Erbscheinsantrag mit Erbauseinandersetzung

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Willy
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#1

30.08.2019, 08:53

Hallo,

das Problem ist folgendes: Wir haben eine Urkunde, in der drei Leute (Mutter, Vater und Ehemann der Verstorbenen) einen Erbschein beantragen. In der gleichen Urkunde nehmen sie dann aber auch gleich eine Erbauseinandersetzung vor, da der Nachlass aus einem Grundbesitz bestand und dieser alleine auf den Ehemann übertragen wird, wofür dieser die Eltern hinsichtlich der Haftung für eine eingetragene Grundschuld entlässt.

Meine Frage ist jetzt, wie meine Rechnung auszusehen hat? Erbscheinsantrag wäre ja eine 1,0-Gebühr nach Nr. 23300, Erbauseinandersetzung eine 2,0-Gebühr nach 21100. Welche Gebühr kann ich also in Ansatz bringen? Und vor allem, nach welchem Wert?

Gruß,
Willy
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#2

31.08.2019, 23:32

Hallo Willy,
für mich sind Erbscheinsantrag und Erbauseinandersetzung 2 gesonderte Verfahren. Nach § 93 Abs. 2 GNotKG ist in einem solchen Fall jedes Verfahren gesondert abzurechnen - in Deinem Fall also:
1,0 Gebühr für eidesstattliche Versicherung (nebst Erbscheinsantrag) und
2,0 Gebühr für Erbauseinandersetzungsvertrag.

Wert ist in beiden Fällen der Wert des Nachlasses (zumindest dann,wenn sich die Erbauseinandersetzung auf den gesamten Nachlass bezieht).
Martin Filzek
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#3

01.09.2019, 19:02

Die Anwendung von § 93 Abs. 2 GNotKG würde doch aber bedeuten, dass "missbräuchlich" eine Zusammenbeurkundung in nur einer Urkunde statt gefunden hat, wie es der BGH vor einiger Zeit dann angenommen hat, wenn zwar ein formell Erschienener, der aber für verschiedene juristische Personen gehandelt hat, zwei gesellschaftsrechtliche Beurkundungen zu zwei verschiedenen GmbHs in einer Urkunde beurkunden lassen hat (um so in den Genuss der Höchstgebühr § 108 für mehrere Beschlüsse verschiedener Gesellschaften zu kommen).
Hier im geschilderten Fall würde ja eine Identität bei den Personen bestehen und letztlich dienen beide Verfahren der erbrechtlichen Regelung. Deshalb könnte man überlegen, ob es nicht überhaupt miteinander gegenstandsgleiche Erklärungen sind (wie bei Kaufvertrag die mitbeurkundeten Grundbuchanträge, die da ja auch nicht gesondert bewertet werden können als Hilfs- und Durchführungsgeschäfte). Ich würde aber auch dazu tendieren, für den Erbscheinsantrag einerseits und die Erbauseinandersetzung verschiedene Gegenstände anzunehmen (ob diese Frage in diversen Kommentaren o. Ä. irgendwo behandelt ist, wollte ich eigentlich noch mal nachsuchen in den nächsten Tagen).

Bei der Lösung, wonach gegenstandsverschiedene Erklärungen angenommen werden, aber § 93 Abs. 2 nicht angewandt wird, dürfte es höchstwahrscheinlich aber bei den zu ermittelnden Gebühren hier zu demselben Ergebnis kommen, wenn nämlich die getrennte Berechnung der 1,0-Gebühr aus dem Bruttowert der Erbschaft und einer 2,0-Gebühr für die Erbauseinandersetzung aus wahrscheinlich dem gleichen Wert günstiger ausfallen sollten, als eine 2,0-Gebühr aus dem zusammengerechneten Wert (§§ 35, 86, Kontrollberechnung § 94 Abs. 1). Auch dann sind ja letztlich gesonderte Gebühren zu berechnen, so dass die oben genannte Zweifelsfrage (ob es wirklich eine missbräuchliche Zusammenbeurkundung war) hier dahin stehen könnte.

Möglicherweise werden sich Stellungnahmen zu solchen Bewertungen kaum finden lassen, weil selten jemand auf die Idee kommt, diese beiden Verfahren in einer Urkunde zusammen zu beurkunden. In jedem Fall dürfte der Notar nach seinem Ermessen darüber entscheiden, ob er getrennte Verfahren dafür bilden will, wofür auch die Zweckmäßigkeit und Übersichtlichkeit sprechen kann, oder ob er beide Verfahren "zusammenlegt" in einer Urkunde, und das Argument, dass in letztgenanntem Fall im Interesse der Mandanten geringere Kosten entstehen könnten, wird aus den o.a. Gründen (Kontrollberechnung § 94 Abs. 1) bei nur wenigen Konstellationen - vor allem wohl bei sehr geringen Werten wegen der Mindestgebühren - eine Rolle spielen.

