Dienstbarkeit oder Vertrag

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Tweety313
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#1

18.04.2019, 08:07

Hallo Ihr Lieben,

ich stehe gerade förmlich auf dem Schlauch und vielleicht kann mir jemand den Knoten im meinem Kopf lösen.

In der Urkunde, welche ich gerade bekommen habe, hat meine ehemalige Kollegin folgende Formulierung aufgenommen:

Der Wert der Dienstbarkeit wird mit 5.000,00 Euro, der Wert der schuldrechtlichen Verpflichtung mit 80.000,00 EUR angegeben.

Wonach wird hier nun eigentlich berechnet?

LG Tweety313
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Lovis
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#2

18.04.2019, 10:50

Hallo! Die wertmäßige Aufspaltung in Dienstbarkeit und Verpflichtungsgeschäft kannte ich bisher noch nicht. Ansonsten gilt grundsätzlich der kapitalisierte Wert der Dienstbarkeit und je nachdem, ob ein Eintragungsantrag oder eine Vereinbarung beurkundet wurde, wird eine halbe oder doppelte Gebühr erhoben.

Falls die "Urkunde" ein Veräußerungsgeschäft sein sollte wird im Übrigen die Vereinbarung einer Dienstbarkeit als gesonderter Beurkundungsgegenstand bewertet (110 Nr. 2b).

Viele Grüße
Zahme Vögel singen von Freiheit, wilde Vögel fliegen
Martin Filzek
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#3

18.04.2019, 11:50

Es bleibt bei dem Fragebeitrag unklar, ob mit der Wertangabe zur Dienstbarkeit deren Gesamtwert gemeint ist oder nur der Jahreswert nach § 52, den man dann kapitalisieren müsste (vgl. auch Antwortbeitrag Lovis schon), und überhaupt lässt sich die Frage, wie zu bewerten sei, nur dann beantworten, wenn näher beschrieben würde, was genau der Inhalt der Urkunde ist und worauf sich die Angabe zum Schuldrechtsverhältnis bezieht.
Bei § 110 Nr. 2 b werden, soweit es anzuwenden ist, auch nicht alle Dienstbarkeiten erfasst, nur die sogen. subjektiv-dinglichen Rechte (meist Grunddienstbarkeiten, vgl Kommentarliteratur), und nicht beschränkt pesönliche Dienstbarkeiten (siehe z. B. Notarkasse München, Streifzug durch das GNotKG, 12. Aufl. 2017, Rn. 2011 ff., 2014).

Für Notarkostenberechnungen allgemein nützliches Wissen und Wissenszuwachs bieten m. E. auch die eigenen Seminare, die oben in diesem Forum bei Fort- und Weiterbildung oder auch auf der unten angegebenen Intenetseite www.filzek.de zu finden sind, z. B. die halbtägigen Seminare am 30.4. in Hannover, 2.5. in Frankfurt a. M., 22.5. in Berlin, 12.6. in Essen, 14.6. in Bremen und 19.6. in Hamburg, oder das 2,5-tägige Intensivseminar vom 16. - 18. Mai 2019 in 25774 Lehe.
Aber auch Lektüre zu GNotKG und Kostenbechnungen kann weiterhelfen, z. B. Waldner, GNotKG für Anfänger, von Tiedtke der Band Notarkosten in der neuen Reihe des DNotV, die Einführung von Otto in den letzten Auflagen von Faßbender, Notariatskunde, und viele andere die es noch gibt (Lieraturübersicht im eigenen Skript S. 45 - 47); auch die eigenen Seminarskripten sind auf der Internetseite von mir auch unabhängig von Seminarteilnahmen zum Kauf angeboten.
Fragen zum GNotKG? http://www.filzek.de
Tweety313
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#4

18.04.2019, 13:32

Hallo,

für alle Interessierten anbei mal der wesentliche Text der Urkunde.

Meine ehemalige Kollegin, welche dies vorbereitet hat, kann ich nicht mehr fragen, da diese uns nach einem "Gastspiel" von wenigen Wochen wieder verlassen hat. Kam kurz vor mir und ist nun gegangen.

