Unterverbriefung / Rückabwicklung Kaufvertrag / Widerspruch

Rund um Grunstücks-/Wohnungseigentum/Erbbaurecht
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Pitt
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#1

05.03.2020, 12:07

Ich habe hier einen Fall, wo der Verkäufer kurz nach Abschluss des Grundstückskaufvertrages verstorben ist. Der Alleinerbe hat dann bei Durchsicht der Vertrags- und Kontounterlagen festgestellt, dass neben dem beurkundeten Kaufpreis ein weiterer hoher fünfstelliger Betrag direkt nach der Beurkundung vom Käufer an den Verkäufer geflossen ist. Daneben gibt es weitere Indizien, die für eine Unterverbriefung sprechen. Es gibt zwar eine Auflassungsvormerkung, aber noch keine Eigentumsumschreibung. Der Erbe möchte die verkaufte Immobilie zurück und den Kaufpreis vollständig zurückzahlen. Käufer wurde bereits kontaktiert, hat sich aber bislang hierzu nicht gemeldet. Ich gehe davon aus, dass ich hier den "normalen" Weg (EV/Klage gem. § 812 BGB und Widerspruch beim GBA gem. § 899 BGB) gehen muss, falls Erbe und Käufer sich nicht außergerichtlich auf die Konditionen der Rückabwicklung einigen können. Kann mir jemand zu dem Thema evtl. noch einen Literaturhinweis o. ä. geben, wo ich noch weitere Infos zu dem Thema finde? Bin mir unsicher, ob ich hier noch weitere Dinge beachten muss, weil hier ein Erbe und nicht der Urkundsbeteiligte selbst die Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages begehrt.
elena94
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#2

05.03.2020, 15:27

Kann der Erbe denn überhaupt die Rückabwicklung verlangen - also in dem Fall, dass der Käufer eine Rückabwicklung des Kaufvertrags verweigert und auf den Vollzug besteht?
Ich hatte bereits zwei Mal den Fall, dass bei Übertragungsverträgen der Übergeber noch vor Umschreibung verstorben ist. Dazu hatte ich mal was recherchiert und gelesen, dass die bereits erklärte Auflassung des verstorbenen Veräußerers von dessen Erben nicht widerrufen werden kann, da sie auch diesen ggü. bindend (§ 873 Abs. 2 BGB) ist.
Ist das in deinem Fall hier anders, da der beurkundete Kaufvertrag wohl sowieso nichtig ist aufgrund der Unterverbriefung? Leider kann ich nicht weiterhelfen, finde den Fall aber sehr interessant!
Liebe Grüße :wink1
Eli
Pitt
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#3

05.03.2020, 16:25

Meine Recherchen hierzu haben ergeben, dass der aufgrund Unterverbriefung vorliegende Mangel der Formnichtigkeit des Kaufvertrages nicht gem. § 311b Abs. 1. S. 2 BGB geheilt werden kann, wenn bislang nur die Auflassungsvormerkung eingetragen worden ist, da die Heilung immer nur ex nunc wirkt und die Auflassungsvormerkung als akzessorisches Sicherungsmittel in ihrem Bestand vom Bestehen des Auflassungsanspruches abhängig ist. Ich bin bislang davon ausgegangen, dass der Erbe gem. § 812 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 812 Abs. 2 und 3 BGB gegen den Käufer einen Anspruch auf Bewilligung der Löschung der zu seinen Gunsten eingetragenen Auflassungsvormerkung, Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises hat. Das mit § 873 Abs. 2 BGB ist ein guter Einwand, allerdings würde das im vorliegenden Fall faktisch bedeuten, dass der Erbe wissentlich an der Abwicklung einer Schwarzbeurkundung/Steuerhinterziehung mitwirkt. Die Entscheidungen des BGH v. 01.08.2013, VII ZR 6/13 und des OLG Hamm v. 25.06.2015, Az. 22 U 166/14, konnte ich hier auf meinen Fall zwar nicht zu 100% übertragen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass hier eine Eigentumsumschreibung gegen den Willen des Erben möglich sein soll und dieser quasi kraft Gesetzes an der Mitwirkung zu einer Steuerhinterziehung gezwungen wird.
Pitt
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#4