Wäre mal interessant zu wissen, was der Hintergrund der Zusammenbeurkundung war, und wer genau von den einzelnen Miterben in dem Erbscheinsantrag als Erbe auftauchen soll, wozu und für welche Fälle man dann den Erbschein noch braucht, und welche Werte von der gesamten oder Teil-Erbauseinandersetzung betroffen sind. Höchstwahrscheinlich wird bei der Planung der Beurkundung zusammen der Notar an die Fragen, welche Kosten dafür entstehen könnten und ob überhaupt eine Ersparnis eintritt, gar nicht gedacht haben, und nur unbewusst davon ausgegangen sein, dass es durch die Zusammenbeurkundung im Zweifel nur schneller geht und günstiger sein könnte, oder er wollte auch möglichst wenig UR.-Nummern vergeben, um keine neuen Notarstellen entstehen zu lassen, die ja anhand der gemeldeten Urkundenzahlen ermittelt werden? Vielleicht kann Willy auch zu diesen Fragen noch etwas ergänzen zum Sachverhalt.
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#4

15.09.2021, 10:19

Ein Fall würde mir dazu einfallen, bzw. liegt gerade ein Fall hier vor:

Zwei von vier Miterben sind Erben geworden, weil in einem notariellen Testament/Erbvertrag ein vorverstorbener Abkömmling des Erblassers zum Miterben benannt und dessen namentlich nicht genannten Kinder zu Ersatzerben berufen wurden. Es ist also zum Einen durch Abstammungsurkunde nachzuweisen, dass sie die Kinder des vorverstorbenen Miterben sind, und zum Anderen verlangt das Grundbuchamt eine eidesstattliche Versicherung, dass sie die einzigen Abkömmlinge sind. Diese eV hätte man in den Erbauseinandersetzungsvertrag mit aufnehmen können und muss -weil hier vergessen- nun separat nachgeholt werden. Ich würde dies allerdings als denselben Gegenstand betrachten (§ 109 i.V.m. § 94 II) und nun nicht gesondert bewerten. Ich kann mir vorstellen, dass solch ein Fall öfter vorkommt bei notariellen Verfügungen von Todes wegen, wo nur noch eine eV abzugeben wäre zum Nachweis der (Mit)Erbschaft. Hätten wir die Erklärung im Erbauseinandersetzungsvertrag aufgenommen, wären keine Mehrkosten entstanden, sodass ich nun dazu tendiere § 21 GnotKG anzuwenden. :kopfkratz
Martin Filzek
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#5

21.09.2021, 14:43

Zwingend wäre die Anwendung von § 21 GNotKG hier aber wahrscheinlich nicht, ich würde eher dazu tendieren, es nicht zu tun:

Zum einen ist nicht eindeutig, ob bei Mitbeurkundung der eidesstattl. Versicherung in der Erbauseinandersetzung diese wirklich gegenstandsgleich i.S.v. § 109 Abs. 1 gewesen wäre (vgl. ähnliche Konstellationen wie in den Fällen in meinem Skript zu Notarkostenseminaren Notarkostenschau 2020 - 2021 - Stand 15.10.2020 mit Hinw. zu seit 1.1.2021 eingtr. Änderungen durch KostRÄG - kann für 25 € incl. Versandkosten und USt. bezogen werden durch Senden der Bestellanschrift an info@filzek.de, auf S. 106 f. bei Fällen von Grundbuchberichtigung auf Erben in Kaufverträgen mit Dritten, wo es also unterschiedliche Meinungen dazu gibt).

Zum zweiten ist es grundsätzlich ins 'Ermessen des Notars gestellt, ein oder mehrere Verfahren für einzelne Erklärungen aufzunehmen und ein Korrektiv durch etwa billiger entstandene Kosten wird überwiegend abgelehnt (vgl. hierzu z. B. Sikora / Strauß in DNotZ 2021, 686 zu OLG Brandenburg NotBZ 2020, 265).

Skripten zu Notarkostenseminaren wie oben beschrieben beziehbar. Auf www.filzek.de Hinweise zum jederzeit möglichen Notarkosten-Dienst und Inhouse-Seminaren Notarkostenrecht, voraussichtlich erst in einigen Monaten wieder aktuelle Live-Seminare im ersten Halbjahr 2021.
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