Pfändbare Anteile an Masse ohne Eigenantrag

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chitta1981
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#1

22.05.2019, 12:18

Hallo liebe Kolleginnen und Kollegen,

über das Vermögen des Schuldners wurde am 21.12.2017 das Insolvenzverfahren eröffnet. Vorangegangen war ein Fremdantrag des Finanzamtes vom 04.01.2017, ein Eigenantrag wurde nicht gestellt, daher wird der Schuldner auch keine Restschuldbefreiung erlangen und nicht in die Wohlverhaltensphase gehen. Schuldner war ehemals selbständig, Betrieb war aber bereits bei Antragstellung durch das Finanzamt nicht mehr vorhanden, sondern der Schuldner war da bereits abhängig beschäftigt.

Der Schuldner legte seine Gehaltsnachweise (wenn überhaupt) stets verspätet vor, so auch schon vor Eröffnung des Verfahrens und darüber hinaus. Jetzt ist rausgekommen, dass für die Monate 11/17, 12/17 und 01/18 pfändbare Einkommens-Anteile noch an einen Gläubiger gegangen sind und nicht an die Masse (erst ab Abrechnungsmonat 02/18) bzw. hier liegt jetzt der Punkt welchen wir gerade diskutieren, nämlich wenn es keinen Eigenantrag gibt, hat der Schuldner ja eigentlich auch seine pfändbaren Einkommensanteile nicht an die Insolvenzmasse abgetreten, weshalb nun fraglich ist, ob man ein Druckmittel hat, dass der Gläubiger die zu Unrecht vereinnahmten pfändbaren Anteile an die Insolvenzmasse rausrückt, wenn diese der Insolvenzmasse eigentlich gar nicht zustehen würden.

Ich hab die Akte erst Anfang des Jahres übernommen, die die sie vorher bearbeitet hat, hatte offensichtlich (laut Erzählungen) keine Ahnung. Mein Chef ist bei den Privatinsolvenzen auch überhaupt nicht drin, weshalb ich mich nun mit den Altlasten rumschlagen darf.

Vielleicht kann mir jemand sagen, ob es sich nun lohnt hier „ein Fass aufzumachen“, es geht immerhin um ca. 1.400,00 € oder ist das ohnehin aussichtslos? Oder habe ich bei der ganzen Angelegenheiten evtl. einen Denkfehler?

Für Meinungen und Tipps bin ich dankbar.

Vielen Dank im Voraus, LG Carmen
Tanja Igel
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#2

22.05.2019, 12:39

Moin,

im eröffneten Insolvenzverfahren stehen die pfändbaren Lohnanteile der Masse nicht aufgrund der Abtretung zu (die würde erst in der Wohlverhaltensphase greifen), sondern aufgrund §§ 35, 36 InsO.
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mücki
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#3

23.05.2019, 10:07

Grundlage dürfte hier zudem § 80 InsO sein: Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen auf den Insolvenzverwalter.

Wenn der Schuldner also über Massegegenstände verfügt hat, sind diese Verfügungen unwirksam, sodass das Geld vom Gläubiger zurück gefordert werden kann.

ABER mit seinem pfändungsfreien Vermögen kann der Schuldner tun und lassen was er möchte. Es wäre also an euch nachzuweisen, dass die Zahlungen nicht aus dem pfändungsfreien Vermögen des Schuldners getätigt worden sind, sonst macht ihr euch ggf. schadenersatzpflichtig (§ 60 InsO).

Warum habt ihr denn den AG nicht über die IE informiert und von diesem direkt die Abführung der pfändbaren Beträge gefordert?
Dumme Gedanken hat jeder, nur der Weise verschweigt sie. Wilhelm Busch
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