Ausfertigungen bei Angebot und Annahme

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-Leni-
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#1

14.07.2021, 15:20

Hallo zusammen,
im Moment steht ich fast täglich auf dem Schlauch.... Vielleicht kann mir jemand helfen, der tagtäglich mit Bauträgerverträgen bzw. WEG-Kaufverträgen arbeitet, die durch Angebot und Annahme zustande kommen.
Es ist das erste Mal, dass wir das Vollzugsnotariat sind und das Angebot woanders (beim Käufer vor Ort) beurkundet wurde.

Der Käufernotar hat dem Käufer vom Angebot eine Ausfertigung und eine beglaubigte Abschrift erteilt. Der Verkäufer hat ebenfalls eine Ausfertigung erhalten.

Meine Frage: Ich kann doch von der Annahme, die die Auflassung enthält, dem Käufer keine (vollständige) Ausfertigung erteilen, sondern wenn dann nur eine auszugsweise ohne Auflassung, oder?

Hintergrund, weshalb ich so blöd frage ist, dass wir bei "normalen" Kaufverträgen, die unter gleichzeitiger Anwesenheit beider Beteiligter geschlossen werden, regelmäßig den Beteiligten nur einfache Abschriften erteilen.

Vielen Dank und frohes Schaffen :wink1
-Leni-

„Was die Franzosen Contenance nennen, Haltung und Harmonie im äußern Betragen, Gleichmütigkeit, Vermeidung alles Ungestüms, aller leidenschaftlichen Ausbrüche und Übereilungen, dessen sollte sich vorzüglich ein Mensch von lebhaftem Temperamente befleißigen.“

Adolph Freiherr Knigge: Über den Umgang mit Menschen, Fünfte Auflage, 1808[3]
Martin Filzek
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#2

15.07.2021, 12:29

Es wird wohl darauf ankommen, was genau zu dieser Frage (Erteilung vollständiger Ausfertigungen mit Auflassung oder zunächst ohne) in den Urkunden vorgesehen ist bzw. auf welche Art der Notar seine Überwachungsaufgabe ausführen will, den Verkäufer vor einem Eigentumsverlust ohne Sicherstellung der Gegenleistung (Kaufpreis) zu sichern. Neben dem früher vorherrschenden Modell der auszugsweisen Ausfertigung - verbunden mit dem Verzicht auf eigenes Antragsrecht und Bevollmächtigung nur des Notars zur Antragstellung nach vorheriger Kaufperiszahlungsprüfung usw. - gibt es da ja seit einigen Jahren die sogen. Bewilligungslösung, wonach die Auflassung zwar erklärt und ausgefertigt wird, aber die Bewilligung dem Notar vorbehalten bleibt, die in späterer Eigenurkunde des Notars dann erst erfolgt, usw. (siehe neuere Auflagen von Notarhandbüchern zu dieser Frage). Auch eine gesonderte spätere Beurkundung der Auflassung wäre laut kürzlicher BGH-Entscheidung in der Regel auch keine unrichtige Sachbehandlung, obwohl die Praxis davon in den letzten Jahrzehnen ja abgeommen ist und es nur in Ausnahmefällen wie Teilflächenverkäufen (mit späterer Identitätserklärung) praktiziert ...
Auch wenn in den Urkunden nichts wortwörtlich zur Frage der nur auszugsweisen Ausfertigung bis Kaufpreiszahlung usw. geregelt sein sollte, dürfte sich aus den allgemeinen Formulierungen zu Überwachungsaufträgen des Notars (Fälligkeitsmitteilung, danach Kaufpreiszahlungsprüfung, danach dann erst Antrag auf Umschreibung und Löschung Vormerkung) ergeben, dass eine auszugsweise Ausfertigung zur Vermeidung von Schäden wohl angebracht sein könnte.
Wahrscheinlich wird da auch niemand etwas gegen haben, so dass ich raten würde, im Zweifel halt eine auszugsweise Ausfertigung ohne Auflassung zu erteilen (gleichsfralls bei beglaubigten Abschriften, die manchen Grundbuchämtern auch als Nachweis anstelle der Ausfertigung ausreichen) und höchstens einfache Abschriften als vollständige Ausfertigung, solange der Kaufpreis nicht gezahlt ist.

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#3

16.07.2021, 18:09

Vielen Dank für deine Antwort!

In der Urkunde steht dazu nichts, da ich sie selbst entworfen habe und nicht daran gedacht hatte, dass man die Bewilligung auch von der Auflassung trennen kann.

Ich bin also jetzt dazu übergegangen, den Käufern eine auszugsweise Ausfertigung -ohne Auflassung- zu erteilen. In den zukünftigen Annahmen werde ich das mit der Auflassung so vorsehen, wie du geschrieben hast, also ohne Bewilligung mit dem Auftrag an den Notar, diese später zu erklären. Das erscheint mir die eleganteste Lösung.
-Leni-

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