Abrechnung Strafsache

...für das vom 01.07.2004 bis 31.07.2013 geltende Gebührenrecht
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Enter_the_Void
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#1

08.11.2010, 16:06

Hallo,

ich bin am Verzweifeln. Ich habe leider vor Urzeiten meine letzte Abrechnung in Strafsachen gemacht und komme nicht weiter. Der Sachverhalt: Strafverfahren gegen Mandanten wegen Betrug, wir sind Wahlverteidiger, es geht um sehr viel, bei einer Verurteilung droht Haft. Im Vorfeld 3 x Akteneinsicht, 2 Besprechungen mit einer zuständigen Behörde (nicht StA), StA erhebt Anklage. Daraufhin haben wir eine umfangreiche Schutzschrift mit 50 Seiten Umfang und zig Anlagen angefertigt. Die Eröffnung des Hauptverfahrens wird vom Gericht abgelehnt, weil der Tatnachweis nicht geführt werden kann. Das Ganze spielt beim Landgericht.

Sooooo. Meine erste Frage: Können wir der Staatskasse gegenüber die Höchstgebühren geltend machen, immerhin drohte Haft und es existieren ungeführ 10 Aktenordner? Der Umfang und die Bedeutung also sehr hoch? Oder muss ich immer die Mittelgebühr nehmen?

Zweite Frage: Kann ich in einer so umfangreichen Sache einen Antrag nach § 42 RVG eine Pauschalgebühr beim OLG beantragen? Und wie schaut so ein Antrag aus? Muss ich bei so einem Antrag eine Berechnung mit der Grundgebühr beilegen? Hat jemand von euch so einen Antrag mal gemacht. Mir ist er ehrlich gesagt völlig neu.

Wenn nicht, passt meine Abrechnung oder kann ich für die Besprechungen mit der Behörde noch etwas geltend machen (Fahrtkosten, etc.)? Habe ich irgend etwas vergessen?

Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG = 165,00 Euro (mehr möglich?)
Vorverfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG =155,00 Euro
Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG = 155,00 Euro
Zusatzgebühr Nr. 4141 VV RVG = 155,00 Euro (weil Eröffnung der HV abgelehnt)
Auslagenpauschale Nr. 7002 RVG
Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG

Mir kommt das Ganze ein wenig arg mickrig vor?

Danke für die Geduld und Eure Anmerkungen.
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Adora Belle
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#2

08.11.2010, 16:43

Deine Abrechnung stimmt nicht ganz. Die VG fürs erstinstanzliche Verfahren vorm Landgericht ist 4112. Fahrtkosten für Besprechungen mit der Behörde halte ich nicht für erstattungsfähig, das kann man aber evtl auch anders sehen. Mit den Mittelgebühren mußt Du Dich keinesfalls zufriedengeben; bei dem geschilderten Arbeitsaufwand würde ich wohl auch nah an die Höchstgebühr gehen.

Für einen Pauschgebühren-Antrag reicht es vielleicht noch nicht ganz - es gibt ja noch wesentlich umfangreichere Verfahren mit Umzugskisten voller Akten, da sind 10 Aktenordner noch gaaaanix. :wink:

Wenn Du es trotzdem versuchen willst, dann müßte Dein Antrag ans OLG ungefähr lauten:

... beantrage ich, mir gemäß § 42 RVG eine Pauschvergütung für das vorgerichtliche/erstinstanzliche Verfahren i.H.v. mindestens x EUR zu bewilligen.

Begründung

Am ... bin ich vom Beschuldigten im o.g. Verfahren als Verteidiger beauftragt worden. Die gesetzliche Vergütung für das Vorverfahren/erstinstanzliche Verfahren beläuft sich auf x EUR. Diese Gebühren reichen nicht aus, um meine Tätigkeit in der Sache ausreichend zu vergüten.

Die gesetzlichen Gebühren nach Teil 4, die vom Beschuldigten bereits ausgeglichen worden sind, belaufen sich (netto) auf
.
.
Die vorstehenden Höchstgebühren reichen nicht aus, um meine Tätigkeit in dieser Sache ausreichend zu vergüten. Es liegt eine besonders umfangreiche und besonders schwierige Strafsache i.S.d. § 51 RVG vor.

