Mit beA Mitarbeiter zunehmend obsolet?

beA - Das besondere elektronische Anwaltspostfach
Matlock
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#1

03.06.2020, 10:40

Wozu leistet sich eine Kanzlei eigentlich heute noch (teure) Mitarbeiter?

Elektronische Schriftsätze tippt oder diktiert (speech to text) ein Anwalt ohnehin selbst. Wer als Anwalt früher Mahnanträge prüfte und unterschrieb, kann diese heute auch schneller online kurz selbst ausfüllen.

Einfach signiert versenden über das beA kann der Anwalt dann auch nur selbst aus dem eigenen Postfach. (Über Mitarbeiter würde sogar zusätzlich eine qualifizierte Signatur nötig.)

Hat jemand Erkenntnisse, ob sich das schon auf die Mitarbeiter ausgewirkt hat? Was bleibt im Kern noch für die klassische Rechtsanwaltfachgehilfen?
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Sputnik85
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#2

03.06.2020, 11:19

Hallo,

habe von dir noch gar nicht so viel gelesen und finde den Thread ja sogar ziemlich interessant und musste tatsächlich sehr schmunzeln.

Sicher kann ein Anwalt EIGENTLICH auch alles selbst machen, die meisten sind nur zu bequem. Durch diverse Programme wird ja schon viel abgenommen. Bei uns ists aber zum Beispiel so, dass Chefin viel diktiert, wir schreiben das natürlich. Mit Kostenrecht hats auch nicht jeder Anwalt, sodass die Fachkraft sich nen Kopf zerbrechen darf - genau das selbe mit Zwangsvollstreckung. Post, Fristenkontrolle. Es gibt genug, was man der Fachkraft noch übergibt.

Erzähl doch mal, wie das bei dir läuft. Dein Tagesablauf interessiert mich wirklich.
:niveau
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icerose
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#3

03.06.2020, 13:43

Hallo, Matlock,
irgendwie erbost mich der Post sogar ein wenig. Dennoch will ich dir antworten. Erst recht, weil ich heute abend das Büro für 5 oder 6 Wochen verlasse. Mein Chef ist ... naja, so überhaupt nicht begeistert, eventuell mal einen ZV-Auftrag machen oder sich mit dem RVG auseinandersetzen zu müssen. Mein Chef diktiert mir schon ewig nichts mehr - dafür hab ich auch gar keine Zeit. :lol:
Matlock hat geschrieben:
03.06.2020, 10:40
Was bleibt im Kern noch für die klassische Rechtsanwaltfachgehilfen?
Die Zwangsvollstreckung insgesamt
Das Rechnungswesen insgesamt (sei es das Abrechnen nach RVG sowie die Prüfung von Kfa und Kfb oder auch die Buchhaltung)
Die Betreuung des Hinterlandes (wie ich das nenne). Soll heißen Aktenpflege (ob nun Papier oder digital), Bestellungen, dem Anwalt das Telefon vom Hals halten (sonst schafft er am Akte höchstens drei Akten :lolaway ) und noch vieles mehr.

Die Aufzählung ist alles andere als vollständig.
Sputnik85 hat geschrieben:
03.06.2020, 11:19
Erzähl doch mal, wie das bei dir läuft. Dein Tagesablauf interessiert mich wirklich.
Das interessiert mich auch brennend.
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elena94
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#4

03.06.2020, 14:12

Hallo,

ich finde die Formulierung "(teure) Mitarbeiter" auch irgendwie nicht ganz so schön. Klar ist ein Mitarbeiter im Vergleich zu beA "teuer". Aber bei dem, was die meisten ReFas/ReNos verdienen, von teuer zu sprechen, ist halt echt ... hm. :mrgreen: Ich hoffe, damit war nur der Vergleich beA - ReFa gemeint. Wobei ich selbst den Vergleich unglücklich finde.

Uns tangiert beA natürlich nicht wirklich hier im Notariat. Aber ich kann bestätigen, dass seit der Einführung von beA meine Kolleginnen und Kollegen im RA-Bereich nicht weniger zu tun haben. Die Pflege und Bedienung der Postfächer wird hier auch von den Mitarbeitern vorgenommen, eben mit dieser entsprechenden extra-Signatur bzw. wird alles für die RAe entsprechend vorbereitet (so bekomme ich das hier mit). Das alles selbst zu machen, dafür hätten die RAe hier gar keine Zeit. Klar schauen die auch mal selbst in ihr Postfach da rein, aber mehr auch nicht.

