Kostenfalle Mahnbescheid?

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Lore
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#1

10.12.2018, 17:40

Guten Abend, Ihr Lieben.

Wie immer vor Weihnachten versuche ich meine kompletten Akten auf Vordermann zu bringen. Dabei wollte ich auch folgendes Problem angehen:

Ich habe im Kopf, dass es irgendeine Trickserei bei Mahnbescheiden gibt, die man beantragt hat, aber die dann nicht weiterverfolgt werden. Das hat irgendwas damit zu tun, dass der Antragsgegner abwartet, bis die Verjährungsfrist des vermeintlichen Anspruchs abgelaufen ist, dann die Durchführung des Verfahrens beantragt und dann notwendiger Weise seine Kosten erstattet verlangen kann, weil er ja sicher sein kann, dass der Anspruch nicht (mehr) besteht.

Habe ich das richtig im Kopf? Was ist die Lösung des Problems? Müssen alle Mahnbescheide die nicht weiterverfolgt werden sollen zurückgenommen werden? Wie lange zurück muss man das tun - die letzten 3 vollen Jahre, weil dann der Erstattungsanspruch verjährt wäre?

Vielleicht hat sich einer von Euch schon mal im Detail mit der Problematik beschäftigt und kann mir aushelfen. Google hat mir dazu nichts ausgespuckt. Wäre für jede Hilfe dankbar.

Lore
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skugga
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#2

10.12.2018, 17:47

Das ist keine "Trickserei", sondern ziemlich vernünftig von der Gegenseite,...
Milchreis schmeckt ganz vorzüglich, wenn man ihn kurz vor dem Verzehr durch ein saftiges Steak ersetzt.
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mücki
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#3

11.12.2018, 09:33

Guten Morgen,

also unabhängig davon, dass ich solche "Trickserei" bislang weder gehört, noch erlebt habe (was ja nichts heißen muss :mrgreen: ), würde ich präventiv gar nichts zurücknehmen. Sollte der Antragsgegner tatsächlich solcherlei praktizieren, käme eine Klagerücknahme gem. § 269 ZPO in Betracht.

Ich kann mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, dass das irgendjemand macht und das aus zwei Gründen (für meine Annahme spricht ja auch, dass du über die bekannte Suchmaschine so rein gar nichts gefunden hast):

1. Stellt der Antragsgegner einen Abgabeantrag, so ist er zunächst einmal vorschusspflichtig für die noch zu zahlenden 2,5 Gerichtsgebühren.
2. Ich gehe davon aus, dass das Gericht in einem solchem Fall gem. § 269 Abs. 3 S. 2 verfahren würde.

Dumme Gedanken hat jeder, nur der Weise verschweigt sie. Wilhelm Busch
Feldhamster
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#4

11.12.2018, 10:14

Ich kenne eine Kanzlei, in der so vorgegangen wird.
Genau den Fall hatten wir Anfang diesen Jahres.
Die Forderung unserer Mandantin (= Antragstellerin) ist verjährt und der Antragsgegner-RAhat den Antrag auf Abgabe an das streitige Gericht gestellt. Die GK hierzu hat das Mahngericht nicht von ihm angefordert, sondern sofort abgegeben. Wir sind dann vom streitigen Gericht aufgefordert worden, den Anspruch zu begründen.
Da wir von der eingetretenen Verjährung wussten und bei einer Klagerücknahme unsere Mandantin sämtliche Kosten zu tragen hätte, haben wir uns mit dem Antragsgegner-RA in Verbindung gesetzt und eine Einigung ausgehandelt. Hierbei haben wir dann erfahren, dass der RA immer dann so vorgeht, wenn er von seinem Mandanten die Vergütung für den Widerspruch des MB nicht erhalten hat. Durch die getroffene Einigung hat der RA dann einen gewissen Betrag erhalten.

Jedoch hat das Vorgehen in unserem Fall der Gegenseite eigentlich nur geschadet.
Wir hatten in der Einigung den Passus aufgenommen "damit sind alle Ansprüche, die sich aus dem Verfahren xy ergeben, erledigt". Das hat der Antragsgegner-RA auch akzeptiert.
Das Gericht hat nun jedoch nachträglich die GK nachträglich berechnet (3,0 abzgl. der 0,5 für den MB) und unserer Mandantin in Rechnung gestellt als Klägerin. Hiergegen haben wir dann Erinnerung eingelegt mit Verweis auf die Einigung und den Hinweis, dass der Antragsgegner den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens gestellt hat. Das Gericht hat daraufhin der Erinnerung abgeholfen und die GK dem Antragsgegner in Rechnung gestellt, die dieser dann auch Wochen später bezahlt hat. Jedoch: die GK, die er zu zahlen hatte, waren höher als der Einigungsbetrag :pfeif
Manuel
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#5

