Widerruf Vollmacht und neue Bevollmächtigung

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Silvi
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#1

01.08.2014, 15:27

Unser Mandant hat eine Vorsorgevollmacht gemacht, in welcher er drei Personen bevollmächtigt hat. Er möchte die Vollmacht hinsichtlich dieser drei Personen widerrufen und zwei neue Bevollmächtigte bestimmen.
Zuerst mal muss ich ja den Widerruf machen. Wenn ich in derselben Urkunde eine neue Vollmacht erteile, muss ich dann diese extra berechnet (also für Widerruf und Vollmacht 1,0 nach 21200 aus gesamten Vermögen) oder fallen dann nur einmal die Gebühren nach 21200 aus halben Wert des Vermögens an?
LG Silvi
Martin Filzek
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#2

01.08.2014, 17:48

Silvi hat geschrieben:Unser Mandant hat eine Vorsorgevollmacht gemacht, in welcher er drei Personen bevollmächtigt hat. Er möchte die Vollmacht hinsichtlich dieser drei Personen widerrufen und zwei neue Bevollmächtigte bestimmen.
Zuerst mal muss ich ja den Widerruf machen.

Das ist mir hier zu sicher vorausgesetzt. Anders als bei Verfügungen von Todes wegen, wo auch im Kostengesetz eine Privilegierung des vor einer neuen Verfügung gemachten Widerrufs angeordnet ist (siehe § 109 Abs. 2 Nr. 4 GNotKG), kann - bitte mich zu verbessern, wenn es im materiellen Recht doch anders geregelt sein sollte - die erteilte Vollmacht durch einfache Erklärung den Bevollmächtigten gegenüber formlos widerrufen werden und die erteilte Ausfertigung vom Vollmachtgeber zurück verlangt werden. Wenn der Mandant dies bereits getan hat, wäre es doch möglich, die früher erteilte und widerrufene Vollmacht in der neuen Vollmachtsurkunde für die 2 neuen Bevollmächtigten entweder gar nicht zu erwähnen oder nur als historisch berichtende / deklaratorische Vorbemerkung zu erwähnen, die dann keine gesonderte Bewertung erfährt.
Muss allerdings natürlich im Einzelfall geprüft und entschieden werden: wenn es natürlich so ist, dass der Mandant unbeholfen ist und den Notar um den Entwurf oder die Beurkundung des Widerrufs bittet, wird man den Auftrag zum Entwurf oder zur Beurkundung insoweit natürlich annehmen können. Wert wäre dann der Wert im Zeitpunkt des Widerrufs ("Restwert" der Vollmacht), vgl. Fackelmannn in Fackelmann/Heinemann, Rn. 55; Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt, § 98 Rn. 47, der in Rn. 49 zugleich darauf hinweist, dass der Notar, wenn er beauftragt wird, den Zugang des Widerrufs beim Bevollmächtigten zu bewirken und eine diesem erteilte Ausfertigung zurückzuführen, zusätzlich Betreuungstätigkeit nach Nr. 22200 Nr. 5 KV vorliegt.


Wenn ich in derselben Urkunde eine neue Vollmacht erteile, muss ich dann diese extra berechnet (also für Widerruf und Vollmacht 1,0 nach 21200 aus gesamten Vermögen) oder fallen dann nur einmal die Gebühren nach 21200 aus halben Wert des Vermögens an?
Auf jeden Fall kostet die Beurkundung einer neuen Vollmacht für die zwei neuen Bevollmächtigten die genannte Gebühr aus dem Wert, der für die Vollmacht im Einzelfall nach § 98 festgestellt werden muss. Der von dir genannte halbe Wert des (Aktiv-)Vermögens wäre dabei nur der Höchstwert, zusätzlich evtl. begrenzt durch den Höchstwert § 98 allgemein von 1.000.000 Euro. Der Wert für eine Generalvollmacht wird schon der halbe Wert des Aktivvermögens sein, er ist aber nach § 98 III GNotKG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Abschläge vom Wert sind insbesondere wegen des Vorsorgecharakters von Vorsorgevollmachten nach überwiegender Meinung anerkannt (vgl. z. B. Notarkasse München, Streifzug durch das GNotKG, 10. Aufl. 2013, Rn. 2419 f.; Renner, NotBZ 2014, 11 ff., 16, wo 20 - 50 % als Abschlag genannt sind).

