Schuldbeitritt als vertragliche Vereinbarung

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Helena
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#1

02.09.2021, 12:50

Liebe Foreno-Gemeinde,

ich habe folgendes Problem bei der Bestimmung eines Wertes:

Aufgrund dessen, dass der Käufer seine Verpflichtungen aus einem Grundstückskaufvertrag nicht erfüllen konnte (Kaufpreiszahlung, Zahlung Grunderwerbsteuer, Notarkosten, Vertragsstrafenzahlung, Verpflichtung der Übernahme von Rechtsanwaltskosten des Verkäufers usw.) wurde eine Nachtragsurkunde beurkundet, in der eine Dritte Partei ua. (die Urkunde hat noch weitere Bestandteile wie z.B. Stundung, Änderung der vertraglichen Bestimmungen in einzelnen Abschnitten) der Schuld des Käufers beigetreten ist und für diesen einsteht. Ohne diesen Schuldbeitritt wäre es nicht möglich gewesen, den Vertrag zu vollziehen. Die Parteien der Nachtragsurkunde sind Verkäufer, Käufer und der Dritte.

In der Urkunde beim Schuldbeitritt steht unter anderem, dass sich Verkäufer und Käufer sowie der Dritte darüber einig sind, dass dem Dritten sämtliche Rechte bezogen auf die Schulden wie dem Käufer zustehen sollen, z. B. Rückgewähr. Dem Verkäufer wurde es in diesem Zusammenhang ausdrücklich freigestellt, bei welchem Schuldner er auch Teilleistungen auf die Schuld einfordern kann, falls nicht gezahlt wird.

Den Schuldbeitritt habe ich aus diesem Grund mit einer 2,0 Gebühr nach Nr. 21100 in Ansatz gebracht und mit den weiteren Werten, die eine 2,0 Gebühr rechtfertigen, addiert.

Wie seht Ihr das? Ist dieser Schuldbeitritt eine einseitige Erklärung, so jedenfalls wird von der Gegenseite argumentiert. Der Schuldbeitritt ansich ist rechtlich doch unstreitig ein Vertrag. Ich konnte im GNotKG nichts anderes dazu finden.

Vielen Dank für jede Antwort! :thx

Liebe Grüße, Helena
Feldhamster
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#2

02.09.2021, 21:44

http://lexikon.jura-basic.de/aufruf.php ... ldbeitritt

Hiernach ist es ein Vertrag. Vielleicht schaust du zusätzlich in einem BGB-Kommentar nach und kannst so die 21100 begründen.
Helena
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#3

03.09.2021, 09:13

Vielen Dank für die Antwort.

Unser Notariat hatte meine Kostenrechnung zur Prüfung beim Landgericht eingereicht, da es sich um relativ hohe Werte handelt.
Der Amtsrat ist nach fast 10 Monaten Bearbeitungszeit nun der Meinung, der Schuldbeitritt wäre eine einseitige Erklärung.
Er hat dies leider ohne Begründung mitgeteilt.
pitz
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#4

03.09.2021, 10:26

Die Frage, die sich stellt, ist ja, worin die zweite Erklärung liegen sollte.

Der Dritte erklärt, dass er der Schuld des Käufers als Gesamtschuldner beitritt. Dieser Beitritt bedarf meines Erachtens keiner Annahme o.ä., sodass auch ich hier eine einseitige Erklärung sehen würde.
Helena
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#5

03.09.2021, 19:53

Ich habe heute sehr lange recherchiert und habe folgende Dissertation mit Google-Hilfe gefunden:

"Der Schuldbeitritt als Personalsicherheit - Die Zulässigkeit von Analogien zum Recht der Schuldübernahme und der Bürgschaft Inauguraldissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Rechte durch die Juristische Fakultät der Universität Rostock vorgelegt von Stephan Madaus Veröffentlicht im Jahr 2001 als Band 2 der Schriftenreihe des Instituts für Bankrecht und Bankwirtschaft an der Universität Rostock e.V. Berlin Verleg Arno Spitz GmbH ISBN 3-8305-0215-X"

Ich fasse mal wie folgt zusammen, was ich mir für meinen Fall herausgelesen habe - Achtung, es wird lang - nur bei Interesse weiterlesen: :oops:

Zunächst ist der Schuldbeitritt im BGB nicht geregelt, Seite 33, wohl aber allgemein anerkannt aufgrund Vertragsautonomie und analog den §§ 421 ff BGB angewendet. Der Verfasser erklärt ferner, dass der Schuldbeitritt ein einseitig verpflichtender Vertrag ist, Seite 26 oben.

