Kaufvertrag mit Bestellung Wohnungsrecht zugunsten Verkäufer

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JB86
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#1

22.05.2020, 15:03

Hallo :wink1

Wenn wir einen Kaufvertrag haben (Kaufpreis 225.000,00 €) in dem auch ein Wohnungsrecht zu Gunsten des Verkäufers und seines Lebensgefährten für die Dauer von 10 Jahren bestellt wird, bekomme ich dann zwei Beurkundungsgebühren? Einmal die 21100 nach dem Wert 225.000,00 € und die 21201 für die Bestellung des Wohnungsrechts extra?

Wenn ja, wie berechne ich den Wert des Wohnungsrechts nach § 52? Verkäufer ist 54 Jahre alt, Lebensgefährte 58 (sollte aber nicht relevant sein, da nicht auf die Lebensdauer beschränkt). Nehme ich jetzt 10 x den Jahreswert des Wohnungsrechts (6.000,00 € laut Kaufvertrag) = 60.000,00 €?

Die Vollzugsgebühr und Betreuungsgebühr dann aus dem Gesamtwert von 285.000,00 €?

Kann ich das so machen? :kopfkratz
Bitte um Verständnis für "blöde" Fragen, bin unfreiwillige Notariatsanfängerin :oops:
Martin Filzek
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#2

22.05.2020, 19:56

Zum Teil kannst du das so machen wie von dir vermutet. Nur ist natürlich Quatsch, dass zwei separate Beurkundungsgebühern für einerseits Kaufvertrag und andererseits Wohnrechtbestellung entstehen. Siehe §§ 35, 86 zur grundsätzlichen Wertaddition innerhalb einer Urkunde. Vielmehr ist es so, dass wir einen Kaufvertrag haben mit einem nominellen (Teil-) Kaufpreis von 225.000 Euro und eine zusätzliche Leistung (i.S. von § 47 S. 2 GNotKG) neben dem (Bar-) Kaufpreis durch das zugunsten Verkäufer bestellte Wohnungsrecht von hier 10 x 6.000 Euro Wert nach § 52, das zum Wert von 225.000 Euro hinzu addiert werden muss, um so die Summe der Gegenleistungen des Erwerbers zu bekommen, aus dem dann die 2,0-Vertragsgebühr KV 21100 entsteht. Die Grundbuchbewilligung des Wohnungsrechts ist nur gegenstandsgleiche (§ 109) Durchführungserklärung, wie auch die Auflassung / Bewilligung Eigentumsvormerkung / ZV.-Unterwerfung usw.
Sollte aber der Verkehrswert § 46 des Kaufobjekts höher sein als die Summe von 285.000 Euro (was wohl unwahscheinlich ist, es sei denn, es handelt sich um einen Freundschaftspreis, ggf. überprüfen), dann wäre nach § 47 S. 3 (ähnliche Regelung wie allgemein für alle Austauschverträge nach § 97 III) der höhere Wert der Geschäftswert für die Beurkundungsgebühr, als auch für die Vollzugs- und Betreuungsgebühren (§§ 112, 113) natürlich.
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JB86
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#3

25.05.2020, 10:17

Hallo Herr Filzek,

ich habe hier das Buch von Thomas Diehn, Notarkostenberechnungen, 5. Auflage vorliegen. Habe da wohl was mit der Bestellung einer Grunddienstbarkeit zugunsten des Käufers verwechselt. Dort werden nämlich zwei Beurkundungsgebühren berechnet. Hier haben wir ja eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit, da haben Sie natürlich Recht! Komme mit den ganzen Ausdrücken manchmal noch ein wenig durcheinander :kopfkratz
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Martin Filzek
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#4

25.05.2020, 10:36

Dass ich Recht habe hat hier nichts damit zu tun, dass es an einem Unterschied zwischen Grunddienstbarkeit oder beschränkter persönlicher Dienstbarkeit liegen könnte (diese Frage spielt nur eine Rolle bei Einordnung nach § 110 Nr. 2 b als verschiedener Gegenstand).
Grundsätzlich kann natürlich immer, wenn in einer Urkunde mehrere Gebühren mit verschiedenen Gebührensätzen entstehen, möglich sein, dass es zu gesonderten Gebühren kommt. Das liegt dann aber an § 94 Abs. 1 GNotKG, wo die Vergleichsberechnung vorgeschrieben ist: höchster Gebührensatz aus Summe aller gegenstandsverschiedenen Erklärungen verglichen mit den Einzelgebühren aus den jeweiligen Werten. Was zu dem geringeren Kostenergebnis führt, wäre dann zu berechnen. Das können oft separate Gebühren aus Einzelwerten sein.

In dem Fragefall geht es aber darum, dass jemand mehrere Gegenleistungen erbringt, um vom Verkäufer ein Grundstück zu erhalten. Da gilt dann § 47, dessen drei Sätze ich dich bitten muss zehn mal durchzulesen und auswendig zu lernen. Alle Gegenleistungen werden ja in einem Vertrag vereinbart (so gesehen haben wir auch nur ein Rechtsverhältnis mit einem entspr. hohen Wert und keine zwei verschiedenen Beurkundungsverfahrensgegenstände wie wohl von dir vermutet), und so fallen alle Gegenleistungen auch unter die 2,0-Gebühr für vertragliche Erklärungen. Die Summe aller Gegenleistungen ("Bar-"Kaufpreis plus Wohnrecht dürfte so viel wert sein wie der Verkehrswert des Grundstücks, andernfalls wäre der evtl. höhere Grundstückswert nach § 47 S. 3 bzw. § 97 III maßgeblich für die 2,0-Gebühr).
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#5

25.05.2020, 10:52

Achso :patsch

Aber, dass die Verkäuferin für das Wohnungsrecht eine monatliche Miete von 500,00 € zahlt ändert auch nichts mehr oder? Hatte gedacht, dass es nicht direkt als Gegenleistung angesehen werden kann wenn dafür separat noch Miete gezahlt wird.
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Martin Filzek
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#6

25.05.2020, 12:26

Das ändert natürlich viel und es ist so auch bisher nicht aus dem ursprünglichen Fragebeitrag ersichtlich gewesen.

