Sog. Behindertentestament

Fragen rund um Testamente/Erbscheine usw.
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stef
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#1

11.11.2010, 16:30

Hallo,

hier gibt es doch bestimmt Experten für die sog. Behindertentestamente. Ich muss also einen Entwurf für ein Gem. Testament vorbereiten, insgesamt jeweils zwei Kinder aus erster Ehe. Eine Tochter ist behindert, daher soll eine sog. "Behindertenklausel" aufgenommen werden.

Ein Kind soll Vollerbin beider Ehegatten werden. Das behinderte Kind erhält ein Vermächtnis. Weiter soll auch Testamentsvollstreckung angeordnet werden bis zum 25. Lebensjahr, für das behinderte Kind lebenslang ersatzweise? (auch so in den Aufzeichnungen mit Fragezeichen).

Dann wurden für die anderen Kinder die Erbanteile festgelegt und Zuwachs soll erfolgen, wenn die Vollerbin keine Kinder hat.

Das mal im Groben. Mir erscheint das alles nicht wirklich schlüssig und ich denke, dass es nicht ausreicht, irgendeine Klausel aufzunehmen (wie sollte diese aussehen?), sondern dass ich ein sog. Behindertentestament entwerfen muss. Im Internet finde ich kein geeignetes Muster (nur für den Erbvertrag) bzw. wird das wieder auf einer anderen Seite zerlegt.

Kann mir vielleicht jemand helfen, welche Regelungen ich hier im Gem. Testament aufnehmen muss für das behinderte Kind? Oder was muss ich sonst noch beachten?

Schöne Grüße,
Steffi
Jupp03/11

#2

11.11.2010, 18:53

stef hat geschrieben:Hallo,

hier gibt es doch bestimmt Experten für die sog. Behindertentestamente. Ich muss also einen Entwurf für ein Gem. Testament vorbereiten, insgesamt jeweils zwei Kinder aus erster Ehe. Eine Tochter ist behindert, daher soll eine sog. "Behindertenklausel" aufgenommen werden.

Ein Kind soll Vollerbin beider Ehegatten werden. Das behinderte Kind erhält ein Vermächtnis. Weiter soll auch Testamentsvollstreckung angeordnet werden bis zum 25. Lebensjahr, für das behinderte Kind lebenslang ersatzweise? (auch so in den Aufzeichnungen mit Fragezeichen).

Dann wurden für die anderen Kinder die Erbanteile festgelegt und Zuwachs soll erfolgen, wenn die Vollerbin keine Kinder hat.

Das mal im Groben. Mir erscheint das alles nicht wirklich schlüssig und ich denke, dass es nicht ausreicht, irgendeine Klausel aufzunehmen (wie sollte diese aussehen?), sondern dass ich ein sog. Behindertentestament entwerfen muss. Im Internet finde ich kein geeignetes Muster (nur für den Erbvertrag) bzw. wird das wieder auf einer anderen Seite zerlegt.

Kann mir vielleicht jemand helfen, welche Regelungen ich hier im Gem. Testament aufnehmen muss für das behinderte Kind? Oder was muss ich sonst noch beachten?

Schöne Grüße,
Steffi
Dein Chef soll sich was schämen, eine absolute Frechheit, nein Sauerei. Das ist Chefsache und nichts anderes.
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stef
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#3

12.11.2010, 08:53

Ach, Jupp, wie beruhigend. Tatsächlich sind in den handschriftlichen Aufzeichnungen, die auch für mich gedacht sind, sogar zwei Fragezeichen, die ich nicht wüsste, wie ich sie lösen sollte.

Da ich solche Testamentssachen öfters vorliegen habe (bisher zwar noch kein Behindertentestament, aber Vor- und Nacherbschaften etc.), werde ich wohl ein grobes Muster vorbereiten und mit einem entsprechenden Vermerk versehen. Dann muss Chefin mal schauen, was sie daraus macht, die Sache war ihr wohl auch schon mehrere Wochen bekannt. :roll:

Falls noch jemand gute Links zur Vorlage hat, immer her damit.
Katzenfisch
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#4

12.11.2010, 12:58

Solche Testamente sind immer eine heikle Sache:

Ich zitiere mal aus Würzburger Notarhandbuch:

Die Aussetzung eines Vermächtnisses zugunsten des behinderten Abkömmlings wird als brauchbares Gestaltungsmittel angesehen. Diese Vermächtnislösung hat gegenüber der Erblösung v.a. den Vorteil, dass sie die gesamthänderische Bindung des Nachlasses bei der Vor- und Nacherbschaft (und eine notwendige Erbauseinandersetzung unter Beteiligung des Behinderten bzw. dessen Testamentsvollstrecker) vermeidet.