11.12.2018, 10:34

Feldhamster hat geschrieben:
11.12.2018, 10:14
Ich kenne eine Kanzlei, in der so vorgegangen wird.
Genau den Fall hatten wir Anfang diesen Jahres.
Die Forderung unserer Mandantin (= Antragstellerin) ist verjährt und der Antragsgegner-RAhat den Antrag auf Abgabe an das streitige Gericht gestellt. Die GK hierzu hat das Mahngericht nicht von ihm angefordert, sondern sofort abgegeben. Wir sind dann vom streitigen Gericht aufgefordert worden, den Anspruch zu begründen.
Da wir von der eingetretenen Verjährung wussten und bei einer Klagerücknahme unsere Mandantin sämtliche Kosten zu tragen hätte, haben wir uns mit dem Antragsgegner-RA in Verbindung gesetzt und eine Einigung ausgehandelt. Hierbei haben wir dann erfahren, dass der RA immer dann so vorgeht, wenn er von seinem Mandanten die Vergütung für den Widerspruch des MB nicht erhalten hat. Durch die getroffene Einigung hat der RA dann einen gewissen Betrag erhalten.

Jedoch hat das Vorgehen in unserem Fall der Gegenseite eigentlich nur geschadet.
Wir hatten in der Einigung den Passus aufgenommen "damit sind alle Ansprüche, die sich aus dem Verfahren xy ergeben, erledigt". Das hat der Antragsgegner-RA auch akzeptiert.
Das Gericht hat nun jedoch nachträglich die GK nachträglich berechnet (3,0 abzgl. der 0,5 für den MB) und unserer Mandantin in Rechnung gestellt als Klägerin. Hiergegen haben wir dann Erinnerung eingelegt mit Verweis auf die Einigung und den Hinweis, dass der Antragsgegner den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens gestellt hat. Das Gericht hat daraufhin der Erinnerung abgeholfen und die GK dem Antragsgegner in Rechnung gestellt, die dieser dann auch Wochen später bezahlt hat. Jedoch: die GK, die er zu zahlen hatte, waren höher als der Einigungsbetrag :pfeif
:lol: So kann es gehen. Alles richtig gemacht.
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mücki
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#6

11.12.2018, 10:35

@Feldhamster:

Dazu fällt mir nur ein: Wer anderen eine Grube gräbt, der braucht ein Grubengrabgerät :mrgreen: :patsch
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#7

11.12.2018, 12:19

KG Berlin, Beschluss vom 20.10.2017, AZ: 5 AR 13/17: Die den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides stellende Partei schuldet gem.§ 22 Abs. 1 Satz 1 GKG die weitere Verfahrensgebühr gem. Nr. 1210 Abs. 1 VV GKG auch dann, wenn die Gegenpartei gem. § 969 Abs. 1 ZPO nach ihrem Widerspruch gegen den Mahnbescheid die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt (wie OLG Koblenz, MDR 2015, 1096).

Es ist also gar nicht so verkehrt, wenn mann den MB-Antrag nach Widerspruch der Gegenseite zurücknimmt, wenn die Sache nicht weiterverfolgt werden soll. Sonst kann man böse auf die Nase fallen.
Warum ist am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig?!

Ich habe kein Whatsapp und ich werde auch keins bekommen. Ich stehe auf Datenschutz und bin voll Threema.
:naegel
Lore
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#8

11.12.2018, 14:03

Vielen Dank für die Antworten und Erfahrungen.
@Mücki: "2. Ich gehe davon aus, dass das Gericht in einem solchem Fall gem. § 269 Abs. 3 S. 2 verfahren würde." Meinst du, dass dem Beklagten die Kosten auferlegt würden? Das halte ich nicht für überwiegend wahrscheinlich.
@Feldhamster: Vielleicht lernt der Gegner ja daraus. Entweder macht er es dann das nächste Mal richtig, oder er lässt es ganz.
Es klingt für mich so, als wäre das ganze nicht ganz so häufig, wie ich befürchtet hatte.
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mücki
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#9

11.12.2018, 14:08

Anderslautend, OLG Hamm v. 17.11.2017 - 25 W 226/17 (Vorinstanz LG Essen - 12 O 33/17)

http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm ... 71117.html oder

OLG Oldenburg 6 W 37/16

https://www.haufe.de/recht/deutsches-an ... 31038.html

Also immer nachschauen, wo man solchen Spielchen spielen möchte :mrgreen:
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Lore
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#10

11.12.2018, 15:02

Aber geht es bei den beiden Entscheidungen nicht nur um die Vorschusspflicht für die Gerichtskosten? Bei der aus Hamm bin ich nicht ganz sicher. Klägerin beantragt MB, Beklagte beantragt zurückweisung und stellt Abgabeantrag. Dann bekommt die Beklagte die Gerichtskostenrechnung. Dann nimmt die Klägerin zurück und bekommt die Kosten aufgebrummt. Dann muss sie doch der Beklagten die Gerichtskosten ersetzen, oder nicht?
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