Ich selbst sitze auch erst seit wenigen Wochen an diesem Arbeitsplatz und bin arg verunsichert. Meine bisherigen Kostenrechnungen wurden alle irgendwie beanstandet, ob wohl ich seit Jahren immer so abgerechnet habe. In der früheren Kanzlei gab es auch keinerlei Beanstandungen bei der Überprüfung durch die Revisoren.

Es kann doch nicht sein, dass die Notare von Bundesland zu Bundesland anders abrechnen bzw. das GNotKG anders interpretieren.

Liebe Grüße in die Runde


Antrag auf Eintragung einer Grunddienstbarkeit
betreffend der Duldung der Verbauung von Fensteröffnungen
nebst schuldrechtlicher Vereinbarungen

I.

Wir, ……….., sind Eigentümer des nachfolgend in dem Grundbuch des Amtsgerichts ……………… verzeichneten Wohnungseigentums:

………… Miteigentumsanteil der ……………

Das Grundbuch ist in Abteilung II und III wie folgt belastet:

Abteilung II:

Abteilung III:

Hiermit bewilligen und beantragen wir die Eintragung einer Grunddienstbarkeit in Abteilung II unseres Grundbuches ………. zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers – für mehrere Eigentümer als Gesamtberechtigte gem. § 428 BGB - des im Grundbuch ……….. verzeichneten Teileigentums:

………. Miteigentumsanteil der …………..

in der Form, dass der jeweilige Eigentümer des im Grundbuch von ……… gebuchten Miteigentumsanteil ………… bezeichneten Räumen es zu dulden hat, dass der jeweilige Eigentümer des in ………… gebuchten Teileigentum das in Anlage 1 mit „Fenster“ gekennzeichnete Fenster unseres Sondereigentums dauerhaft bis auf eine Höhe von 2,00 m ab der Oberkante des Terrassenbelags des zu der Teileigentumseinheit ……… gehörenden SNR …….. mit einem blickdichten Stauschrank verstellen oder verbauen darf.

Es wird klargestellt, dass durch die Dienstbarkeit nur die Duldungspflicht des jeweiligen Sondereigentümers in Bezug auf das Sondereigentum verzeichnet im Grundbuch von ……….. begründet wird.

Die Grunddienstbarkeit soll im Rang vor allen Eintragungen in den Abteilungen II und III des Grundbuches stehen, bzw. nur hinter solchen Eintragungen, die eine Ausübung der Grunddienstbarkeit nicht behindern. Sie soll zunächst an rangbereiter Stelle im Grundbuch eingetragen werden.

Die Grunddienstbarkeit ist auf dem Grundbuchblatt von ………. zu vermerken.

Wegen unserer Verpflichtung, die Benutzung in der vorstehenden Weise zu dulden, unterwerfen wir, die Besteller, uns der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. Den Berechtigten darf die Ausfertigung dieser Urkunde erteilt werden.

Der Notar wird beauftragt, die Rangrücktrittserklärung des Gläubigers in Abteilung III lfd. Nr. …………. (Blatt ……) einzuholen. Die Kosten des Rangrücktritts tragen wir, die Besteller.

II. Schuldrechtliche Vereinbarungen

1. Die Besteller sind ferner zugunsten der Berechtigten verpflichtet, zusätzlich auf der Innenseite der Fensterscheibe des in Anlage 1 bezeichneten Fensters dauerhaft eine Milchglasfolie aufzubringen, die bis auf eine lichte Höhe von 2,00 m ab Oberkante des Terrassenbelages ausgeführt wird. Für den Fall der Beseitigung der Milchglasfolie verpflichtet sich der Besteller an den Berechtigten Schadensersatz in Höhe von 80.000,00 EUR zu leisten. Der Schadensersatz ist fällig und zahlbar spätestens nach Ablauf von einer Woche, nachdem der Besteller dem Berechtigten schriftlich die Beseitigung der Milchglasfolie angezeigt hat und diese nicht innerhalb von einer weiteren Woche seit Zugang der schriftlichen Anzeige wieder hergestellt wurde.

