Zwangsvollstreckung aus Versäumnisurteil in Österreich

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Schneemann
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#1

26.04.2010, 13:27

Hallo und guten Tag allerseits,
ich bin neu hier und falle mal gleich mit der Tür in's Haus...

Ich habe ein Versäumnisurteil eines Berliner Gerichts (Zahlungsanspruch), dass in Österreich vollstreckt werden muss. Leider habe ich noch nie mit Zwangsvollstreckung im Ausland zu tun gehabt. Kann mir vielleicht jemand hier verraten, ob und vor allem wie man das allein und ohne einen Anwalt in Österreich über die Bühne bekommt. Welche Formalien sind zu beachten und an wen muss man sich wenden?

Vielen Dank schon mal vorab :thx
cosmicmoon
Kennt alle Akten auswendig
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#2

28.04.2010, 12:31

Ist der Schuldner ein Verbraucher oder eine Firma???

Wenn der Schuldner eine Firma ist kannst Du ziemlich einfach Deinen Titel nach der EuVTVO [Verordnung (EG) Nr. 805/2004] anerkennen und für vollstreckbar erklären lassen. Dazu einfach hier im Forum die Suchfunktion nutzen, da hier schon ziemlich viel dazu geschrieben wurde...

Ist der Schuldner ein Verbraucher musst Du Deinen Titel nach der EuGVVO (Verordnung (EG) Nr. 44/2001) im Exequaturverfahren anerkennen und für vollstreckbar erklären lassen. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich durch den Wohnsitz des Schuldners oder durch den Ort an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll. Das zu-ständige Gericht an das der Antrag auf Vollstreckbarerklärung zu richten ist, ist in Art. 39 EuGVVO geregelt. Eine Auflistung ist in Anhang II der Verordnung zu finden. Die beizufügenden Anlagen sind in Art. 53, 54 EuGVVO angegeben.

Wenn Du alle Formalien erfüllt hast, kannst Du dann in Österreich vollstrecken. Das Zwangsvollstreckungsrecht in Österreich richtet sich nach der Exekutionsordnung EO. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung herrscht kein Anwaltszwang. Es sollte aber ein österreichischer Zustellbevollmächtigter im Rahmen der Execution benannt werden.

Die Antragstellung erfolgt über Formulare, die mit Merkblättern bereitgestellt werden unter:

http://www.bmj.gv.at/buergerservice/formulare.html" target="blank
Schneemann
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#3

28.04.2010, 13:21

Hallo,

also es handelt sich um eine GmbH...
ich werde mir das Vorstehende mal zu Gemüte führen und noch mal fragen, wenn was unklar ist - vielen Dank erstmal :)
warintharpa
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#4

28.05.2010, 15:33

Handelt es sich um eine unbestrittene Geldforderung im Sinne der VO (EG) Nr. 805/2004, hat die Gläubigerpartei die Wahl zwischen der Beantragung eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach der VO (EG) Nr. 44/2001 und der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen, Erwägungsgrund 20 VO (EG) Nr. 805/2004, Art. 27 VO (EG) Nr. 805/2004.
warintharpa
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#5

28.05.2010, 15:46

Möchtest Du als Gläubigerpartei das inländische Versäumnisurteil als Europäischen Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen bestätigt haben, bedarf es insoweit eines entsprechenden Antrags an das Berliner Gericht.

Für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen müssen jedoch u. a. folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

1. fällige Geldforderung;

2. unbestrittene Forderung;

3. Vollstreckbarkeit der Forderung im Inland;

4. Einhaltung der Zuständigkeitsregeln;

5. Einhaltung der verfahrensrechtl. Mindeststandards;

6. da es sich bei dem inl. Versäumnisurteil um eine Säunisentscheidung handelt:
ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks/der Ladung zum Gerichtstermin an Schuldnerpartei oder Vertreter i. S. d. Art. 13, 14 oder 15 VO
(EG) Nr. 805/2004);

7. ordnungsgemäße Unterrichtung der Schuldnerpartei über die Forderung,

8. ordnungsgemäße Unterrichtung der Schuldnerpartei über die
Verfahrensschritte zum Bestreiten der Forderung und über die Rechtsfolgen
des Nichtbestreitens oder Nichterscheinens zum Gerichtstermin.


