Punktuelle Änderung eines Vertrages sowie Wiederholung Auflassung aufgrund Insolvenz Veräußerer

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Keilweibchen
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#1

27.06.2023, 14:29

Hallihallo,

ich bin neu hier, aber schon seit Jahren dankbare Leserin Eurer vielen hilfreichen Threads. Jetzt habe ich selbst mal Abrechnungsproblem, zu dem ich nach intensiver Suche in den gängigen Kommentaren, Internet und auch hier in der SuFu nichts finden konnte. Vielleicht hilft mir hier ein Brainstorming mit Euch weiter. Bitte entschuldigt und leitet mich weiter, wenn ich hier doch einen passenden Thread übersehen habe.

Sachverhalt ist:
Ein Bauträger hat Wohnungen veräußert. Diese sind noch nicht ganz fertig gestellt. Bauträger ist insolvent und kann nicht fertigstellen. Käufer wollen aber selbst fertigstellen und verlangen wegen Unvermögen des Veräußerers Umschreibung des Eigentums gem. bisherigem Bautenstand und bisher geleisteter Zahlungen - diese Möglichkeit ist im Vertrag auch so vereinbart. Weitere Kaufpreisratenzahlungen an Bauträger erfolgen also auch nicht mehr. Die dem Notar erteilte Vollmacht im Vertrag zur Bewilligung der Auflassung ist mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen. Der Insolvenzverwalter hat das Veräußerungsobjekt Objekt zwar aus der Insolvenzmasse freigegeben, die Vollmacht zur Bewilligung der Auflassung lebt nach unseren Informationen dadurch aber nicht automatisch wieder auf, so dass die Auflassung jetzt im Rahmen eines Nachtrages erneut erklärt werden muss. Soweit so gut... Die Nachtragsurkunde enthält aber auch eine weitere Vereinbarung darüber, dass die Besitzübergabe jetzt am Tag der Nachtragsbeurkundung erfolgt, also damit eigentlich eine weitere, punktuelle Änderung des Bauträgervertrages. Im Übrigen bleibt es allerdings bei den Regelungen der Vorurkunde.

Für die Wiederholung der Auflassung entsteht m.E. eine 0,5-Gebühr nach KV 21101 aus dem Wert der Summe der bis jetzt geleisteten Abschlagszahlungen gem. Bautenstand. (Wir haben damals auch den Bauträgervertrag beurkundet)
Und jetzt kommt der Punkt an dem ich nun extrem schleudere: Nach meinen bisherigen Recherchen und Überlegungen wäre ich eigentlich gehalten, die Änderung der Regelung über die Besitzübergabe als gegenstandsverschieden zur Auflassung anzusehen und auch zu bewerten. In diesem Fall wäre hier dann wohl eine 2,0-Gebühr nach KV 21100 zu berechnen. Bei dem Gegenstandswert bin ich allerdings ebenso unsicher: Hier denke ich an einen Teilwert von 20 % des vorgenannten Wertes für die Wiederholung der Auflassung. Selbstverständlich würde ich dann auch Prüfung nach § 94 vornehmen.

Falls Ihr hier doch eine Gegenstandsgleichheit gem. § 109 GNotKG seht, würde ich mich hier über eine kurze Erläuterung freuen.

Vielen Dank vorab.

Elli
Martin Filzek
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#2

28.06.2023, 15:58

Interessanter Fragebeitrag zu einem wenig alltäglichen Fall, zu dem ich mir mangels genauer Kenntnis der Einzelumstände und wenig Erfahrung mit solchen Spezialsituationen in Bauträgersachen kein absolut sicheres Urteil zutraue, aber doch - da noch sonst niemand geantwortet hat seit Einstellung - eine ungefähre vorläufige Meinung bzw. Anmerkung, die ich hiermit weiter gebe:

Im drittlezten Absatz heißt es unten: "Nach meinen bisherigen Recherchen und Überlegungen wäre ich eigentlich gehalten, die Änderung der Regelung über die Besitzübergabe als gegenstandsverschieden zur Auflassung anzusehen und auch zu bewerten."
Hier würde mich mal interessieren, welche Recherchen und Überlegugnen genau das waren - um so leichter könnte man sich dann mit den Argumenten für Gegenstandsverschiedenheit oder -Gleichheit auseinandersetzen und andere Fundstellen hierzu ggf. benennen.
Aber das "Grundproblem" ist ja auch, dass die Frage, was gegenstandsgleich oder- verschieden ist, im Gesetz §§ 109 - 111 sowie §§ 35, 86 GNotKG nicht haarklein genau für alle Fälle, zumal obigen komplizierten Sachverhalt, geregelt ist.
Ich vermute mal, dass eine der bisherigen "Recherchen" und Überlegungen zur Frage gleicher Gegenstand odoer verschiedener Gegenstand für Auflassung bzw. Wiederholung der Auflassung und Änderung Übergabezeitpunkt Diehn, Notarkostenberechnungen, 8. Aufl. 2022 (bzw. frühere a.a.O..) Rn. 368 ff., 372 war (Änderungsurkunde mit Auflassung im Fall Messungsanerkennung, Identitätserklärung mit Abweichung nach unten).

