Vollstreckung in der Schweiz

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Emilia06
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#1

28.09.2010, 08:41

Hallo,

ich habe einen Kfb vorliegen, Schuldner sitzt in der Schweiz. Benötige ich für die Schweiz einen eurpäischen Vollstreckungstitel, und wie funktioniert die Vollstreckung aus Deutschland in der Schweiz überhaupt? So etwas habe ich noch nie gemacht.

Merci an alle

Emilia
:thx
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LuzZi
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#2

28.09.2010, 08:47

:suche ;)

z. B. viewtopic.php?f=36&t=9855&hilit=vollstreckung+schweiz
Egal wie tief man die Messlatte der Dummheit setzt, es gibt jeden Tag jemanden, der bequem darunter durchlaufen kann.
warintharpa
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#3

28.09.2010, 09:45

Der inl. Vollstreckungsbescheid könnte zwar grundsätzlich als Europ. Vollstreckungstitel bestätigt werden, im Verhältnis zu der Schweiz hat er jedoch keine Rechtswirkung.
Die Schweiz ist nicht EU-Mitgliedstaat.
warintharpa
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#4

28.09.2010, 09:47

Derzeit werden inl. Entscheidungen/inl. Vergleiche noch nicht automatisch in den anderen Vertragsstaaten anerkannt.
Die Gläubigerpartei muss zunächst ein bes. Zwischenverfahren für die Anerkennung in den anderen Vertragsstaaten (bekannt als "Exequaturverfahren") beantragen.
Mit anderen Worten:
Die Vollstreckung aus dem inl. Kostenfestsetzungsbeschluss in der Schweiz ist erst möglich, nachdem das schweizerische Gericht erklärt hat, dass der inländische Kostenfestsetzungsbeschluss in der Schweiz vollstreckbar ist.

Du benötigt als Gläubigerpartei für die Zwangsvollstreckung in der Schweiz folgende Unterlagen:
(vollstr.) Ausfertigung der inl. Kostenfestsetzungsbeschlusses mit Zustellungsvermerk -ggfs. mit Rechtskraftvermerk -,
die Vollstreckungsbarerklärung des inländischen Kostenfestsetzungsbeschlusses durch das schweizerische Gericht mit Zustellungsbescheinigung.

Zunächst musst Du bei dem inländischen Prozessgericht die Erteilung einer Bescheinigung über die Zustellung des Kostenfestsetzungsantrags beantragen.

Diese wird für die Zwangsvollstreckung in der Schweiz benötigt, vergl. Art. 47 Zi. 1 LugÜ.

Hinsichtlich der grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung wird auf das Justizportal NRW Bezug genommen:
https://www.justiz.nrw/BS/rechtimauslan ... /index.php

Weitere Einzelheiten können der entsprechenden Info entnommen werden:
https://www.justiz.nrw.de/BS/rechtimaus ... -lugue.pdf

Aus der vorgenannten Info ergeben sich insbes. die im Vollstreckbarerklärungsverfahren vorzulegenden Unterlagen.
Zuletzt geändert von warintharpa am 26.03.2018, 10:35, insgesamt 4-mal geändert.
warintharpa
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#5

28.09.2010, 09:57

Die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und Urkunden, die auf Zahlung von Geld gerichtet sind, ist in der Schweiz einheitlich durch das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) geregelt.
Inländische Entscheidungen und inl. Urkunden, werden in der Schweiz nach den Vorschriften des SchKG - wie Urteile aus anderen Kantonen der Schweiz - in einem summarischen Verfahren (Rechtsöffnungsverfahren) zur Vollstreckung zugelassen (vergl. Art. 81 III SchKG).
Ein besonderes Exequaturverfahren findet nicht statt.
Die Schuldbetreibung nach dem SchKG beginnt mit einem Betreibungsbegehren an das Betreibungsamt, in dessen Bezirk die Schuldnerpartei ihren Wohnsitz oder Aufenthalt hat.
Das Betreibungsamt erläßt hierauf ohne weitere sachliche Prüfung einen Zahlungsbefehl, gegen den die Schuldnerpartei Rechtsvorschlag (Widerspruch) erheben kann.
Durch den Rechtsvorschlag (Widerspruch) wird die Betreibung gehemmt und darf erst nach gerichtlicher Entscheidung fortgesetzt werden.
Besitzt die Gläubigerpartei jedoch bereits einen inländischen vollstreckbaren Titel, so kann sie gerichtliche Rechtsöffnung verlangen.
In dem summarischen Rechtsöffnungsverfahren wird lediglich geprüft, ob die Voraussetzungen des deutsch-schweizerischen Vollstreckungsabkommens für die Anerkennung und Vollstreckung des inländischen Titels erfüllt sind.
Außerdem kann die Schuldnerpartei gem. Art. 81 SchKG einwenden, dass die titulierte Forderung nach Erlass der Entscheidung getilgt, gestundet oder verjährt ist.
Wird die Rechtsöffnung gewährt, so nimmt die Schuldbetreibung mit Pfändung und ggfs. Konkurseröffnung ihren Fortgang.


