Vollzugsvertrag - Ausübung des Vorkaufsrechts

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Tweety313
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#1

27.03.2019, 06:48

Guten Morgen in die Runde,

vielleicht kann mir jemand von Euch helfen.

In letzter Zeit üben viele ihr Vorkaufsrecht aus, so dass wir einen entsprechenden Vollzugsvertrag erstellen und der Vorkaufsberechtigte in die Rechte und Pflichten des ursprünglichen Kaufvertrages eintreten muss.

Es ist mir bewusst, dass der Vorkaufsberechtigte dem Erstkäufer auch die Beurkundungskosten des Kaufvertrages erstatten muss.

Allerdings bin ich mir nun unsicher inwieweit der Vollzugsvertrag berechnet wird. Er stellt m.E. aufgrund des ,wechselnden‘ Käufers eine Änderungsurkunde dar und demnach wäre der Wert doch prozentual anzusetzen oder bin ich auf dem Holzweg?

Vielen Dank für Eure Hilfe.

Allen einen guten Start in den Tag.

LG Tweety313
Martin Filzek
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#2

27.03.2019, 11:28

Soviel ich weiß, ist es rechtlich so, dass mit Ausübung des Vorkaufsrechts der das Vorkaufsrecht Ausübende in den bestehenden Vertrag eintritt und gar kein neuer Vertrag, der unbedingt beurkundet werden müsste, entsteht. Aber die mit dem komplizierten Dreiecksverhältnis Verkäufer - vorgesehener Käufer, der nicht erwerben kann - neuer Käufer verbundenen Fragen der Kostenerstattung usw. führen wohl dazu, dass die Experten raten, einen solchen klarstellenden Vertrag mit allen Seiten abzuschließen (was aber die Einigkeit und Bereitschaft der drei Beteiligten voraussetzt und manchmal nicht erzwungen werden kann).
Theoretisch müsste - wenn es nicht zu einer solchen dreiseitigen Abwicklungsvereinbarung kommt - nur die Auflassung an den vorkaufsberechtigten neuen Käufer erklärt werden, zu deren Bewertung mit 2,0 (streitig) siehe z.B.Diehn, Notarkostenberechnungen, 5. Aufl. 2017, Rn. 517 ff. - in früheren Auflagen zu finden unter dem Stichwort Auflassung nach Vorkaufsrechtsausübung, jedoch wurden in früheren Auflagen zur Höhe des Gebührensatzes auch andere Auffassungen vertreten!). Sehr streitige und schwierige Frage.

Jedenfalls ist das, was bei Euch vorliegt, keine "Änderungsurkunde" zum früheren Vertrag mit nur einem Teilwert nach § 36 Abs. 1 höchstwahrscheinlich.

Bin auch auf andere Stellungnahmen zu den Kosten in solchen Fällen - die aber wie gesagt von dem genauen Inhalt dessen abhängen, was als spätere Urkunde gemacht wird abhängen - gespannt.

Genauere Untersuchungen zu den entstandenen Kosten würden m. E. auch schon den vollständigen Wortlaut der von Euch "Vollzugsvertrag" genannten weiteren Beurkundung voraussetzen. Vgl. auch allgemeine Angebote zu solchen Fällen unter Notarkosten-Dienst auf meiner Seite www.filzek.de und die dortigen Hinweise auf zahlreiche halbtägige Seminare im 1. Halbjahr 2019. :wink2
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Martin Filzek
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#3

27.03.2019, 11:42

P.S.
Für die 2,0-Gebühr bei Auflassung nach Ausübung eines gesetzlichen (?) Vorkaufsrechts wohl auch Ländernotarkasse. Leipziger Kostenspiegel, 2. Aufl. 2017, Rn. 2.1281 Übersichtstabelle c).
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elena94
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#4