Das würde ich auf obigen Sachverhalt nicht unbedingt für übertragbar halten. Ausgehend vom Gesetzeswortlaut § 109 Abs. 1 ist ja unzweifelhaft, dass "im Normalfall" die Auflassung zum in derselben Urkunde beurkundeten schuldrechtlichen Immobilienüberragungsvertrag stets gegenstandsgleiche Durchführungs- und Sicherungserklärung ist. Weshalb sollte das hier nicht für die nachträglic notwendig gewordene Änderung des Vertrags verbunden mit einer Wiederholung der Auflassung gelten?
Zum Geschäftswert der beiden Erklärungen - ohne 100%ig sicher zu sein und mangels Zeit im Moment ohne länger durchgeführte Suchen in Literatur, die ich nur bei entgeltlicher Tätigkeit im Rahmen des angebotenen Notarkosten-Dienstes durchführen könnte - könnte ich mir als vertretbare Lösung vorstellen, den Wert beider Erklärungen gleich hoch zu schätzen mit ca. 10 - 30 % (vgl. etwa Wertangaben zu nachträglicher Namensberichtigung nach Umwandlung durch Formwechsel in Notarkasse München, Streifzug durch das GNotKG, 13. Aufl. 2021, Rn. 386 - ich finde, das ist dem Fall hier, wo "nur" ein Insovlvenzverwalter an die Stelle des Bauträgers tritt ähnlich, zumal auch Dritte im Wortlaut § 109 Abs. 1 als Gegenstandsgleichheit nicht ausschließende Erkärungen genannt sind), so dass m. E. sowohl die Änderung ddes Übergabezeitpunkts als auch die nachträgliche Wiederholung der Auflassung gem. §§ 97, 36 Abs. 1 mit ca. 10 - 20 % des Wertes der ursprünglichen Kaufvertrräge bemessen werden könnten - eine Addition von 2 x diesem Wert entfällt dann wegen Annahme von Gegenstandsgleichheit § 109 Abs. 1 beider Erklärungen, und der höhere Gebührensatz von 2,0 für die Änderung der Vertragsbedingungen beim Übergabezeitpunkt setzt sich dann nach § 94 Abs. 2 durch.

Insgesamt wäre die Frage hier und auch weitere Fragen zur Gegenstandsgleichheit oder -verschiedenheit (siehe z. B. den bei Rechtsprechung Notariat Kostenrecht zuletzt eingestellten Beitrag zur letzten BGH-Entscheidung Az. III Z B9/22 vo 26. Jan. 2023 - leicht auf Internetseite BGH zu finden unter Entscheidungen) nähere kritische Untersuchungen mittels Fachaufsatz wert, zu denen mir momentan nur die Zeit fehlt.

Unterstützung bei schwierigen notarkostenrechtlichen Fällen - auch Bearbeitung von rückständigen Kostenberechnungen oder Unterstützung bei Notarkostenprüfungsverfahren - siehe www.filzek.de unter Notarkosten-Dienst (entgeltlich). :wink2
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Keilweibchen
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#3

30.06.2023, 17:11

Vielen herzlichen Dank, Herr Filzek, dass sie sich meiner angenommen haben und für Ihre sehr gut nachvollziehbaren Ausführungen, wenngleich Sie selbst eingeräumt haben, sich kein absolut sicheres Urteil zuzutauen.
Da ich ohnehin schon die Befürchtung hatte, mich bei meinen Recherchen in eine bestimmte Richtung "verrannt" zu haben, hatte ich dann doch lieber Möglichkeit des Austauschs und der Hilfe in diesem Forum nutzen wollen.

Und Sie haben richtig vermutet, dass ich u.a. die von Ihnen zitierte Stelle in Diehn Notarkostenberechnungen in meine Überlegungen einbezogen hatte, obwohl sich diese in der Tat auf einen anderen Sachverhalt bezieht. Im Übrigen hatte ich auch den Streifzug durch das GNotKG, dort das Kapitel Änderungen und Ergänzungen sowie die Kommentare zum GNotKG von Diehn und Korinthenberg herangezogen.