Zur Definition habe ich weitergeschaut und Folgendes dazu bei https://www.juraforum.de/lexikon/einsei ... -vertraege gefunden:

"Die einseitig verpflichtenden Verträge dürfen nicht mit den (streng) einseitigen Rechtsgeschäften verwechselt werden.
Ein streng einseitiges Rechtsgeschäft besteht nämlich lediglich aus einer Willenserklärung, die jedoch nicht empfangsbedürftig ist.
Beispiele: Testament (§§ 1937, 2064, 2247 BGB), Auslobung (§ 657 BGB), Aufgabe des Eigentums (sog. Dereliktion, § 959 BGB)
Ein einseitiges Rechtsgeschäft besteht ebenso lediglich aus einer Willenserklärung, die aber empfangsbedürftig ist.
Beispiele: die sog. Gestaltungsrechte, wie die Anfechtung (§ 142 BGB), der Rücktritt (§ 346 BGB), die Kündigung oder auch die Aufrechnung (§ 387 BGB)"

Der Verfasser der Dissertation schreibt aber auch auf Seite 26:
"Dieser (der Schuldbeitritt - eingefügt von mir) führt dazu, daß der Beitretende zwar wie der Erstschuldner haftet, ihm jedoch anders als dem Erstschuldner keinesfalls dessen Gegenrechte gegenüber dem Gläubiger zustehen. Der Beitretende wird bloßer Schuldner. Er erwirbt damit nach den Vereinbarungen der Parteien zu keiner Zeit einen Anspruch gegen den Gläubiger auf die Darlehenssumme. ... Es bleibt also festzuhalten, daß ein Beitretender nach dem Willen aller Beteiligten zu keiner Zeit gleichberechtigter Partner des Vertrages zwischen Gläubiger und Erstschuldner werden soll. Seine einzige Aufgabe besteht darin, inhaltlich wie der Erstschuldner verpflichtet zu sein. Um dies zu erreichen ist seine unmittelbare Einbeziehung in das Vertragsverhältnis zwischen Gläubiger und Erstschuldner jedoch nicht notwendig."

In unserem Vertrag steht als Überschrift "ÄNDERUNG EINES GRUNDSTÜCKSKAUFVERTRAGS MIT AUFLASSUNG" und weiter unter der Überschrift "Schuldbeitritt, ZV-Unterwerfung":

"Der Sicherungsgeber (der Dritte - eingefügt von mir) tritt sämtlichen Zahlungsverpflichtungen des Käufers aus dem Kaufvertrag und dem heutigen Nachtrag als weiterer Schuldner auch im Verhältnis zum Verkäufer bei. Der Schuldbeitritt erstreckt sich insbesondere auf die Kaufpreisschuld, auf die Verzugszinsen, auf den Schadenersatz sowie die weiteren Verzugszinsen sowie sämtliche Zahlungspflichten des Käufers gegenüber Dritten, etwa die in der Vorbemerkung genannte Grunderwerbsteuer und die Vertragskosten einschließlich etwaiger Verzugszinsen hierauf.
Die Sicherungsgeber und der Verkäufer sind sich einig, dass dem Sicherungsgeber dieselben Einreden und Einwendungen wie dem Käufer zustehen. Dem Verkäufer steht es frei, nach seiner Wahl den Käufer oder den Sicherungsgeber in Anspruch zu nehmen. Leistet der Sicherungsgeber, ist ihm der Käufer zum vollständigen Ausgleich verpflichtet."