2. Die Errichtung des Stauschrankes hat sach- und fachgerecht auf Kosten und im Auftrag der Berechtigten nach Einbau des Fensters zu erfolgen, die Unterhaltung des Stauschranks obliegt allein den Berechtigten.

Der Verbau durch den Schrank darf das in Anlage 1 bezeichnete Fenster jedoch nicht berühren und das Öffnen und Schließen des Fensters nicht beeinträchtigen.

3. Der Besteller und die Berechtigten verpflichten sich, die vorstehenden Verpflichtungen bei einem etwaigen Verkauf des jeweiligen Wohnungseigentums auch den Käufern aufzuerlegen und auch diese zu verpflichten, etwaige spätere Erwerber ebenfalls entsprechend zu verpflichten. Alle dinglichen Duldungspflichten gemäß Ziffer I. werden insoweit auch schuldrechtlich übernommen.

Der Wert der Dienstbarkeit wird mit 5.000,00 Euro, der Wert der schuldrechtlichen Verpflichtung mit 80.000,00 EUR angegeben.
Martin Filzek
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#5

19.04.2019, 19:52

Bei der im letzten Satz enthaltenen Wertangabe der Beteiligten handelt es sich m. E. um ein häufiges Phänomen: Ich vermute mal, die frühere Kollegin war im guten Glauben, diese Wertangaben so plausibel zu finden und als "Angabe der Beteiligten" diese ihnen so in den Mund zu legen, indem es in die unterschriebene Urkunde aufgenommen wurde.
Die Beteiligten - selbst noch mehr kostenrechtliche Laien als die frühere Kollegin - dachten dann auch, das wäre wohl so, und haben es unterschrieben.

Letztlich ist aber von solchen Wertangaben der Beteiligten (die ja meist vom Notar, dessen Angestellten mit mehr oder minder großen Kostenrechtskenntnissen beeinflusst sind - es kommen häufig aber auch zu Recht kritisierte einseitige parteiische Wertangaben durch die Beteiligten selbst vor, wenn diese den Entwurf fertigen, z. B. bei Energieversorgungsunternehmen u. Ä. die für Stromleitungsrechte und andere Dienstbarkeiten oft ihren Wunschwert von nur 5.000 Euro vorgeben) wenig zu halten und sie sind sehr kritisch zu sehen und vom Notar, der die Pflicht zur richtigen Gebühren- und damit Wertermittlung hat, zu überprüfen. Eingehend habe ich das im Kommentar schon zur KostO, 4. Aufl. 2009, an dem Ort "Vor § 18 KostO, Einleitung" Rn. 17 f. dargestellt. Gegenüber dem GNotKG hat sich da nicht viel geändert.

Ich zitiere mal auszugsweise: "... Zu vermeiden sind früher und z. T. auch heute noch verwendete Angaben wie "Den Wert der Urkunde gaben die Beteiligten im Kosteninteresse an mit ..." oder ähnliche Formulierungen, die leicht missverstanden werden können. Juristische Laien, denen die komplizierten und verschiedenartigen Wertvorschriften ... nicht geläufig sind, die je nach Zusammenhang auf den Bruttowert, den Verkehrswert oder den Reinwert usw. abstellen, geben dabei im Ergebnis häufig den Wert an, den sie für die Gebührenberechnung persönlich als angemessen empfinden. Die Angaben der Beteiligten sollten daher immer möglichst genau sein, bei einem Testament etwa: "Den Reinwert seines Vermögens gab der Erschienene an mit ..." (Hinweis zur Lage nach GNotKG: jetzt modifizierten Reinwert berücksichtigen mit maximal 50 % Schuldenabzug §§ 100, 102 GNotKG), beim Übertragungsvertrag: Den Verkehrswert des Hausgrundstücks schätzt der Erschienene auf ..." ...
Unter Rn. 18 bin ich dann darauf eingegangen, dass der Notar alle diese Wertangaben wegen dem damaligen § 140 KostO (heute § 125 GNotKG) - Verbot von Gebührenvereinbarung und -erlass - kritisch überprüfen müsse und auch unwahrscheinliche bzw. unrichtige Wertangaben nicht ungeprüft übernehmen darf.