27.03.2019, 14:12

Wir hatten letztens auch so einen Fall.
Der ursprüngliche, "ganz normale" KV ist hier beurkundet worden. Nachdem ich die Vorkaufsberechtigten bei Abwicklung angeschrieben hatte, haben diese dann ihr Vorkaufsrecht ausgeübt. Da es in unserem Fall klappte, alle an einen Tisch zu bekommen, haben wir dann hier wiederum einen Vertrag mit allen 3 Parteien beurkundet: Eintritt der neuen Käufer in den ursprünglichen KV, Rückabwicklung desselben mit den Erstkäufern (Regelung der Erstattung der ihnen bereits entstandenen Kosten, etc.), Neuerklärung der Auflassung und ein paar schuldrechtliche Vereinbarungen wurden geändert/angepasst. Der Kaufvertrag zwischen Verkäufer und Erstkäufer wurde auch in begl. Abschrift als Anlage zu der Urkunde genommen.
Ich habe wie folgt abgerechnet:

KV Nr. 21101 (Auflassung) 0,5 aus dem Wert des Kaufvertrages (Kaufpreis), §§ 97, 47
KV Nr. 21100 (weitere Vereinbarungen/Änderungen bzgl. des Kaufvertrages), 2,0 aus dem Wert der Änderungen, §§ 97, 36 Abs. 1
(+ Vollzugs- und Betreuungsgebühr, Auslagen etc.)

Ich habe mich an RN 172 ff. im Streifzug (12. Auflage von 2017) orientiert... demnach ist in so einem Fall, wie unserem o.g., wohl nur die 0,5 Gebühr nach 21101 Nr. 2 abzurechnen (+ eben zusätzlich die Änderungen im Vertrag mit 2,0 nach 21100) weil es schon ein zugrunde liegendes Geschäft gibt (der KV mit den Erstkäufern) und dieses auch vom gleichen Notar beurkundet worden ist.

Evtl. hilft dir das weiter? :wink1
Liebe Grüße :wink1
Eli
Martin Filzek
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#5

27.03.2019, 16:10

Danke für die ergänzenden Hinweise, elena94, auf die Hinweise in Streifzug. Es besteht zwischen den berichteten Meinungen von Diehn in 5. Aufl. Notarkostenberechnungen (in dem Streifzug 12. Aufl. von 2017 ist bei Literatur noch die 4. Aufl. von Diehn aufgeführt, bei der wie gesagt auch dessen Meinung anders war) also ein Unterschied.
Ich hatte das nach meiner Erinnerung auch so bemerkt bei einem Gutachten für einen Berliner Notar vor über einem Jahr; derartige Fälle sind leider immer so kompliziert, dass man es danach auch bald wieder vergessen hat, wenn man nicht täglich mit diesen schwierigen Bewertungsfragen konfrontiert ist ... werde es für die Neufassung der Seminarskripten noch mal ansehen und ggf. aktualisieren.

Ergänzend zum Ganzen ist der Standpunkt von Diehn jetzt auch in dem weiteren Buch "Notarkosten" von 2018 (1. Aufl.) beschrieben bei Rn. 407 f.

Wie gesagt, müsste genau geguckt werden, inwieweit der vom Themenstarter so genannte "Vollzugsvertrag" mit dem übereinstimmt, was in dem Fall von elena94 enthalten war - die Möglichkeiten sind hier vielfältig und nur ein genauer Wortlaut und die dann (immer noch streitige) Einordnung der Gebührenfolgen kann man dann halbwegs sicher machen bzw. Vorschläge hierzu unterbreiten (am besten durch Gutachtenauftrag an mich, vgl. Notarkosten-Dienst-Angebot bei www.filzek.de; es ist natürlich arbeitsaufwändig möglichst alle materiell- und kostenrechtliche Literatur durchzusehen und das Beste oder Praktikabelste dazu dann vorzuschlagen).
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Martin Filzek
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#6

27.03.2019, 16:34

Streitig scheint auch zu sein, ob Auflassung und weitere Erklärungen in einer dreiseitigen Vereinbarung (oder späteren Vereinbarung Verkäufer / Vorkaufsrechsausübender) gegenstandsgleich oder gegenstandsverschieden sind, und auch, ob die Betreuungs- und Vollzugsgebühren, die beim ersten Vertrag schon entstanden sind, noch einmal beim zweiten Vertrag wieder berechnet werden können.
Alles superschwierige Fragen, die im Einzelfall untersucht werden müssten. :wink2
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Tweety313
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#7

27.03.2019, 19:31

Ich hatte es geahnt, dass ich ein ,Sahnestück‘ auf dem Tisch habe.