05.03.2020, 16:38

Noch ein Zusatz:
Nach einer Entscheidung des LG Kiel vom 14. Juni 2014 - 12 O 132/13 - ist die in dem notariell beurkundeten Kaufvertrag erklärte Auflassung, die allein nicht zu einer Heilung des Formverstoßes führen kann, nichtig, da gemäß §§ 125, 139 BGB der gesamte Vertrag nichtig ist. Wenn die Auflassung nichtig ist, dann bräuchte sich der Erbe doch an eine solche gem. § 873 Abs. 2 BGB nicht halten? Die Auflassungsvormerkung heilt den Formmangel auch nicht. Ich würde daher aktuell davon ausgehen, dass der Erbe einen Anspruch auf Löschung der Auflassungsvormerkung Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises hat. Bin aber weiterhin für jeden Tipp dankbar.
elena94
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#5

05.03.2020, 18:05

Klingt definitiv logisch!
Durch die Kontoauszüge (und weitere Indizien?) habt ihr ja auch schon Beweise vorliegen, die einer Klage beigefügt werden könnten. Einziger Einwand des Käufers, den ich mir noch vorstellen könnte: Der Verkäufer/Erblasser hat den Schwarzkauf zu Lebzeiten so gewollt (Geld ist bereits geflossen), erklärte Auflassung ist bindend, etc. pp. Aber dann müsste ja eigentlich das greifen, was Du beschrieben hast - dass der Erbe gegen seinen Willen in gewisser Weise an einer Steuerhinterziehung mitwirken würde. Das kann ja so eigentlich nicht richtig sein.
Liebe Grüße :wink1
Eli
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#6

05.03.2020, 18:15

elena94 hat geschrieben:
05.03.2020, 18:05
[...] Der Verkäufer/Erblasser hat den Schwarzkauf zu Lebzeiten so gewollt (Geld ist bereits geflossen), erklärte Auflassung ist bindend, etc. pp. [...]
Selbst wenn das so gewollt war, ist es trotzdem nicht legal. Was soll das also ändern? :kopfkratz
Pitt
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#7

06.03.2020, 07:41

Es gibt weitere Indizien: abweichende Kaufpreisangabe im Maklervertrag und im 1. Kaufvertragsentwurf, Differenzbetrag Entwurf / beurkundeter Kaufvertrag - 60.000,00 € - wurden 2 Tage nach der Beurkundung per Scheck auf das Konto des Verkäufers eingezahlt. Nach Auskunft des Notars sollte zunächst noch Inventar für 60.000,00 € übernommen werden, was dann aber doch nicht mehr passieren sollte. Der beurkundete Kaufpreis wurde per Überweisung geleistet.
Zudem besitzt der Erbe einen Grundschuldbrief, dem ihm die verstorbene Ehefrau des Verkäufers zu Lebzeiten übergeben hatte. Der Verkäufer wusste zum Zeitpunkt der Beurkundung nichts über den Verbleib des Grundschuldbriefes, vereinbart wurde die lastenfreie Übertragung. Der Erbe hat erst nach dem Tod des Verkäufers von dem Grundstückskaufvertrag Kenntnis erlangt. Er müsste also zur Abwicklung des Kaufvertrages tatsächlich aktiv Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten, wenn er jetzt den Grundschuldbrief aushändigen würde, um die Schwarzbeurkundung durch Eintragung des Käufers als neuen Eigentümer zu heilen. Zwischenzeitlich hat der Erbe das zuständige Finanzamt über den Vorgang informiert. Ich warte dann jetzt mal ab, was die Käuferseite sagt.
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