Da ist zunächst die vorgezogene Besitzübergabe ohne vollständige Fertigstellung, die aber auch quasi mit einer Kaufpreisreduzierung einhergeht, weil einige Zahlungen nach Bautenstand nicht mehr fällig werden.
Dann ist da die Wiederholung der Auflassung, da durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Vollmacht des Notars zur Bewilligung der Auflassung erloschen war und auch nach Freigabe nicht wieder "auflebt".
Ich hatte also zunächst jede Erklärung von einem anderen Standpunkt betrachtet und wohl deshalb jede für sich als so wesentlich angesehen, dass ich sie in diesem Fall als gegenstandsverschieden eingeschätzt habe. Sowas nennt man wohl "Betriebsblind".

Sie haben aber natürlich zu Recht erklärt, dass jede der beiden Erklärungen ja auch Sicherung und Durchführung des Grundgeschäfts, also des Bauträgervertrages dient, was ja für die Gegenstandsgleichheit spricht. Danke, dass Sie mich da vermutlich vor einem fiesen Holzweg bewahrt haben. Zumal, wenn ich es mir jetzt recht überlege, die Auflassung nicht wirklich wiederholt, sondern von den Vertragsparteien jetzt lediglich um die Bewilligung (und den Antrag) ergänzt wird.

Ich würde mich danach jetzt gerne Ihrer Auffassung anschließen und für die Nachtragsurkunde die 2,0-Gebühr aus einem anteiligen Geschäftswert von 10-20 % des Wertes des Bauträgervertrages gem. §§ 97, 36 Abs. 1.

Also nochmals :thx
Martin Filzek
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#4

02.07.2023, 16:41

Keine Ursache und vielen Dank für die freundlichen Worte.
Es ist ja so, dass die Frage in einem "Bereich" spielt, der keine Alltagsfrage ist und die Zuordnung zu den gesetzlichen Grundregelungen §§ 109 ff., 35, 86 GNotKG deshalb nicht einfach ist und wie häufig mehrere Ansichten in Detailfragen vertretbar sein könnten. Deshalb ist es meiner Meinung nach unnötig "demütig" und zu bescheiden, im vorletzten und drittletzten Absatz mir zu sehr für die groben Einschätzungen zu danken und zu den eigenen fundierten Überegungen von "Holzweg" usw. zu sprechen.

Neu ist mir noch an den Angaben zum Sachverhalt aufgefallen, dass auch eine Reduzierung des Kaufpreises mit den Änderungen verbunden war. Das wäre ja eine leicht im Geldwert des Unterschiedsbetrags der Reduzierung im Geschäftswert allein dafür einzuordnende Änderung mit diesem Betrag, und zusätzlich dann die Änderungen bei Übergabezeitpunkt sowie die Wiederholung Auflassung bzw. Ergänzung um Grundbuchanträge hierzu, sollten insgesamt betrachtet (mehrere Änderungen sind natürlich "unter sich betrachtet" auch wieder verschiedene Dinge, die zusammengerechnet werden müssten) zu einem Wert von ca. 20 - 25 % des Wertes der ursprünglichen Verträge führen müssten (sofern nicht allein der Unterschiedsbetrag der Kaufpreisreduzierung mehr als ca. 10 % des ursprünglichen damaligen Wertes ausmacht, dann könnten es insgesamt auch höhere Werte als die vorgeschlagenen 20 - 25 % ergeben.
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Martin Filzek
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#5

02.07.2023, 19:30

Nachträglich sind mir noch einige Unklarheiten zu dem in den zwei bisherigen Beiträgen geschilderten Sachverhalt aufgefallen, die evtl. auch bedeutsam für die Frage, ob 0,5-Gebühr für nachträgliche bzw. wiederholte Auflassung bzw. (so im zweiten Beitrag) Ergänzung um Bewilligung und Antrag aufgefallen:

Wenn die Auflassung vorher noch nicht erklärt war oder aber auch - bei der "Bewilligungslösung" als anderes Element der Parteiensicherung - Bewilligung bzw. Anträge noch ausstanden (was ja als sicherster Weg immer die nachträglich entstehendden Kosten von 0,5 KV 21201 aus "voller" Summe des Übertragungsgegenstands rechtfertigt, wären dann ja doch
0,5 aus dieser "vollen" Summe
und für die Änderungen des Vertrags hinsichtlich Kaufpreisreduzierung und Verschiebung / Änderung Übergabezeitpunkt 2,0 KV 21100 aus Wert dieser Änderungen (siehe oben)
zu berechnen richtig,
mit Kontrollberechnung § 94 Abs. 1.
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