Verfahrensablauf:
Betreibungsbegehren der Gläubigerpartei an das Betreibungsamt,
Inhalt des Begehrens: Art. 67 SchKG;

Erlass eines Zahlungsbefehls durch das zuständige Betreibungsamt,
Art. 69 ff. SchKG;

Schulder hat Möglichkeit, gegen den Zahlungsbefehl Rechtsvorschlag (Widerspruch) zu erheben, Art. 74, 75 SchKG;

Rechtsvorschlag bewirkt Einstellung der Betreibung, Art. 78 SchKG;

Da die Forderung auf einer vollstreckbaren inländischen Entscheidung beruht, kann die Gläubigerpartei beim zuständigen Rechtsöffnungsrichter in der Schweiz die Aufhebung des Rechtsvorschlags (definitive Rechtsöffnung) verlangen, Art. 80 SchKG;

Frühestens 20 Tage nach Zustellung des Zahlungsbefehls kann die Gläubigerpartei das Fortsetzungsbegehren stellen, Art. 88 SchKG;

Betreibung und Pfändung erfolgt sodann nach Art. 89 ff. SchKG


Fazit:
Zunächst ist von der Gläubigerpartei ein Betreibungsbegehren an das zuständige Betreibungsamt zu stellen unter Beifügung einer vollstr. Ausfertigung des inl. Kostenfestsetzungsbeschlusses nebst Zustellungsbescheinigung(en) u. Rechtskraftvermerk.


Muster eines Betreibungsbegehrens und eines Fortsetzungsbegehren (Begehren um Fortsetzung der Betreibung) befinden sich bereits online im Internet.

Nach erfolgter Zustellung des Zahlungsbefehls ist von der Gläubigerpartei ein Fortsetzungsbegehren an das zuständige Betreibungsamt zu stellen (jedoch frühestens 20 Tage nach Zustellung des Zahlungsbefehls).

Musterformulare hinsichtlich eines Betreibungsbegehrens bzw. eines Begehrens um Fortsetzung der Betreibung befinden sich online u. a. auf der Internetseite des Verbandes der Betreibungs- und Konkursbeamten sowie der Bereichsleiter Inkasso Steuerverwaltung des Kantons Bern (VBKBIS);
Internet-URL: http://www.schkg-be.ch/

Literaturhinweis:

Dr. Gerd Müller, RaLG, Köln - Erläuterung zu dem deutsch-schweizerischen Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 02. 11. 1929 in Geimer/Schütze - Internationationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Band III, Hausnummer 660, S. 1 ff. - insbes. S. 31 und 33 (Kommentar zu Art. 6) -
Emilia06
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#6

28.09.2010, 10:01

Vielen Dank für die schnelle Hilfe. Werde in die Links reinschauen.

Emilia
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AnjaWie
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#7

30.01.2020, 16:31

Ich würde gerne das Thema noch mal aufgreifen. Mache das zum ersten Mal . :wink1
Ich bin dabei gerade einen KfA zu machen. Der Schuldner sitzt in der Schweiz.

Kann ich in dem KfA auch direkt den Antrag stellen,
  • Bescheinigung über die die Vollstreckungsbarerklärung des inländischen Kostenfestsetzungsbeschlusses durch das schweizerische Gericht mit Zustellungsbescheinigung.
Wenn ja, nehmen die dann die daraus (künftig) entstehenden Gerichtskosten (für die Auslandszustellung) auch mit in den KfB ?
(" es wird beantragt, alle weiter gezahlten Gerichtskosten hinzuzusetzen")

Oder muss ich erst die vollstrb. Ausfertigung abwarten und kann dann erst den Antrag stellen?
(Mir ist klar, dass erstmal die Zustellung des KfA erfolgen muss, und erst später der KfB zugestellt wird), mich würde nur interessieren, ob ich das trotzdem im Voraus schon beantragen kann, und ich nicht jedesmal den Titel hin- und her schicken muss.
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