Ich schätze als Einzelanwalt ohne allzu viele Mandate, der ganz allein für sich arbeitet, reichen beA und Co. allein, der braucht dann vielleicht wirklich keine Fachkraft. Aber für größere Kanzleien oder sobald einfach auch mehr Arbeit da ist, da denke ich nicht, dass das auf Dauer gut machbar ist.
Liebe Grüße :wink1
Eli
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#5

03.06.2020, 14:21

Ich bin ganz bei Icerose, auch was die Verärgerung angeht.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Mitarbeiter, die nur einfache Schreibarbeiten erledigen, auf Dauer obsolent. Aber mit Sicherheit nicht durch so etwas völlig unausgegorenes wie beA :lolaway

Der Beruf der ReNoFa ist viel viel mehr als einfache Schreibarbeiten zu erledigen. Es handelt sich um einen sehr komplexen Beruf und tatsächlich könnten wir qualifizierten Renos uns ketzerisch fragen, ob der RA nicht zunehmend obsolent wird. Ich für meine Tätigkeit und viele von meinen Berufskolleginnen hier im Forum benötigen den RA in erster Linie zum Unterschreiben.

Der Ansatz "dann kann ich es gleich selbst machen" ist im übrigen der Falsche. Eine qualifizierte Reno sieht sich als rechte Hand ihres Chefs. Alles, was sie kann, braucht der Anwalt nicht machen - unabhängig davon ob er es überhaupt könnte ;) Mit Sicherheit gibt es Anwälte, die sowohl die Muße, als auch die Zeit haben, sich in ZV und Gebührenrecht reinzufuchsen, Buchhaltung, Orga und vielleicht auch noch die Ausbildung zu wuppen und ihren Laden auch ohne Reno am Laufen zu halten. Aber sei doch mal ehrlich: Würdest Du nicht lieber an einer Sache arbeiten, bei der Du Stundenhonorar x abrechnen kannst als einen MB-Antrag oder ZV-Auftrag auszufüllen?
Für die einen ist es die US-Wahl, für den Rest der Welt ist es 9/11
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paralegal6
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#6

03.06.2020, 15:09

Sehe den Zusammenhang zw. beA und den MA nicht. BeA ist einfach nur ein überteuertes Emailprogramm das an sich nix kann. Klar könnte Chef alles selber machen, aber der Tag hat ja nur 8 Stunden. Und auf ZV hat beispielsweise nicht jeder Bock, da ist es doch ganz nett wenn unsereins das macht (ich mache das total gerne). Da verdienste auch nur 25€ meistens dran, das wär aus betriebswirtschaftlicher Sicht echt doof es alleine zu machen. Sehe das vor meine Vorredner. Alleine das Telefongeklingel während man nen Schriftsatz diktiert würde mich tierisch nerven. Aber zum Unterschreiben brauche ich ihn dann halt doch wie der Torhüter sagt ;)
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#7

03.06.2020, 15:16

Für mich liest sich der Ausgangspost wie ein polemischer Zeitungsartikel oder so.

Wir nutzen beA nur wenn wir müssen - wenn da etwas eingeht und ich nicht da bin, dann muss sich erstmal jemand das Handbuch nehmen und schauen, wie man da rankommt. Die Signatur für mich, die "extra kostet", ist ein Softwarezertifkat, welches mir erlaubt, mit einem Login auf alle Anwaltspostfächer zuzugreifen, so dass ein nerviges Rundschreiben der Kammer nun nur wenige Klicks in Anspruch nimmt und nicht wie ohne dieses Softwarezertifkat, mehrere Minuten mit einem Login via Karte für jeden Anwalt. Das kostet übrigens EUR 4,90 im Jahr.

Die Sachen, die über die Spracherkennung geschrieben werden, sind in der Regel voller Fehler - die ich als teure Mitarbeiterin lese und korrigiere.

