Entwurfsgebühr nach Abbruch

Für alle Fragen rund um Kosten - neues Recht ab 01.08.2013
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Okudera
Forenfachkraft
Beiträge: 179
Registriert: 05.02.2010, 15:11
Beruf: Notarassessor
Wohnort: Düsseldorf

#1

18.09.2017, 22:29

Leider ein Fall, der in der kostenrechtlichen Literatur nicht behandelt wird.

Ein einfacher Kaufvertrag über ein unbebautes Grundstück soll vorbereitet werden.
Der einfache Entwurf geht schnell raus.
Dann nimmt das Drama seinen Lauf:
Der Käufer will in aller Ausführlichkeit die im Grundbuch eingetragen Dienstbarkeiten erklärt haben.
Natürlich schriftlich. Wird gemacht. Kopien der Bestellungsurkunden werden besorgt und beigefügt.
Verkäufer meint der Vertrag sei falsch und müsse anders formuliert werden.
Langwierig wird der Vertrag erklärt. Verkäufer versteht es nicht und glaubt nicht, dass der Vertrag richtig ist.
Der Käufer finanziert über eine Privatperson, die mit tausend fragen kommt. Alles wird beantwortet.
Käufer hat nochmals Fragen zur Dienstbarkeit (will Rohre umlegen lassen). Hierzu wird er an die Berechtigte der Dienstbarkeit (Stadtwerke) verwiesen, da Notar nichts dazu sagen kann. Passt dem Käufer natürlich nicht.
Selbstverständlich wurden drei Beurkundungstermine reserviert und wieder abgesagt.
Ein weiterer Termin wird einen Tag vorher vom Käufer im Notariat abgesagt. Er sei dann zwei Wochen in Urlaub.
Er will nachgenehmigen, um den Termin für den Verkäufer nicht platzen zu lassen. Er wünscht, dass das Notariat den Verkäufer anruft, um den Sachverhalt mitzuteilen. Der geänderte Entwurf soll auch raus. Wird gemacht.
Dann beschwert sich der Verkäufer, dass er nicht kommen kann, da der Vertrag dann nicht wirksam wäre. Aha.
Dann beschwert sich der Käufer, weil es im Vertrag heißt, dass der Vertrag unwirksam ist, wenn auf Aufforderung des Verkäufers nicht innerhalb von 14 Tagen genehmigt wird (wir haben eine umfangreiche Belehrung zur vollmachtlosen Vertretung).
Er wirft dem Notar und den Mitarbeitern völlige Inkompetenz vor, da die Mail an den Verkäufer mit dem neuen Entwurf zu knapp formuliert sei und die zwei Wochen-Frist zur Nachgenehmigung zu kurz sei (hätte er richtig gelesen, hätte er es verstanden).
Verkäufer wirft dem Notar auch Inkompetenz vor, die in seinem Beruf nicht akzeptabel sei.

Der Notar antwortet auf die Angriffe sachlich und erklärt Sachverhalt und Rechtslage. Weist aber wegen des Vorwurfs der Inkompetenz darauf hin, dass auch ein anderer Notar den Vorgang weiter bearbeiten und beurkunden könne.
Ab dann hören wir von den Beteiligten nichts mehr.

Kann der Entwurf abgerechnet werden? Hätte der Notar darauf hinweisen müssen, dass er den Entwurf abrechnet, wenn anderweitig beurkundet wird?
Martin Filzek
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Beruf: Fachbuchautor KostenO/GNotKG), freibeuflicher Dozent, früher Notariatsmitarbeiter bzw. -BV

#2

19.09.2017, 10:48

Okudera hat geschrieben:Leider ein Fall, der in der kostenrechtlichen Literatur nicht behandelt wird.

