Zwei Übertragungen in einer Urkunde - getrennte Rechnungen?

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sabrinchen227
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#1

16.08.2023, 10:02

Guten Morgen!

Es wurde ein Übertragungsvertrag mit folgendem Inhalt beurkundet:

Vertragsbeteiligte sind die Mutter und drei Söhne. Die Mutter besitzt zwei Eigentumswohnungen im Wert von je 120.000,00 €.
- Wohnung 1 wird auf Sohn A übertragen
- Wohnung 2 wird auf Sohn B übertragen
- Sohn A räumt der Mutter für "seine" Wohnung ein Wohnrecht ein (Jahreswert: 7.200,00 €)
- beide räumen der Mutter ein Rückforderungsrecht ein
- beide verzichten jeweils auf Ihren Pflichtteilsanspruch bzgl. der Wohnungen
- Sohn C verzichtet auf seinen Pflichtteilsanspruch bzgl. der Wohnungen und erhält im Gegenzug jeweils eine Ausgleichszahlung (40.000,00 € von Sohn A und 30.000,00 € von Sohn B)
- Sohn A und Sohn B räumen sich gegenseitig ein Vorkaufsrecht ein und im Rang danach jeweils dem Bruder, Sohn C
- Kosten des Vertrages tragen die Söhne zu je 1/3

Die Gegenleistungen sind dem Verkehrswert gegenüberzustellen - das bekomme ich, denke ich, irgendwie hin... Da ich jedoch für jede Wohnung verschiedene Gegenleistungen habe, stell ich mir jetzt die Frage, ob ich eine Rechnung mache, sprich Geschäftswert 240.000,00 € gegenüber gesamte Gegenleistungen beider Söhne, oder zwei getrennte Rechnungen - für jeden Vertragsgegenstand separat? :kopfkratz

Ich bin für jede Hilfe dankbar.

Viele Grüße
Feldhamster
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#2

16.08.2023, 18:25

Du hast nur eine Urkunde, also auch nur eine Rechnung.

Die beiden Übertragungen sind zusammen 240.000 €, hinzu kommen die Zahlungen an C für den Pflichtteilverzicht (Verzicht zwischen Mutter und C). Somit Leistungen insgesamt 310.000 €. Dem dann die Gegenleistungen aller drei Söhne gegenüberstellen.
Martin Filzek
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#3

17.08.2023, 15:25

Zu berücksichtigen ist aber wohl auch, dass zwar die Leistungen an Bruder C einerseits im Austauschverhältnis § 97 Abs. 3 stehende Gegenleistungen zu den Übertragungen sind, aber der Pflichtteilsverzicht des weichenden Erben C gegenüber Mutter als nicht im Austauschverhältnis stehende Erklärung angesehen wird und nur aus diesem Grund über §§ 35, 86 den Gesamtwert der Beurkundung erhöht. Deshalb ist es nicht ganz korrekt, zu sagen, dem "Gesamtwert" von 240.000 Euro und 70.000 Euro (Wert Pflichtteilsverzicht C gegenüber M) seien die Leistungen der Bruder A und B gegenüberzustellen, vielmehr sind nur dem Übertragungsgegenstand, den M hergibt (Grundstückswert § 46 240.000 €) die Leistungen der jeweiligen Brüder A und B gegenüberzustellen. Wobei das einzeln geschehen muss gegenüber jeweils 120.000 Euro Grundstückswert, was hier bei Bruder A (Gegenleistungen 40.000 € Hinauszahlungsbetrag, nach Lebensalter § 52 zu bewertende Wohnrechtbestellung für M, deren Rückforderungsrecht - nach § 51 Abs. 3 wohl zu bewerten mit 25 - 30 % Verkehrswert, sowie Vorkaufsrecht für B evtl. bis 50 % Verkehrswert und nachrangiges Vorkaufsrecht für C - nach der Wahrscheinlichkeit und Bedingtheit nach § 51 Abs. 3 geringer zu bewerten mit vielleicht 20 - 25 % Verkehrswert) zu einem höheren Betrag als 120.000 Euro führen dürften, während es bei dem zweiten Wertvergleich für Bruder B wohl dabei bleibt, dass 120.000 Euro Übertraggeber-Leistung den höheren Wert nach § 97 Abs. 3 bilden).