Auf Seite 37 der Dissertation steht noch einmal zusammengefasst: "Maßgebliche gesetzliche Grundlage des Vertragstyps Schuldbeitritt sind also die §§ 421 ff. BGB. Die mittels Schuldbeitritts begründete Gesamtschuld ist dabei dadurch charakterisiert, daß der gesamtschuldnerisch mithaftende Beitretende im Gegensatz zum nun ebenfalls gesamtschuldnerisch haftenden Erstschuldner keine eigenen Forderungsrechte gegen den gemeinsamen Gläubiger hat. Er tritt nur der Schuld des Erstschuldners bei. Dieser besondere Umstand läßt den Schluß zu, daß vertragliche Vereinbarungen, die diese charakteristischen Haftungsfolgen für den Zweitschuldner (also eine gesamtschuldnerische Mithaftung ohne Mitberechtigung) begründen, regelmäßig als Schuldbeitritt zu qualifizieren sind. Nur besondere zusätzliche Vereinbarungen vermögen es dann noch, den Charakter der Verpflichtung des Zweitschuldners so sehr zu verändern, daß von dieser Regel eine Ausnahme gemacht werden muß."

Welche zusätzlichen Vereinbarungen diese Wirkung haben, ist unter Abschnitt C erörtert. Dort findet sich auf Seite 84 ein Hinweis, dass § 417 Abs. 1 S. 1 BGB anordnet," daß sich der Übernehmer (Schuldübernehmer - eingefügt von mir) auf die Einwendungen des Altschuldners berufen kann." Dies gilt ausdrücklich nicht für den Schuldbeitritt.

Auf Seite 87/88 wird wie folgt ausgeführt:
"Die Einordnung des Schuldbeitritts als Verpflichtungsgeschäft scheint recht eindeutig zu sein. Er bewirkt die Begründung der Schuld eines Dritten neben dem Erstschuldner gegenüber dem Gläubiger des Erstschuldners. Er begründet somit eine Leistungspflicht und stellt damit eindeutig eine Verpflichtung dar. Der Schuldbeitritt könnte aber wie die Schuldübernahme neben der Verpflichtung auch Verfügungscharakter haben, wenn durch ihn auch das Forderungsrecht des Gläubigers hinsichtlich des Erstschuldners betroffen wäre. Eine solche Verfügung ist dann zu bejahen, wenn durch den Schuldbeitritt unmittelbar auf das Forderungsrecht des Gläubigers eingewirkt wird, dieses also entweder auf einen Dritten übertragen oder mit einem Recht belastet oder aufgehoben oder sonstwie in seinem Inhalt verändert wird.

Fazit:
Somit gehe ich davon aus, dass aufgrund bestehender Vertragsautonomie und egal jetzt, wie man es in der Überschrift benennt, es sich bei unserem Vertrag um Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft bei dem Schuldbeitritt handelt und insofern ein echter Vertrag (mehrseitige Willenserklärung) handelt, und zwar aus dem Grund, dass dem Sicherungsgeber dieselben Einreden und Einwendungen wie dem Käufer zustehen sollen. Dies ist jedoch ein Eingriff in das Vertragsverhältnis zwischen Verkäufer und Käufer und kann somit nicht lediglich "Schuldbeitritt" im Sinne der §§ 421 ff. BGB sein. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft = nicht mehr nur einseitig verpflichtendes Vertragsverhältnis.

Genauso würde ich nun der Dienstaufsicht antworten. :yeah

Ist meine Argumentation schlüssig? ;)

Sry, dass es so lang geworden ist. :augenreib
Notariatsmann
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#6

04.09.2021, 00:05

Helena hat geschrieben:
03.09.2021, 19:53
Somit gehe ich davon aus, dass aufgrund bestehender Vertragsautonomie und egal jetzt, wie man es in der Überschrift benennt, es sich bei unserem Vertrag um Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft bei dem Schuldbeitritt handelt und insofern ein echter Vertrag (mehrseitige Willenserklärung) handelt, und zwar aus dem Grund, dass dem Sicherungsgeber dieselben Einreden und Einwendungen wie dem Käufer zustehen sollen. Dies ist jedoch ein Eingriff in das Vertragsverhältnis zwischen Verkäufer und Käufer und kann somit nicht lediglich "Schuldbeitritt" im Sinne der §§ 421 ff. BGB sein. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft = nicht mehr nur einseitig verpflichtendes Vertragsverhältnis.

