Gebühren eines Kaufvertrages "aufteilen"?

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crazyreno
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#1

16.08.2018, 12:54

Hallo Ihr Lieben,

ich habe hier praktisch einen identischen Fall wie diesen hier:

http://www.foreno.de/gnotkg-ab-01-08-20 ... 70856.html

In unserem Kaufvertrag tritt ebenfalls eine in Abt. II. eingetragene Berechtigte neben den KV-Parteien auf und bewilligt die Löschung von Rechten. Auch in unserem Fall ist eine getrennte Berechnung von 0,5 und 2,0 Gebühr günstiger. Nun stellt sich mir die Frage, wie die Anwendung hier in der Praxis abläuft. Da in unserem Fall die Kosten der Lastenfreimachung der Verkäufer trägt, müsste dieser dann doch auch die 0,5 Gebühr für die im KV abgegebene Löschungsbewilligung tragen? Erstelle ich hier tatsächlich zwei getrennte Gebührenrechnungen? Einmal die 2,0 Gebühr + Auslagen und MwSt. für den Käufer und dann eine weitere über die 0,5 Gebühr + Auslagen und MwSt. für den Verkäufer? Dürfen die Auslagen denn überhaupt 2 x anfallen? Ich gehe außerdem davon aus, dass der Wert für die Betreuungs- und Vollzugsgebühr nach dem Kaufpreis zu berechnen ist und nicht nach der Summe aus Kaufpreis + Wert der zu löschenden Rechte?

Für Hilfe wäre ich dankbar.

LG crazyreno
Martin Filzek
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Beruf: Fachbuchautor KostenO/GNotKG), freibeuflicher Dozent, früher Notariatsmitarbeiter bzw. -BV

#2

16.08.2018, 21:38

crazyreno hat geschrieben:Hallo Ihr Lieben,

ich habe hier praktisch einen identischen Fall wie diesen hier:

http://www.foreno.de/gnotkg-ab-01-08-20 ... 70856.html

In unserem Kaufvertrag tritt ebenfalls eine in Abt. II. eingetragene Berechtigte neben den KV-Parteien auf und bewilligt die Löschung von Rechten. Auch in unserem Fall ist eine getrennte Berechnung von 0,5 und 2,0 Gebühr günstiger. Nun stellt sich mir die Frage, wie die Anwendung hier in der Praxis abläuft. Da in unserem Fall die Kosten der Lastenfreimachung der Verkäufer trägt, müsste dieser dann doch auch die 0,5 Gebühr für die im KV abgegebene Löschungsbewilligung tragen? Erstelle ich hier tatsächlich zwei getrennte Gebührenrechnungen? Einmal die 2,0 Gebühr + Auslagen und MwSt. für den Käufer und dann eine weitere über die 0,5 Gebühr + Auslagen und MwSt. für den Verkäufer? Dürfen die Auslagen denn überhaupt 2 x anfallen? Ich gehe außerdem davon aus, dass der Wert für die Betreuungs- und Vollzugsgebühr nach dem Kaufpreis zu berechnen ist und nicht nach der Summe aus Kaufpreis + Wert der zu löschenden Rechte?

Für Hilfe wäre ich dankbar.