Bei der Vermächtnislösung wird dem Behinderten üblicherweise vermächtnisweiuse ein Bruchteil des Nachlasswertes (sogenanntes Quotenvermächtnis) zugewandt, der zumindest dem Pflichtteil des Behinderten entpricht. Der Wert des Vermächtnisses kann gemäß § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB auf den Pflichtteil angerechnet werden. Hinsichtlich der Verwaltung des Vermächtnisses wird Dauervollstreckung angeordnet und der einzusetzende Testamentsvollstrecker (§ 2223 BGB) im Wege der Verwaltungsanordnung angewiesen, mit den Mitteln des Vermächtnisses des Behinderten Leistungen zu erbringen, die sich auf Schönvermögen i.S. von § 90 Abs. 2 SGB XII beziehen (oder auch sonstige Sozialhilfeleistungen nicht anrechenbar sind). Schließlich wird der beim Tod des Behinderten verbliebene Rest des Vermächtnisses gem. § 2191 BGB einem oder mehreren Nachvermächtnisnehmern zugewendet, um zu vermeiden, dass der Sozialhilfeträger beim Tod des Behinderten gem. § 102 SGB XII aus dem Nachlass des Behinderten, zu dem der Rest des Vermächtnisses gehört, Kostenersatz verlangen kann. Außerdem wird zum Vollzug des Vermächtnisses Testamentsvollstreckung angeordnet.

Es liegt noch keine einschlägige Rechtsprechung vor, die diese Testamentsvariante beurteilt. Zwar dürfte grundsätzlich als anerkannt gelten, dass das Vermächtnis durch die Anordnung der Dauervollstreckung weder einzusetzendes Einkommen noch verwertbares Vermögen des Behinderten darstellt. Umstritten ist allerdings nach wie vor, inwieweit der Erbe des behinderten "Vorvermächtnisnehmers" dem Sozialhilfeträger gegenüber aus § 102 SGB XII auf Kostenersatz haftet.

Um die gerichtlich noch nicht geklärte Problematik zu umgehen schlägt Grziwotz als Gestaltungsvarianten die Anordnung einer gegenständlich beschränkten Vor- und Nacherbschaft mit Dauer-Testamentsvollstrteckung und Vermächtnisses zugunsnte der nicht behinderten Abkömmlinge vor (sogenannte umgekehrte Vermächtnislösung). Dabei wird die Nacherbfolge letztlich gegenständlich beschränkt auf die dem Behinderten zugedachten Sparguthaben, indem die nicht behinderten Abkömmlinge und Nachwerden vermächtnisweise sämtliche beim Todefall vorhandenen Gegenstände - mit Ausnahme eines näher bezeichneten Sparguthabens - erhalten. Dies hat allerdings nach Nachteil, dass die Erbschaft dem behinderten Abkömmling zufällt und von dort bzgl. der angeordneten Vermächtnisse - ggf. unter Anfall erheblicher Erfüllungskosten - erst wieder an die nicht behinderten Abkömmlinge weiterübertragen werden muss.

Das behinderte Kind sollte bei einem Ehegattentestament oder einem Ehegattenerbvertrag bereits auf den ersten Erbfall zum beschränkten Miterben oder Vermächtnisnehmer eingesetzt werden. Dies gilt nicht, sofern voraussichtlich erst mit dem Tod des Letztversterbenden nachrangige Sozialhilfeleistungen bezogen werden. Außerdem sollte Erbeinsetzung oder Vermächtniszuwendung unterhalb der Pflichtteilsquote auf jeden Fall vermieden werden.

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Muster dürften zu der Problematik kaum zu finden sein wegen der möglichen Regreßgefahr für den Autoren des Musters.
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stef
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#5

19.11.2010, 09:50

:thx Katzenfisch!
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