Wenn der Verkäufer für das Wohnrecht monatlich 500 Euro zahlt, wird es wohl ein zusätzliches weiteres Rechtsgeschäft neben dem Kaufvertrag sein. Die Werte von Kaufvertrag mit dem Kaufpreis und Wohnrechtbestellung sind zu addieren (§§ 35, 86) und da ja auch das Wohnrecht vertraglich vereinbart ist (mit Verpflichtung, die 500 Euro zu zahlen) ist für beide Erklärungen der gleiche Gebührensatz von 2,0 anzuwenden, so dass es einer Vergleichsberechnung nach § 94 I nicht bedarf. Im Ergebnis der Gebühren bleibt alles gleich wie vorher beschrieben für den Fall, dass es eine Gegenleistung gewesen wäre. Auch die Vollzugs- nd Betreuungsgebühren haben nach §§ 112, 113 I denselben zusammengerechneten Gesamtwert.

Der Frageverlauf belegt, dass es wesentlich besser ist, den vollständigen anonymisierten Wortlaut von zu bewertenden Urkunden vor sich zu haben, anstatt ausschnittsweise Schilderungen, bei denen dann ungewollt wichtige Dinge doch nicht enthalten sind und so u. U. zu unrichtigen Antworten führen könnten. Vgl. auch Notarkosten-Dienst-Angebot bei www.filzek.de sowie neue Seminartermine Halbtagsseminare Notarkostenschau kompakt
23. Juni 2020 Hamburg
19. Okt. 2020 Hannover
21. Okt. 2020 Frankfurt a. M.
4. Nov. 2020 Berlin
18. Nov. 2020 Bremen
19. Nov. 2020 Essen
jeweils 13 - 17.15 Uhr
auch in o.a. Rubrik Fort- und Weiterbildung. :wink2
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#7

25.05.2020, 12:35

Martin Filzek hat geschrieben:
25.05.2020, 12:26
Das ändert natürlich viel und es ist so auch bisher nicht aus dem ursprünglichen Fragebeitrag ersichtlich gewesen.
Ja, sorry! Mein Fehler. :pfeif Aber jetzt verstehe ich - hoffe ich :nachdenk

Vielen Dank für die ausführliche Erklärung! :wink1
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#8

30.08.2023, 14:52

Hallo an Alle. Ich habe hierzu auch eine Frage zur Abrechnung unserer RA-Gebühren.
- Es wurde ein Kaufvertrag mit Wohnungsrecht zugunsten Verkäufer abgeschlossen
- Wert des Wohnungsrechts wurde mit Jahreswert 7000 € angegeben
- Wohnungsrecht auf Lebensdauer
- das Wohnungsrecht ist unentgeltlich

Wir haben an der Vertragsgestaltung mitgewirkt. Kann ich zzgl zum Kaufpreis für das Wohnungsrecht den GW erhöhen? Nehme ich hierfür § 52 GNotKG zur Berechnung des Gegenstandswertes?

Danke für eure Rückmeldungen vorab.
Martin Filzek
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#9

30.08.2023, 17:29

Soviel ich weiß, verweist das RVG ja an einer bestimmten Stelle (§ 23 Abs. 3) auf die Geschäftswertregelungen im GNotKG, wobei es dort heißt:

Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gelten in anderen Angelegenheiten für den Geenstandswert die Bewertungsorschriften des Gerichts- und Notarkostengesetzes und die §§ 37, 38, 42 bis 45 sowie 99 bis 102 des GNotKG entsprechend. ..."


Bewertungsvorschrift im GNotKG für Austauschverträge ist § 97 Abs. 3 GNotKG, wonach bei solchen nur die höhere (Austausch-)Leistung den Wert bildet, somit für die Notarkosten keine Addition verschiedener Gegenleistungen stattfindet. Ich denke, das wird dann für den Rechtsanwalt - der z. B. beraten oder Vertragsentwurf gefertigt hat - auch gelten. Andererseits ist "komisch, dass danach dann nur bestimmte §§ des GNotKG noch einmal im obigen Gesetzeswortlaut RVG genannt sind, bei denen § 97 dann nicht "dabei" ist.

Dennoch scheint mir überzeugend, die zuerst genannten "Bewertungsvorschriften des GNotKG" so zu verstehen, dass damit alle Bewertungsvorschriften, auch die zur Regelung was gegenstandsgleich oder -verschieden ist (§§ 35, 86, 109 - 111 GNotKG) gemeint sind, so dass eine Hinzurechnung der Gegenleistung Wohnrecht dann ausscheiden würde.

Da ich aber kein RVG-Experte bin und in den wenigen hier vorhandenen Kommentaren auf die Schnelle nichts Eindeutiges gefunden habe, vielleicht weitere Meinungen Klügerer hierzu abwarten. Sehe der weiteren Diskussion auch mit Interesse entgegen.

Aber wahrscheinlich bin ich viel zu vorsichtig: Wenn die Gegenleistung noch hinzu addiert werden könnte zum Verkehrswert, müsste ja sonst auch bei Entwurf zu einem Kaufvertrag sowohl Grundstückswert (in der Regel Kaufpreis = Verkehrswert) und dann noch mal die Gegenleistung selbst, also der Kaufpreis, also im Ergebnis "doppelter Wert" den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit bilden, ein Ergebnis das niemanden überzeugen wird.
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