Genauso würde ich nun der Dienstaufsicht antworten. :yeah

Ist meine Argumentation schlüssig? ;)

Richtig ist, dass es sich in jedem Fall um einen Vertrag handelt. MüKo/Heinemeyer, 8. Auflage 2019, vor § 414 Rn. 12 führt aus:

"Ein rechtsgeschäftlicher Schuldbeitritt kommt – ähnlich wie eine befreiende Schuldübernahme – entweder durch Vertrag zwischen Beitretendem und Gläubiger oder durch Vertrag zwischen Urschuldner und Beitretendem zustande. In letzterem Falle handelt es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter mit dem Inhalt der vorhandenen Verbindlichkeit. Allein durch eine Erklärung des Beitretenden kann ein Schuldbeitritt nicht wirksam werden [...]"

Da hier eine 3er-Vereinbarung vorliegt, sind beide möglichen Varianten des Vertragsschlusses erfüllt. Darauf, ob die hier getroffenen Vereinbarungen (Dritter bekommt Einreden, wie der Käufer etc.) ggf. sogar noch mehr als einen reinen Schuldbeitritt darstellen könnten, kommt es nicht mehr an, da sich am ohnehin schon festgestellten Vertragscharakter dadurch nichts ändert. Ein Verfügungsgeschäft sehe ich bei dem Geschilderten nicht, weil der Anspruch des Gläubigers in seiner Substanz nicht betroffen wird. Darauf kommt es für die Frage, ob Vertrag oder nicht, aber ohnehin nicht mehr an.

Sich als NoFA durch solche Fragen und eine Dissertation zu wühlen ist zwar sehr respektabel, aber mal nebenbei gefragt: Was macht bei euch eigentlich der Notar noch? Der sollte doch primär berufen sein, solche speziellen materiell-rechtlichen Fragen zu beantworten, hat ja schließlich Rechtswissenschaft studiert. Das ist am anderen Ende der Leitung auch häufig das Problem mit den Kostenprüfern/Revisoren, sie bewerten Sachverhalte zum Teil kostenrechtlich falsch - wie hier der Amtsrat auch - weil sie eben gerade nicht Jura studiert und damit auch nur unzureichende materiell-rechtliche Kenntnisse in einigen Bereichen, wie hier im Schuldrecht, haben.
Helena
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#7

04.09.2021, 10:41

Vielen, vielen Dank für Deine Antwort! :thx

Die Bewertung von Urkunden (sofern es keine einfachen sind) setzt Kenntnisse im materiellen Recht voraus. Die habe ich natürlich als Unstudierte nur begrenzt. Komplexe Themen muss ich mir erarbeiten. Mit meinen Vorschlägen gehe ich dann zum Notar. Ist das bei Euch nicht so?

Ich habe schon in vielen verschiedenen Notariaten gearbeitet, auch in verschiedenen Bundesländern; kenne jedoch nur sehr wenige Notare, die sich mit dem Kostenrecht auseinandersetzen können oder wollen. GNotKG kommt viel zu kurz in den Weiterbildungen zum Notar, glaube ich. Sollte doch eigentlich ein eigenes Prüfungsthema sein, schließlich betrifft es sein Einkommen.
Martin Filzek
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#8

04.09.2021, 13:47

Es ist wirklich erstaunlich, welch hoch qualifizierte fachliche Diskussion in diesem Forum hier durch verschiedene Teilnehmer stattgefunden hat. Ich hatte mit dem Thema auch schon häufiger bei der Bewertung von im Rahmen des angebotenen Notarkosten-Dienstes durchgeführten Notarkosten-Gutachten mit Berechnungsvorschlägen zu tun und dabei auch entsprechend dem, was in der Literatur zu finden war, immer 2,0-Erklärungen für solche Schuldbeitritte angenommen.
Hier auch noch stichpunktartig zur zuletzt von Notariatsmann und Themenstarterin angesprochenen Frage der Aufgabenteilung Notar / Notarfachangestellte eine eigene Gedanken:

Sicher ist das was Notariatsmann und Themenstarterin Helena zu der oft schwierigen kostenrechtlichen Bewertung unter Berücksichtigung auch des materiellen Rechts schreiben völlig richtig.