LG crazyreno
Mit diesen Fragen werden sehr schwierige und aus dem GNotKG nicht haargenau gesetzlich geregelte Fragen berührt. Schon in meinem Aufsatz "Nachfolgeregelungen zu § 44 KostO (Mehrere Erklärungen in einer Urkunde) im neuen GNotKG, zugleich Besprechung von BGH V ZB 77/12 in JurBüro 2013, 573, habe ich darauf hingewiesen, dass Fälle wie der vorliegende in der neuen Kommentarliteratur zu § 109 GNotKG unterschiedlich gesehen werden, wobei zunächst wohl nur Macht in Fackelmann / Heinemann GNotKG-Handkommentar für vorliegende Fälle Gegenstandsgleichheit von Kaufvertrag und Löschungserklärungen (auch Dritter zur Löschung in Abt. III und II) angenommen hat, während man mehrheitlich schon der Auffassung war, dass durch das Kriterium "unmittelbar dem Zwecke des anderen Rechtsverhältnisses dient" in § 109 Abs. 1 GNotKG dann nicht von Gegenstandsgleichheit ausgegangen werden könne, wenn damit zugleich andere Zwecke geregelt werden (hier z. B. das Verhältnis der Berechtigten in Abt. II und das Erlöschen deren dinglicher Rechte im Verhältnis zum Verkäufer).
Inzwischen hat sich die Meinungslage insoweit aber zugunsten der Annahme von Gegenstandsgleichheit geändert, z. B. haben früher Diehn und die Notarkasse München für Löschungserklärungen Dritter als Grundpfandgläubiger im Kaufvertrag schon Gegenstandsverschiedenheit angenommen, während dies jetzt mit Rücksicht auf den insoweit wohl eindeutigen Wortlaut i § 109 Abs. 1 S. 4 Nr. 2 GNotKG nicht mehr vertreten wird (z. B. Meinungsänderung insoweit bei Diehn in den letzten Auflagen von Diehn, Notarkostenberechnungen, 5. Aufl. 2017, und 1. Aufl. 2018 des anderen Werks Notarkosten). Auch die Notarkasse München vertritt in der 12. Aufl. 2017 bei Rn. 2297 eine Auffassung, die selbst für Löschungserklärungen von berechtigten Dritten eine analoge Anwendung, siehe Ende der Rnr. 2297 wo es heißt: "... Da die Aufzählung in § 109 Abs. 1 S. 4 beispielhaft und nicht abschließend ist, gelten die vorstehenden Grundsätzeauch für Lastenfreistellungserklärungen sonstiger in Abt. II des Grundbucheseingetragener Belastungen."

So habt Ihr also die Wahl, Euch zwischen diesen zwei Auffassungen zu entscheiden und entweder

- die Löschungserklärungen auch der Dritten für Rechte in Abt. II als gegenstandsgleich zum Kaufvertrag anzusehen und dafür nichts hinzuzurechnen

- der früher und noch immer verbreiteten Meinung zu folgen und sie als gegenstandsverschieden anzusehen. Dann ist nach §§ 35, 86 der Gesamtwert maßgebend für die Vollzugs- und Betreuungsgebührennach § 112 und § 113 Abs. 1, während für die Beurkundungsgebühren die Vergleichsberechnung nach § 94 I zu machen wäre und höchstwahrscheinlich die getrennten Gebühren billiger sind. Diese dann so separat zu berechnen wäre für die einzelnen Kostenschuldner dann kein Problem. Die Auslagenpauschale würde nicht doppelt entstehen, weil es ja nur ein Beurkundungsverfahren ist. Man könnte sie aber quotal aufteilen.

Persönlich halte ich die billige Lösung für gerechter und überzeugender, aber da ich ja dem Notarstand verbunden bin und niemand finanziell schädigen will halte ich auch die andere teurere Lösung für im Moment noch gut vertretbar.

Bitte beachtet auch meine Seminarangebote im Oktober und November 2018 wie oben unter Fortbildung und Weiterbildung eingestellt (kurzfristig auch auf eigener Interrnetseite), wo über solche und viele andere noch wichtigere Fragen, die für die Gebührenpraxis sehr bedeutsam sind, praxisnah berichtet wird unter Berücksichtigung neuer Rechtsprechung und Literatur. :wink2
Fragen zum GNotKG? http://www.filzek.de
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crazyreno
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#3

17.08.2018, 08:46

:wink1 Vielen lieben Dank :thx für die ausführliche Antwort. Nach Rücksprache mit meinem Chef gehen wir nun von "Gegenstandsgleichheit" aus, was das Büro auch nicht in den finanziellen Ruin treiben wird ;)

LG crazyreno
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