Erbschein wird zurückgezogen

Fragen rund um Testamente/Erbscheine usw.
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Ramona A.
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#1

10.03.2018, 12:50

Hallo,
im Jahre 1991 wurde ein Erbschein durch unser Büro beantragt und auch erlassen. Die Erbfolge war einfach. Die Mutter ist verstorben, der Vater galt im Krieg als vermisst und wurde für tot erklärt. Es gab zwei Söhne, auf die auch der gemeinschaftliche Erbschein ausgestellt wurde. Der Erbschein war erforderlich, weil die Mutter Grundbesitz hatte.
Jetzt im März 2018 erklärt das Nachlassgericht, es sei ein Erbvertrag aufgetaucht, der eine andere Erbfolge beinhaltet. Der seinerzeit erteilte Erbschein sein falsch und würde eingezogen. Wir haben die Schreiben an die Erben nur per Kenntnisnahme bekommen, die Erben werden sich wahrscheinlich nächste Woche melden und werden wissen wollen, was zu tun ist. Den Erbvertrag haben wir nicht in Kopie bekommen.
Was mich zunächst irritiert, ist die Kürze der Frist für die Erben. Sie haben eine Woche Zeit zur Stellungnahme. Ist die Stellungnahmefrist tatsächlich so kurz? Wahrscheinlich kann man den Erben ja nur raten, erst mal der Einziehung zu widersprechen, denn es wird doch dann auf eine Auseinandersetzung mit dem gemäß Erbvertrag benannten Erben -wer immer das sein mag- hinauslaufen. Wenn der Grundbesitz verwertet wurde -wovon ich mal ausgehe- dann müssten die Erben den neuen Erben ja in Geld entschädigen.
Hatte jemand schon einmal einen solchen Fall?
Dann noch eine weitere Frage. Wir sind ja ein Anwaltsnotariat und haben seinerzeit den Erbschein beantragt. Dürften wir die Erben jetzt in einem solchen Verfahren als Anwälte vertreten, wenn es auf eine rechtliche Auseinandersetzung hinausläuft?
...
Kennt alle Akten auswendig
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#2

12.03.2018, 15:15

Da der Erbschein öffentlichen Glauben gemäß §2366 BGB genießt, ist die Einziehung des Erbscheines eine eilige Angelegenheit.
Wenn eine VvTw auftaucht aufgrund derer sich die Unrichtigkeit des Erbscheines ergibt, dann sind lange Fristen auch nicht angeraten.

Es erfolgt eine Anhörung aufgrund Art. 103 I GG. Und wenn keine stichhaltigen Gründe gegen die Wirksamkeit des Erbvertrages vorgetragen werden, dann wird er eingezogen.

Der Einziehung zu widersprechen macht nur Sinn, wenn der Erbvertrag für offensichtlich nichtig gehalten wird.

Eine vollständige Prüfung der Wirksamkeit des Erbvertrages dürfte dem Erbscheinsverfahren vorbehalten sein. Das Einziehungsverfahren ist nicht dafür da.

Sofern der Grundbesitz noch im Eigentum der Erben oder eines Miterben steht, wird aus grundbuchrechtlicher Sicht ohnehin ein neuer Erbschein erforderlich sein.
Ramona A.
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#3

12.03.2018, 19:28

Ok. Ich bin davon ausgegangen, dass der Widerspruch gegen die Einziehung dazu dienen kann, Zeit zu gewinnen, um erst einmal die Sachlage zu prüfen. Scheint ja wohl nicht der Fall zu sein. Mal schauen, was sich so ergibt. :thx
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