Überhaupt meine ich, dass das GNotKG ein Gesetz ist, das nicht einfach ist, und das Notarkostenrecht für alle vorkommenden Bereiche zu erlernen, ist für jemanden, der nicht zu den bei Intelligenz, Auffassungsgabe, Merkfähigkeit usw. obersten 1 % gehört (also zu mehr als 99 %, worunter auch ich mich rechne) etwas das man nur über einen furchtbar langen Zeitraum von stückweisem Lernen anhand von Einführungsbüchern, Gesetzeslektüre, Erfahrungen mit dem Aufstellen von Notarkostenberechnungen und dazu wieder gemachten „Erfahrungen“ durch es besser wissende Revisoren und Gerichte nach und nach im Lauf von Jahren erlernt.
Da das aber eine „unangenehme“ Wahrheit ist (und auch schon der Gedanke, dass unterschiedliche Intelligenz und Auffassungsgabe - die bei Notaren im Durchschnitt als besser ausgebildeten Leuten eher zu finden ist als bei ihren Angestellten, die in der Regel keine solche umfassende Ausbildung besitzen und in der Mehrheit halt „einfacher gestrickt“ sind - auch hier gilt: keine Regel ohne Ausnahmen, wie insbesondere die obigen qualifizierten Beiträge der Vorredner/innen beweisen -) wurde, zunächst um das GNotKG gegenüber der Ablösung der alten KostO zu „propagieren“ vielfach behauptet, das neue Gesetz GNotKG sei supereinfach. Das war aber eine „Propaganda-Lüge“ um Widerstände gegen ein völlig neues Gesetz bei der Mehrheit von Anwaltsnotaren und ihren Angestellten zu begegnen.
Dennoch glauben einige Notare (vor allem die, welche relativ wenig kostenrechtliche Fachkenntnisse haben, weil sie noch keine Zeit hatten, sich damit zu beschäftigen) weiter daran und gehen davon aus, dass es für sie reicht, alles Mögliche zu beurkunden, und die Kostenberechnungen dann ihren Angestellten überlassen zu können, deren Aufgabe das sei. Es werden dann im Einzelfall noch bestimmte Büchlein angeschafft, die bei der Aufstellung von Kostenberechnungen helfen sollen, und von denen es im Vergleich zum Buchmarkt vor über 20 Jahren zur KostO-Zeit auch jetzt mindestens doppelt so viele und wirklich sehr sehr gute gibt (neben Notarkasse München, Streifzug, auch Ländernotarkasse, Leipziger Kostenspiegel, die guten Anleitungs- und Beispielbücher von Diehn, dass schon immer vorhandene Büchlein von Waldner, GNotKG (früher KostO) für Anfänger, sehr gute Einführungsteile z. B. von Otto in Faßbender u.a., Notariatskunde, um hier nur einige wenige zu nennen ohne damit ein Minderwerturteil über hier aus Platzgründen nicht genannte weitere Literatur abgeben zu wollen). Aber der Umfang von mehr als 1.000 Seiten in einigen dieser Bücher belegt natürlich, dass in Deutschland alles sehr kompliziert geregelt ist - anders fühlt sich der gründliche Deutsche nicht wohl, und es ist wahrscheinlich auch dem Prinzip geschuldet, dass Fachleute an dem GNotKG beteiligt waren, die ihre Fachkenntnisse eingebracht haben und damit kein ganz supereinfaches Gesetz zustande bringen konnten, mit dem sie sich selbst um ihre Erwerbsquellen (komplizierte Erklärungen in zahlreichen Kommentaren, Anleitungsbüchern, Seminaren usw.) gebracht hätten.
Und da das so ist muss ich nun auch mich ins Spiel bringen und zugeben, dass ich ohne die Kompliziertheit des Notarkostenrechts in den letzten dreißig Jahren sonst sinnvollere Tätigkeiten hätte ausüben müssen, um mein Dasein zu fristen, und es ohne diese Kompliziertheit sonst nicht möglich gewesen wäre, allein von Seminaren (seit 1985) und den dazu seit 1996 angebotenen Notarkosten-Gutachten mit Berechnungsvorschlägen in komplizierten Fällen zu leben.