Hier wird die Kollegin es also gut mit dem Notar gemeint haben und war der Meinung, die schuldrechtliche Verpflichtung hätte den Wert der Vertragsstrafe, die dafür festgehalten ist. Das ist aber wegen § 37 Abs. 1 GNotKG gerade nicht so und der Wert von solchen Vertragsstrafen - die ja auch nur im extrem unwahrscheinlichen Fall, dass sich jemand nicht an die Vereinbarung hält, erreicht werden - bilden eben nicht den Wert der schuldrechtlichen Vereinbarung, vgl. auch Notarkasse München, Streifzug Rn. 2272 und 2289.

Der ganze Quatsch mit dem durch Stellschrank vorm Fenster und der Milchglasscheibe im Fenster ist schwer einzuschätzen und die Wertangabe mit den für solche Fälle möglichem Wertansatz nach § 36 II und III mit 5.000 Euro (die man ggf. auch, wenn der Verstoß den Beteiligten tatsächlich eine Vertragsstrafe von 80.000 Euro wert sein sollte, vielleicht angemessen verdoppeln könnte auf 10.000 Euro vielleicht) ist dann der gemeinsame Wert für Grunddienstbarkeit und schuldrechtliche Verpflichtung.

Zur Frage, welche Gebühr entsteht - abhängig davon, ob nur die Grunddiensbarkeit als privilegierte Erklärung mit 0,5 nach KV 21201, 24202, oder als einseitige Erklärung (hier wegen der Zwangsvollstreckungsunterwerfung nach KV 21200 mit 1,0-Gebühr, oder als Vertrag wenn beide Seiten das als Vertrag haben beurkunden lassen = Gebühr KV 21100 mit 2,0-Gebühr, siehe obige Hinweise bereits von Lovis.

Inwieweit die Zwangsvollstreckungsunterwerfung wegen der Duldungsverpflichtung funktionieren soll und ob das so möglich und sinnvoll war, weiß ich gar nicht und müsste man mal gelegentlich in Spezialliteratur zu Zwangsvolstreckungsunterwerfungen nachprüfen (vielleicht Wolfsteiner, Die vollstreckare Urkunde, Neuauflage, oder Ähnliches, ich komme da im Moment ncht an ensprechende Werke zum Nachsehen heran). Evtl. kann jemand, der sich mit der Frage besser auskennt, wegen welcher Ansprüche eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung möglich und sinnvoll ist, sich dazu noch mal äußern, das ist jenseis meines Fachgebiets Kosten, und würde mich natürlich aber auch interessieren, da ja ggf. - falls es nicht sinnvoll war oder Vorteile bringt - unrichtige Sachbehandlung wäre und bei bloßer Grundbucherklärung (ohne Vertragsform) die 1,0-Gebühr statt 0,5 dann fraglich wäre. Bei Vertrag ist es aber egal, da die ZV.-Unterwerfung dann ja auf jeden Fall gegenstandsgleich und von der höheren 2,0-Gebühr umfasst.

Also wie gesagt: ich persönlich sehe einen Wert zwischen 5.000 und 10.000 Euro ca. § 36 II, III, der für Grunddienstbarkeit und schuldrechtliche Erklärungen / Vertrag gemeinsam gilt (die miteinander natürlich gegenstandsgleich § 109 sind). Und dieser Wert is m. E. als Gesamtwert zu verstehen, nicht als ein nach §52 zu kapitalisierender Jahreswert, was ja hier zum zwanzigfachen Betrag von 5.000 - 10.000 Euro führen würde (so viel wird ein gelegentlicher Blick durch die nicht mehr milchglasgeschützte Fensterscheibe für normale Menschen kaum wert sein, egal was für tolle Dinge oder Menschen sich hinter der Scheibe verbergen?). Auch wörtlich dürfte diese Auslegung richtig sein, denn es ist in der Wertangabe ja nicht von einem Jahreswert die Rede, sondern von einem "Wert".
Fragen zum GNotKG? http://www.filzek.de
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