Vielleicht liegt es daran, dass ich das beA persönlich eher nervig unnötig zeitaufwändig finde - aber ich behaupte mal, dass es nicht befähigt ist, ans Telefon zu gehen, Fristen und Termine zu überwachen und so weiter... von daher: nö, ich glaube nicht, dass beA mich oder irgendwen obsolet macht. :patsch
Matlock
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#8

03.06.2020, 16:18

Oje, nix gegen gut ausgebildete Kanzleikräfte.

Ist nur interessant, wie sich Technologie hier auswirkt. Im 19. Jh. z.B. haben "Kanzlisten" auch noch per Hand Abschriften von Dokumenten gefertigt, so fällt eben vieles nach und nach weg. (Aber wahrscheinlich gleicht das beA so sehr DDR-Technologie, dass es vorerst niemanden ersetzt.)

Aber allgemein sind die Umsätze wohl auch nicht mehr so, dass man sich davon noch viele sozialversicherte Mitarbeiter leisten möchte.

Kfa und ZV habe ich aber schon aus Interesse auch mal selbst gemacht. Es ging recht flott und die Erfahrung mit ZV war insgesamt auch noch die, dass es kaum was bringt, entweder haben Vollstreckungsgegner gar nichts oder eine Summe lässt sich nie voll beitreiben. Am Ende kostet es also nur mehr.
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Lämmchen
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#9

03.06.2020, 16:28

Matlock hat geschrieben:
03.06.2020, 16:18
Aber wahrscheinlich gleicht das beA so sehr DDR-Technologie, dass es vorerst niemanden ersetzt.
Mal ganz im Ernst: Wie lange bist Du zugelassener RA? Du weißt schon, was das beA ist?

Ich finde es erstaunlich, dass Du die Zeit und Muße hast, Dich "mal" mit ZV und einem KFA zu beschäftigen. Ich überlege gerade, wer von meinen fünf Chefs Zeit hat, das mal so nebenbei zu machen. In der Zeit würden nämlich die tatsächlich vernünftig bezahlten Dinge liegen bleiben.

Das beA an sich ersetzt im übrigen niemanden. Sicherlich ersetzen Diktierprogramme die einfachen Schreibkräfte. Die gibt es doch aber auch heute schon kaum noch. Hast Du mal geschaut, was eigentlich zur Ausbildung einer ReFa dazu gehört? Im übrigen sollte es sogar bis nach Hamburg durchgedrungen sein, dass gute Refas eher Goldstaub sind und ich denke, die meisten bzw. viele Anwälte wissen schon, was sie an einem qualifizierten Mitarbeiter haben.
Liebe Grüße

Das Lämmchen Bild
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#10

03.06.2020, 16:42

Matlock hat geschrieben:
03.06.2020, 16:18
Kfa und ZV habe ich aber schon aus Interesse auch mal selbst gemacht. Es ging recht flott und die Erfahrung mit ZV war insgesamt auch noch die, dass es kaum was bringt, entweder haben Vollstreckungsgegner gar nichts oder eine Summe lässt sich nie voll beitreiben. Am Ende kostet es also nur mehr.
Ja, wenn der Anwalt das macht geht es recht flott (und ist meistens falsch) und beitreibbar ist auch nichts, weil RA die notwendigen Hebel und Kniffe nicht kennt. Wenn die ZV eh nichts bringt kann man dem Mandanten doch gleich auch von einer Titulierung abraten. Dann wäre nicht nur die Mitarbeiterin obsolent sondern auch gleich der Rechtsanwalt und der Mandant hätte wenigstens die Kosten gespart.
Lämmchen hat geschrieben:
03.06.2020, 16:28
Ich finde es erstaunlich, dass Du die Zeit und Muße hast, Dich "mal" mit ZV und einem KFA zu beschäftigen. Ich überlege gerade, wer von meinen fünf Chefs Zeit hat, das mal so nebenbei zu machen. In der Zeit würden nämlich die tatsächlich vernünftig bezahlten Dinge liegen bleiben.
Ob das wohl der Grund ist, dass die Umsätze bei Deinen Chefs so sind, dass sie sich qualifizierte Angestellte leisten möchten und können? :vogel
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