € 240,80
€ 872,60
3. Ziff.1 und 2 beschränkt nach § 15 Abs.3 RVG
1,3 Verfahrensgeb. GW: € 15.000,00 € 735,80
4. 1,2 Terminsgeb. Nr.3104 VV-RVG GW: € 10.000,00 € 583,20
5. 1,0 Einigungsgeb. Nr.1003 VV-RVG GW: € 10.000,00 € 486,00
6. 1,5 Eingigungsgeb. Nr.1000 VV-RVG GW: € 5.000,00 € 451,50
€ 937,50
7. Ziff.5 u. 6 beschränkt nach § 15 Abs.3 RVG
1,5 Einigungsgeb. GW: € 15.000,00 € 849,00
= € 2.168,00
Es Annile :hurra
Gast

#8

21.02.2006, 11:29

Danke Annile,

die Rechtslage und die Berechnung sind klar.

Das Problem ist, dass das Gericht und die obergerichtliche Rechtsprechung des LAG Köln fälschlich davon ausgehen, dass mit der Einigung auch über nicht rechtshängige Ansprüche ein PKH-Bewilligungsverfahren anhängig wird, was zur Folge hat, dass die 1,5 EG für den nicht rechtshängigen Teil sich auf 1,0 reduziert. Im Gesetz steht aber ausdrücklich, dass dies dann nicht der Fall ist, wenn lediglich PKH für die Protokollierung der Einigung - wie hier - beantragt wird. Dies ergibt sich eindeutig aus der Anm. zu Nr. 1003 VV RVG. Die Richterin bzw. das LAG sagen, wenn PKH für die Einigung beantragt wird, ist automatisch ein PKH-Bewilligungsverfahren anhängig und es tritt die Reduzierung der EG ein. Hiergegen bin ich machtlos, weil der Beschwerdewert nicht erreicht ist und die Gehörsrüge wahrscheinlich auch abgeschmettert wird, weil sich die Richterin hinter der - falschen - Auffassung des LAG versteckt. Ein für mich zurzeit jedenfalls unauflösbares Dilemma.

Bei einem Mandat ohne Prozesskostenhilfe bekomme ich die Gebühr anstandslos, z.B. dann, wenn ich in der II. Instanz beim LAG einen Kostenerstattungsanspruch habe. Der Anwalt wird also in Prozesskostenhilfe-Sachen zweimal "bestraft", einmal dadurch, dass er ab einem Streitwert von 3.000,00 EUR sowieso geringere Gebühren erhält und einmal dadurch, dass er - zumindest im Bezirk des LAG Köln - nicht die richtigen Gebühren für die Einigung bekommt. Mich würde interessieren, ob in anderen LAG-Bezirken auch so entschieden wird oder nicht?

Werde berichten, was aus der Gehörsrüge geworden ist.
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Damilya
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#9

03.05.2012, 16:38

Ich habe heute genau so einen Hinweis vom Gericht bekommen. Hier wurde dazu eine Entscheidung des LarbG Mainz vom 04.05.2009, Az.: 5 Ta 97/09, zitiert.

Scheint wohl, dass solche Entscheidungen mittlerweile Standard werden :roll:
arioe
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#10

24.09.2014, 11:18

Mal ne Frage hierzu, habe nämlich das gleiche Problem - übrigens in Offenbach, Wiesbaden und Frankfurt haben die damit kein Problem.

Wenn die der Meinung sind, dass der Mehrwert gerichtlich anhängig war, steht mir dann nicht auch die volle Verfahrensgebühr aus dem gesamten Wert und die Terminsgebühr zu, denn es wurde ja auch darüber verhandelt und verglichen, das ist doch der Sinn der erhöhten Vergleichsgebühr, deshalb bekomme ich doch nur eine reduzierte Verfahrensgebühr und keine Terminsgebühr. Aber wenn die mich jetzt auffordern eine neue Berechnung einzusenden mit der 1,0 Einigungsgebühr über den gesamten Streitwert, dann kann ich doch auch eine 1,3 aus dem gesamten Wert als Verfahrensgebühr abrechnen oder ?? Eigentlich käme mir das so logisch vor.

Vielen Dank schon einmal vorab.
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