Sofern und soweit das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht nach Art. 13, 14 oder 15 VO (EG) Nr. 805/2004 zugestellt sein sollte, ist u. U. eine Heilung nach Art. 18 VO (EG) Nr. 805/2004 möglich, sofern und soweit das inl. Versäumnisurteil der Schuldnerpartei nach Art. 13 oder 14 VO (EG) Nr. 805/2004 zugestellt worden ist, die Schuldnerpartei keinen Rechtsbehelf eingelegt hat und das inl. Versäumnisurteil rechtskräftig ist.

Ob letztlich die Voraussetzungen für die Bestätigung des inl. Versäumnisurteils als Europ. Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen vorliegen, entscheidet insoweit das Berliner Gericht.

Da es sich bei der Schuldnerpartei um eine Firma (GmbH) handelt, sind insoweit die verbraucherschützenden Vorschriften der VO (EG) Nr. 805/2004 nicht zu berücksichtigen;
der ausländische Sitz der Schuldnerpartei steht der Bestätigung des inl. Versäumnisurteils als Europ. Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen insoweit nicht entgegen.

2.
Dem österreichischen Vollstreckungsorgan (österreichischer Gerichtsvollzieher bzw. österreichisches Vollstreckungsgericht) sind von der Gläubigerpartei folgende Vollstreckungsunterlagen vorzulegen:

(vollstr.) Ausfertigung des Versäumnisurteils des Berliner Gerichts mit Zustellungsbescheinigung und ggfs. Rechtskraftbescheinigung,
Ausfertigung der Bestätigung des Berliner Gerichts.

Hinsichtlich der grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung
wird auf die Infos über die grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung (Justizportal NRW) Bezug genommen:
https://www.justiz.nrw/BS/rechtimauslan ... /index.php

Weitere Einzelheiten können der entsprechenden Info entnommen werden:
https://www.justiz.nrw/BS/rechtimauslan ... euvtvo.pdf
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warintharpa
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#6

28.05.2010, 16:03

Sofern und soweit das inl. Versäumnisurteil nicht als Europ. Vollstreckungstitel bestätigt werden kann oder Du als Gläubigerpartei lieber das Vollstreckbarerklärungsverfahren in Österreich durchführen möchtest, ist ggfs. folgendes von Dir zu beachten:

Derzeit werden inl. Entscheidungen/inl. Vergleiche, die zuvor nicht als Europ. Vollstreckungstitel über unbestrittene Forderungen bestätigt wurden, noch nicht automatisch in den anderen EU-Mitgliedstaaten anerkannt.
Die Gläubigerpartei muss zunächst ein bes. Zwischenverfahren für die Anerkennung in den anderen EU-Mitgliedstaaten (bekannt als "Exequaturverfahren") beantragen.
Mit anderen Worten:
Die Vollstreckung aus dem inl. Verlsäumnsurteil in Österreich ist erst möglich, nachdem das iösterreichische Gericht erklärt hat, dass die inländische Entscheidung in Österreich vollstreckbar ist.

Die Gläubigerpartei benötigt für die Zwangsvollstreckung in Österreich folgende Unterlagen:
(vollstr.) Ausfertigung des inl. Versäumnisurteils mit Zustellungsvermerk -ggfs. mit Rechtskraftvermerk -,
eine Bescheinigung des inländischen Gerichts unter Verwendung des Formblatts in Anhang V VO (EG) Nr. 44/2001,
die Vollstreckungsbarerklärung des inländischen Versäumnisurteils durch das österreichische Gericht mit Zustellungsbescheinigung.

Sofern und soweit das inl. Versäumnisurteil in abgekürzter Form hergestellt worden ist (§ 313 b ZPO), ist bei dem inländischen Gericht zunächst für die Zwangsvollstreckung in Österreich die Vervollständigung der Entscheidung mit dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen zu beantragen, § 30 I, IV Anerkenungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG).
Desweiteren ist von Dir bei dem inl. Gericht die Erteilung einer Bescheinigung gem. Art. 54 (Anhang V) VO (EG) Nr. 44/2001 zu dem inl. Versäumnisurteil zu beantragen, da diese für das Exequaturverfahren in Österreich benötigt wird.

Weitere Einzelheiten können der entsprechenden Info entnommen werden:
https://www.justiz.nrw/BS/rechtimauslan ... l-I-vo.pdf
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