Vielen Dank für Eure Antworten. Werde mich nun dem Korintenberg widmen.

LG Tweety313
elena94
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#8

28.03.2019, 17:06

Danke für die Rückmeldung, Herr Filzek :wink1
Ich glaube, wir müssen uns mal eine neue Auflage vom Diehn zulegen. Wir haben hier eine veraltete Auflage (die 3., von 2014...). :roll: Habe mich daher dann auch an dem, was im Streifzug zu finden ist, orientiert.

Ich denke auch, dass man immer den genauen Einzelfall betrachten muss. Bei unserem Fall hier schien die Berechnung, wie ich sie letztlich vorgenommen habe, am "passendsten".

Auch bzgl. der Vollzugs- und Betreuungsgebühren muss man, denke ich, wirklich genau auf den Einzelfall schauen und ggfs. auch darauf, wie weit der Vollzug des Ursprungsvertrages denn überhaupt bereits durchgeführt wurde (ob die Gebühren dort also tatsächlich angefallen/abzurechnen sind).
In unserem Fall waren sie (denke ich), erneut abzurechnen, da auch wirklich erneut Vollzugs- und Betreuungstätigkeiten ausgeführt wurden - und dies noch dazu in anderer Weise, als für den Erstvertrag. Bspw. hatten wir schon alle für die Kaufpreisfälligkeit erforderlichen Unterlagen eingeholt und die Kaufpreisfälligkeit trat schließlich eben nur nicht ein, weil die Vorkaufsberechtigten dann ihr Vorkaufsrecht ausübten und keine LB erteilten. Für den neuen Vertrag mit allen drei Parteien musste dann nochmals etwas eingeholt werden, etc. und auch aufgrund der in der neuen Urkunde enthaltenen Vertragsänderungen, wurden nicht dieselben Vollzugs-/Betreuungstätigkeiten ausgeführt, wie bei dem ursprüglichen KV.

Daher schien es mir und meiner Kollegin in unserem Fall richtig, die Gebühren erneut abzurechnen.
Aber das ist wohl wirklich etwas, worüber man - auch je nach Einzelfall - streiten/diskutieren kann. :lol:
Liebe Grüße :wink1
Eli
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#9

29.03.2019, 17:08

Nach dem Wälzen der Kommentierung bin ich nun über Herrn Lappe "gestolpert":

Vorkaufsrechte haben in der Praxis eine große Bedeutung erlangt, zumal über das öffentliche Recht. Lässt der Verkäufer nach seiner Ausübung an den Vorkäufer auf, greift die Begünstigung des § 38 II 6a KostO (halbe Gebühr) nicht ein, weil "das zu Grunde liegende Rechtsgeschäft" noch nicht beurkundet ist, vielmehr fällt die doppelte Gebühr (§ 36 II KostO) an. Die gegenteilige Praxis beruht auf einer Entscheidung von 1957, die heutigen Verhältnisse tragen ihre teleologischen Reduktion nicht mehr, so dass die Ländernotarkasse Leipzig zum Gesetzeswortlaut zurückkehrt. (NJW 2004, Heft 8)

Ich bin demnach noch immer nicht schlauer und werde nunmehr meinen Chef fragen, welche Auffassung er teilt.

LG Tweety313
Tweety313
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#10

02.04.2019, 09:50

@ elena94: Hast Du zu dem zweiten Vertrag dann das Negativzeugnis eingeholt bzw. neu beantragt?

Liebe Grüße Tweety313
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