Sollte es im Einzelfall so sein, dass auch die Widerrufserklärungen mit entworfen bzw. beurkundet werden sollten, wären der Widerruf und die Neuerteilung sicher gegenstandsverschieden i.S.v. § 35 I, 86 II GNotKG, da die genannte Spezialregelung in § 109 II ja nur für Verfügungen von Todes wegen (bei Widerruf und Neuverfügung) gilt. In diesem Fall würde ich persönlich aber durch eine höhere Berücksichtigung von Abschlagsmöglichkeiten den Wert insgesamt auch bei nicht viel mehr als dem halben (Aktiv-)Vermögenswert belassen und nicht durch Addition von 2 x Maximalwert halber Aktivvermögenswert das volle Aktivvermögen zusammenrechnen.

Es wird immer sehr viel über die streitige Frage der möglichen Abschläge vom Vollmachtswert bei Vorsorgevollmachten geschrieben. Größere praktische Bedeutung hat nach meinem Eindruck die Frage, dass die meisten verkennen, dass eigentlich auszugehen ist vom Aktivvermögen und wahrscheinlich mehr als die Hälfte der Mandanten, befragt nach ihrem "Vermögen" ohnehin nur den Reinwert (der nur bei Verfügungen von Todes wegen oder Eheverträgen maßgeblich wäre) "verraten", so dass eine gezielte Befragung nach den Aktivvermögenswerten hier den Notaren manchmal mehr hilft als die ganze Abschlags-Diskussion.
Fragen zum GNotKG? http://www.filzek.de
Silvi
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#3

04.08.2014, 08:44

:thx
LG Silvi
salkavalka
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#4

20.11.2019, 13:22

Ich hänge mich hier mal dran und oute mich gleichzeitig. Ich bin Notarkostenprüferin. Als solche stelle ich in letzter Zeit fest, dass Fälle wie der oben beschriebene (Vorsorgevollmacht mit gleichzeitigem Widerruf einer "alten" Vorsorgevollmacht) vermehrt auftreten.
Was dahintersteckt kann ich meist nur erahnen, teilweise scheint es vorsorglich zur Klarstellung mit aufgenommen worden zu sein und wird auch nicht berechnet. Möglicherweise ist der Widerruf auch für die Meldung beim Vorsorgeregister sinnvoll ????
Eine Belehrung darüber, dass er Widerruf den bisherigen Bevollmächtigten mitgeteilt werden muss, ist in der Regel weder in der Urkunde noch in der Handakte ersichtlich; mag auch daran liegen, dass den vorherigen Bevollmächtigten noch nie eine Ausfertigung gegeben wurde.
In meinem Bezirk bestehen keine Bedenken, Vorsorgevollmachten mit dem Maximalwert ohne Abschläge abzurechnen. Danach müsste dann aber auch der Widerruf abgerechnet werden, denn ein richtiger Grund, weshalb hier Abschläge gemacht werden sollten, fällt mir nicht ein.Zumal ich ja auch die widerrufene Vollmacht nicht kenne, also nicht weiß, ist jetzt nur ein neuer Bevollmächtigter hinzugekommen oder wurde die alte Vollmacht erweitert …
Im Ergebnis vom vollen Vermögenswert für Widerruf und Neuvollmacht kommt mir aber auch unbillig vor, gerade dann, wenn ich vermute, dass die bisherigen Bevollmächtigten nie im Besitz der Vollmacht waren und selber auch keine Ausfertigung beantragen durften und der Widerruf m.E. eher der Klarstellung dient.
Ferner sind einige Notariate in meinem Bezirk dazu übergegangen, bei Neuerstellung einer Patientenverfügung vorsorglich auch den Widerruf der alten Patientenverfügung mit zu beurkunden. Hier neige ich derzeit dazu, den Widerruf als deklaratorisch anzusehen und nicht zu bewerten.
Literatur und Rechtsprechung behandeln diese Themen soweit ersichtlich nicht, für Meinungen bin ich dankbar.
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