Das würde ich auf die nachfolgend geschllderten Einzelheiten des sehr arbeitsaufwendig gewesenen Ablaufs der Vorbereitung der geplanten Beurkundung beziehen, die natürlich, da keine speziellen Einzelfälle in der Kommentarliteratur, damit diese nicht unendlich dick wird, nicht behandelt werden. Aber ich denke, alle relevanten Fragen sind in allen Kommentaren irgendwo schon behandelt, und die Tatsache, dass überdurchschnittlicher Vorbereitungsaufwand und mehrfach geänderte Entwürfe und viele Erklärungen und Terminsverlegungen angefallen sind, wird unter den Pauschalgebührengrundsatz fallen in dem von Werten bestimmten Gebührensystem.
Die Frage der entstandenen Entwurfsgebühr ist im GNotKG ja in KV 21302 - 21304 so geregelt, dass für den zur Vorbereitung der Beurkundung gefertigten Entwurf der Auftraggeber der Beurkundung Kostenschuldner wird (siehe z. B. Notarkasse München, S'treifzug durch das GNotKG, 12. Aufl. 2017, Rn. 727 ff.). Auch der andere Vertragspartner, der nicht zuerst den Notar mit dem Entwurf bzw. der Beurkundung beauftragt hat, wird gesamtschuldnerisch mit Kostenschuldner nach §§ 29 ff., wenn er Änderungswünsche zum Entwurf mitteilt bzw. sonst in konkludenter Weise dem Beurkundungsauftrag beitritt (vgl. meine Hinweise in eigenere Internetseite http://www.filzek.de unter Aktuelles vom September 2017, wo auf Entscheidung BGH zu der Frage der gesamtschuldnerischen Kostenhaftung hingewiesen wird = Entscheidung vom 19.01.2017 Az. V ZB 68/16 NotBZ 2017, 270, vgl. hierzu abl. Anm. Fackelmann ZNotP 2017, 162 sowie demnächst abl. Anm. / Aufsatz Filzek "Fragen der Kostenschldnerschaft bei vorzeitiger Beendigung des Beurkundungsverfahrens" in einem der nächsten Hefte NotBZ).


Ein einfacher Kaufvertrag über ein unbebautes Grundstück soll vorbereitet werden.
Der einfache Entwurf geht schnell raus.
Dann nimmt das Drama seinen Lauf:
Der Käufer will in aller Ausführlichkeit die im Grundbuch eingetragen Dienstbarkeiten erklärt haben.
Natürlich schriftlich. Wird gemacht. Kopien der Bestellungsurkunden werden besorgt und beigefügt.
Verkäufer meint der Vertrag sei falsch und müsse anders formuliert werden.
Langwierig wird der Vertrag erklärt. Verkäufer versteht es nicht und glaubt nicht, dass der Vertrag richtig ist.
Der Käufer finanziert über eine Privatperson, die mit tausend fragen kommt. Alles wird beantwortet.
Käufer hat nochmals Fragen zur Dienstbarkeit (will Rohre umlegen lassen). Hierzu wird er an die Berechtigte der Dienstbarkeit (Stadtwerke) verwiesen, da Notar nichts dazu sagen kann. Passt dem Käufer natürlich nicht.
Selbstverständlich wurden drei Beurkundungstermine reserviert und wieder abgesagt.
Ein weiterer Termin wird einen Tag vorher vom Käufer im Notariat abgesagt. Er sei dann zwei Wochen in Urlaub.
Er will nachgenehmigen, um den Termin für den Verkäufer nicht platzen zu lassen. Er wünscht, dass das Notariat den Verkäufer anruft, um den Sachverhalt mitzuteilen. Der geänderte Entwurf soll auch raus. Wird gemacht.
Dann beschwert sich der Verkäufer, dass er nicht kommen kann, da der Vertrag dann nicht wirksam wäre. Aha.
Dann beschwert sich der Käufer, weil es im Vertrag heißt, dass der Vertrag unwirksam ist, wenn auf Aufforderung des Verkäufers nicht innerhalb von 14 Tagen genehmigt wird (wir haben eine umfangreiche Belehrung zur vollmachtlosen Vertretung).
Er wirft dem Notar und den Mitarbeitern völlige Inkompetenz vor, da die Mail an den Verkäufer mit dem neuen Entwurf zu knapp formuliert sei und die zwei Wochen-Frist zur Nachgenehmigung zu kurz sei (hätte er richtig gelesen, hätte er es verstanden).
Verkäufer wirft dem Notar auch Inkompetenz vor, die in seinem Beruf nicht akzeptabel sei.