Der besondere Umfang ergibt sich aus ...
Die besondere Schwierigkeit ergibt sich aus ...
Nach alledem halte ich eine weitere Vergütung i.H.v. mindestens x EUR für das vorgerichtliche/gerichtliche Verfahren für angemessen.
Vor der Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse bitte ich, mir von der Entscheidung des Gerichts eine Abschrift zukommen zu lassen sowie mir Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.


Die Pauschgebühr darf höchstens doppelt so hoch sein wie die Wahlanwalts-Höchstgebühren. Außerdem ist zu beachten, daß der Antrag nicht generell für das ganze Verfahren, sondern nur für einzelne Verfahrensabschnitte gestellt wird. Du mußt also jeweils begründen, wieso die Höchstgebühr im Vorverfahren/im erstinstanzlichen Verfahren etc. nicht ausreichend ist.

Wichtig ist, daß Du auseinanderhältst - 1. den Pauschantrag und 2. den Antrag auf Erstattung aus der Staatskasse. Der erste Antrag gilt ja auch gegen Deinen Mandanten. Wenn der durchgeht, schlägt dies aber auf den 2. Antrag durch.
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#3

08.11.2010, 16:58

:thx

Was wären denn deiner Erfahrung nach Fälle, bei denen der Antrag an das OLG durchgeht?

Schriftsätzlich haben wir nur die Schutzschrift mit 50 Seiten Rechtsausführungen gemacht. Das heisst, ich könnte maximal die doppelte Verfahrensgebühr beantragen? Da lohnt sich ja nicht mal der Antrag an das OLG :shock:
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Adora Belle
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#4

08.11.2010, 17:14

Jep. Doppelte Höchstgebühr, mehr gibts nicht. Ich hab mit so Anträgen keine Erfahrung, bin froh wenn meine Mandanten ihre Mittelgebühren-Rechnungen bezahlen. :roll: Und 50seitige Schutzschriften kommen hier auch eher.. äh.. selten vor.

Bei Mandaten in der Größenordnung muß dem Mandanten doch aber auch klar sein, daß er selbst bei einem Freispruch nicht alles erstattet bekommt, was er an Vergütung mit dem Verteidiger vereinbart hat.

Du kannst ja mal noch hier ein bissel nachlesen, da stehen ein paar Beispiele zu Umfang und Schwierigkeit.
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#5

09.11.2010, 17:55

Adora Belle hat geschrieben:Jep. Doppelte Höchstgebühr, mehr gibts nicht. Ich hab mit so Anträgen keine Erfahrung, bin froh wenn meine Mandanten ihre Mittelgebühren-Rechnungen bezahlen. :roll: Und 50seitige Schutzschriften kommen hier auch eher.. äh.. selten vor.

Bei Mandaten in der Größenordnung muß dem Mandanten doch aber auch klar sein, daß er selbst bei einem Freispruch nicht alles erstattet bekommt, was er an Vergütung mit dem Verteidiger vereinbart hat.

Du kannst ja mal noch hier ein bissel nachlesen, da stehen ein paar Beispiele zu Umfang und Schwierigkeit.
Merci .... du bist ein Schatz.

Dem Mandanten kann man es halt schlecht verklickern, wenn er aus der Staatskasse 800 Euro zurückbekommt und er selbst hat 10.000 an den Verteidiger bezahlt. Verstehe ich aber auch, würde mich auch anfaulen. Und die RVG-Sätze im Strafrecht sind ja wirklich lächerlich.
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Adora Belle
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#6

09.11.2010, 18:15

Enter_the_Void hat geschrieben:...und er selbst hat 10.000 an den Verteidiger bezahlt.
Ich geh dann mal Bild

Etwas mehr könntest Du evtl noch rausschlagen, wenn irgendwas mit Einziehung/Beschlagnahme oder so stattgefunden hat. Dann gibt es eine 4142 aus dem Wert der Sache.
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