Im vorliegenden Fall wurde - dies wird häufig so praktiziert - versucht in einer Zweifelsfrage die kostenlose Auskunft der Dienstaufsicht vorher zu klären. Nachteil könnte dann sein, dass so eine Zweifelsfrage, zu der verschiedene Ansichten vertretbar sein könnten, so zumindest für die Dienstaufsicht, die sonst nur bei Stichproben anlässlich der regelmäßigen Kostenprüfung ca. alle vier Jahre die Kosten prüft, offenbart wird.
Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, private Dienstleister wie z. B. mich damit zu beauftragen. 10 Monate hätte ich für die Beantwortung dann nicht gebraucht und selbstverständlich auch eine kurze Begründung geliefert. Eine Garantie, dass der von mir empfohlenen Ansicht in einer Zweifelsfrage, sofern sich der Kostenschuldner beschweren sollte oder bei Prüfung innerhalb der kostenrechtlichen Prüfung durch Dienstaufsicht einige Zeit danach, dann ebenso gefolgt wird, und ggf. ein oder mehrere Gerichte diese Auffassung bestätigen, ist damit natürlich nicht verbunden, aber doch ist es in der Vielzahl der Fälle eine leicht erreichbare, schnelle Hilfe für eine fundiertere eigene Entscheidung des Notars über die richtige Kostenberechnung, die er selbst jeweils aufgrund des Gebots zur persönlichen Amtsausübung verantworten muss. Die mit vielfachen anderen Aufgaben beschäftigten Notarangestellten (Vorbereitung und Abwicklung der Urkundsgeschäfte) werden dabei dann auch zeitlich entlastet durch so „ausgesourcte“ komplizierte Notarkosten-Berechnungen, die im Billig-Lohngebiet Husum / Nordfriesland dann von mir ausgeübt werden könnten.

Oft, wie in den letzten Tagen, berechne ich für günstige 70 Euro / Std. dann die kompliziertesten Dinge, und in der Notarkostenberechnung, z. B. kürzlich für 5 einzelne Urkunden eines Notars in einer Großstadt mitten in Deutschland, kommen dann netto mehr als 127.000 Euro Gebühren heraus. :wink2
Fragen zum GNotKG? http://www.filzek.de
Helena
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#9

04.09.2021, 20:05

Toller Beitrag, Herr Filzek :thx

Auf Ihr Angebot komme ich sicherlich zurück, falls es mal wieder klemmt.

Liebe Grüße aus Frankfurt am Main
Notariatsmann
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Wohnort: Hannover

#10

05.09.2021, 15:54

Helena hat geschrieben:
04.09.2021, 10:41
Die Bewertung von Urkunden (sofern es keine einfachen sind) setzt Kenntnisse im materiellen Recht voraus. Die habe ich natürlich als Unstudierte nur begrenzt.
Das ist natürlich klar, darum meine ich ja, warum lädt der Notar so eine Rechtsfrage erst beim Landgericht und im Anschluss nach 10 Monaten bei der NoFA ab, die die Ausbildung dafür eigentlich nicht hat, während das für den Notar an sich mit einem Blick in den Kommentar zu klären sein sollte. Was zur Komplexität des Kostenrechts oben gesagt wurde, stimmt zwar in Bezug auf einige Fälle, aber hier liegt überhaupt keine schwierige Frage des Kostenrechts vor, denn hat man die Urkunde einmal rechtlich zutreffend als Vertrag qualifiziert, folgt daraus automatisch die 2,0 Gebühr. Eigentlich ist es eine reine BGB-Frage.
Helena hat geschrieben:
04.09.2021, 10:41
Komplexe Themen muss ich mir erarbeiten. Mit meinen Vorschlägen gehe ich dann zum Notar. Ist das bei Euch nicht so?
Da gibts in verschiedenen Notariaten ganz unterschiedliche Dynamiken, vom Notar, der richtig was auf dem Kasten hat und bei Bedarf selbst in die Bearbeitung einsteigt bis hin zum relativ unbedarften "Vorlesenotar".
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