M;. E. daher Wertesumme gem. §§ 35, 86:
Übertragung M an A wie oben geschrieben etwas mehr als 120.000 Euro, bei 10fachem Multiplikator § 52 z. B. 72.000 + 30 + 50 + 20 % Rückütr.- und Vorkaufsrechte wie oben beschrieben = insgesamt 100 % Verkehrswert = 120.000 €) = insgesamt
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Martin Filzek
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#4

17.08.2023, 15:46

Das "Zeitfenster" für die nachträglichen Änderungen ist wohl während ich fleißig weiter geschrieben habe leider abgelaufen. Daher hier die Fortsetzung zu obigem "ersten Teil" der Beantwortung:

für Übertragung M an A insgesamt dann also die oben zuletzt genannten Beträge addiert = 40.000 Hinauszahlung + 72.000 € (wenn 10facher Jahreswet § 52 richtig) + für Rückübertragungsrecht M 30 % sowie 50 % Vkr. B + 20 % Vkr. C = insgsamt 100 % Vkw. = 120.000 E = insgesamt 232.000 €

für Übertragung M an B bleibt es - wenn man 30.000 € Hinauszahlung und 30 % Rückübertr.-recht M sowie Vkr. A 50 % und 20 % C zusammenzählt) bei 150.000 € höhere Gegenleistung 97 Abs. 3 insoweit

gegenstandsverschiedener Pflichteilsverzicht C gegenüber A Wert § 102 70.000 €

= Gesamtwert §§ 35, 86 (232.000 + 150.000 + 70.000) = 422.000 €

Vgl. auch Notarkasse München, Streifzug 13. Aufl. 2021, Rn. 3033 zu gegens. Vorkaufsrechten und Wudy notar 2023, 225 ff., 242

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#5

17.08.2023, 15:52

In #3 viertletzte Zeile hätte es nach der genaueren Berechnung dann heißen müssen "etwas mehr nur als 120.000 € Grundstückswert" nämlich ca. 150.000 € bei den in #4 vorgeschlagenen Wertansätzen.
In beiden Fällen liegen die Gegenleistungen also etwas bzw. bei Fall M an A sogar erheblich höher als die Grundstückswerte, was in der Regel vermieden wird durch Anwendung von § 51 Abs. 3 und niedrigere Wertansätze bei Rückübertragungsrechten (vgl. Wudy notar 2023 S. 242 Praxistipp Seitenende), was hier jedoch durch die verschiedenen Gegenleistungen wie Wohnungsrecht (der genaue Wert und Multiplikator muss noch anhand Lebensalter M überprüft bzw. geändert werden) jedoch vertretbar sein dürfte.
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#6

17.08.2023, 19:14

Rechenfehlerberichtigung zu #4 drittletzte Zeile: das Gesamtergebnis wäre dann nicht 422.000 €, sondern 452.000 € als Wert (wobei die Prozentsätze für die verschiedenen Rückübertragungs- und Vorkaufs- und bedingten Vorkaufsrechte Ermessenssache sind und ggf. auch niedriger nach § 51 III GNotKG bzw. geringfügig höher bewertet werden könnten, bei bloßer Rückübertragungsvormerkung zur sicherung nur eines Verkaufs- und Belastungsverbots z. B. sogar nur 10 % nach § 50 Nr. 1 als hierzu gleiche Sicherungs- und Durchführungserklärung i.S.v. § 109 Abs. 1 GNotKG - meist wird jedoch auch für andere Fälle wie z. B. Insolvenz Übertragsnehmer Rückübertr.-vormerkung vereinbart, dann keine Beschränkung auf diese 10 %).
Und wie schon geschrieben ist für M vorausgesetzt, dass sie über 50 bis max. 70 Jahre alt ist. Sollte sie über 70 Jahre alt sein (im Beurkundungszeitpunkt) wäre der Wert ihres Wohnrechts als Gegenleistung nur der 5-fache Jahreswert, also nur 36.000 Euro, und die andere Hälfte der 72.000 € (36.000 €) wäre dann beim Gesamtwert abzuziehen natürlich.

Alles in eine Rechnung schreiben, die "dreifach" an die drei Brüder A - C zu schicken ist, bei der jedem am Ende sein Kostenanteil von 1/3 des Gesamtergebnisses ausgewiesen wird, ggf. vorsorglich mit dem Hinweis auf für den Fall der Nichtzahlung der anderen Kostenschuldner fortbestehende gesamtschuldnerische Haftung nach §§ 29 ff. GNotKG.
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#7

29.08.2023, 11:24

Vielen Dank für die ausführlichen Antworten :daumen
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