Der Notar antwortet auf die Angriffe sachlich und erklärt Sachverhalt und Rechtslage. Weist aber wegen des Vorwurfs der Inkompetenz darauf hin, dass auch ein anderer Notar den Vorgang weiter bearbeiten und beurkunden könne.
Ab dann hören wir von den Beteiligten nichts mehr.

Kann der Entwurf abgerechnet werden? Hätte der Notar darauf hinweisen müssen, dass er den Entwurf abrechnet, wenn anderweitig beurkundet wird?
Es ist m. E. keine Frage, dass der Entwurf natürlich abgerechnet werden kann nach KV 21302. Im geschilderten Fall dürften beide Parteien gesamtschuldnerisch dem Notar gegenüber haften. Was die Partei betrifft, die später zum übersandten Entwurf Änderungswünsche mitgeteilt hat, könnte nach einer - m. E. nicht überzeugenden - Meinung des OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.4.2017 I-10 W 28/17, war veröffentlicht in JurBüro 2017, 319, demnächst auch in NotBZ mit abl. Anm. bzw. Aufsatz Filzek, s. o. - ein kostenrechtlich wirksamer Auftrag des weiteren Kostenschuldners verneint werden, was es wegen dieser Unsicherheiten angeraten sein lässt, im Zweifel den ersten Kostenschuldner (d. h. den der zuerst den Vertragsentwurf bzw. Beurkundungsauftrag bestellt bzw. erteilt hat) in Anspruch zu nehmen, denn dem Notar gegenüber haften ja beide gesamtschuldnerisch. Ob im Einzelfall nun der eine oder andere Schuld ist an dem geplatzten Beurkundungstermin und zur Erstattung der Kosten im Innenverhältnis verpflichtet ist, können diese dann meiner Meinung nach unter sich ausfechten.

Bei der Frage ob der Notar auf die Kosten hätte hinweisen müssen: Zunächst beim ersten Auftrag natürlich nicht, weil ja anerkannt ist, dass das Entstehen vom Kosten beim Notar "normal" ist und erwartet werden kann, nur ausnahmsweise, wenn z. B. danach gefragt wird, ist der Notar zur Kostenauskunft verpflichtet.

Bei der späteren Frage, als der Notar nach Vorwürfen von Inkompetenz auch die anderweitige Beurkundung angeboten hat, hätte ein ganz vorsichtiger Notar vielleicht schon darauf hinweisen sollen, dass dies möglich ist, aber die Entwurfsgebühr bei ihm schon nach KV 21302 entstanden ist und bei einem anderen Notar dann noch einmal dieselbe Gebühr für die Beurkundung anfallen würde. Insofern wird man - falls sich einer oder beide Beteiligte gegen die Entwurfsgebühr "beschweren" keine Garantie haben, dass das Gericht nicht doch wegen angeblicher Verletzung der Belehrungspflicht über vermeidbare Mehrkosten einen Fall von § 21 GNotKG annimmt, aber das sollte man abwarten und erst mal die Gebühr berechnen, würde ich selbst empfehlen. Zu berücksichtigen ist ja der ungerechtfertigte Vorwurf von "Inkompetenz" trotz sorgfältigster und sehr aufwändiger Tätigkeit, und da sollte man dem Notar schon zubilligen, dass er den nochmaligen Hinweis auf solche vermeidbaren Mehrkosten vergisst bzw. davon ausgeht, dass solche Dinge für diejenigen, die seine Kompetenz bezweifeln, keine nennenswerte Rolle spielt.


Nächste Seminare, jeweils am Nachmittag halbtags, zum Notarkosten-Recht am 24.10. in Frankfurt a. M., 26.10. in Karlsruhe, 30.10. in Hannover, 10.11. in Berlin, 13.11. in Hamburg, 21.11. in Münster i. Westf., 22.11. in Essen und 24.11. in Bremen.
2,5-tägiges Intenswivseminar vom 16. - 18. Nov. 2017 in 25774 Lehe. Siehe http://www.filzek.de unter Seminare oder hier im Forum oben unter Fort- und Weiterbildung, Seminare.
Fragen zum GNotKG? http://www.filzek.de
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