minimale Insolvenzforderung

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sternchen160983
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#1

14.09.2016, 15:02

Hallo zusammen,

ich muss mich jetzt mal aufregen und hoffe, ihr nehmt mir das nicht übel.

Ich habe hier eine Schuldnerin, die wegen eines Gesamtbetrages von lediglich 7.500,00 € die Insolvenz beantragt hat. Das häuft sich bei uns so dermaßen, dass es mich aufregt. Ich habe jetzt mal recherchieren wollen, ob ich einen Versagungsgrund finden kann aber eine m. E. zu geringe Insolvenzforderung reicht ja leider nicht...

Diese geringen Beträge (ich hatte auch schon 3.500,00 €) sind doch kein Grund für eine Insolvenz!!! Das sind nichtmal die Preise, die man heutzutage für ein gutes gebrauchtes Auto zu zahlen hat (und bei uns in der Ecke braucht man ein Auto). Das zahlen sie doch auch ab.

Ich habe so den Eindruck, dass die Insolvenz n bissl zur "Leck mich am Arsch"-Mentalität der deutschen Schuldner beiträgt. Ich mach mal Schulden, wenn es dann noch n bissl mehr ist, geh ich eben in die Insolvenz.

Während der Wohlverhaltensphase laufen dann aber schon wieder neue Forderungen auf (hab ich auch bei einem Schuldner, der in diesem Frühjahr die Restschuldbefreiung erlangt hat, den hatte ich vor drei Wochen mit einer neuen Forderung wieder auf dem Tisch). Und wenn dann die 10 Jahre rum sind, ist der neue Berg auch schon wieder groß genug, um die Insolvenz beantragen zu können. Daran, dass sie nicht viel Bargeld haben, haben sie sich ja mittlerweile gewöhnt und was die Luxisgegenstände anbelangt, kauft man die eben auf Ratenzahlung, zahlt nicht und später kommt dann die Restschuldbefreiung.

Arbeiten gehen tut man schon deshalb nicht, damit das nächste Insolvenzverfahren dann auch mit relativ geringen Forderungen durchgeht... Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass sich groß darum gekümmert wird, dass die Schuldner Ihrer Verpflichtung, sich einen Job zu suchen, auch tatsächlich nachkommen? Es fängt mit Hartz an und hört mit Hartz auf. :-?

Ich weiß, dass man nicht alle Schuldner über einen Kamm scheren kann und soll, das will ich auch gar nicht tun aber mich interessiert doch, ob ich mit meiner Meinung alleine stehe.

Ich wäre dafür, dass es einen Mindestbetrag für die Insolvenz gibt. Ich denke, dann würden es sich auch die Bedürftigen dreimal überlegen, ob sie wirklich soooo viele Schulden haben wollen...

Sorry, das musste jetzt grad mal raus :roll:
Pitt
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#2

14.09.2016, 15:35

:wut Ich kann verstehen, dass der Frust auch mal raus muss.
Wie Du schon richtig einräumst, kann man nicht alle Schuldner über einen Kamm scheren. Nach meinem Eindruck hat die Zahlungsmoral in den letzten Jahren generell abgenommen. Früher zahlten viele Schuldner spätestens nach Zustellung des Mahnbescheides, inzwischen ist vielen Schuldnern auch der Besuch vom Gerichtsvollzieher egal und es wird einfach die Vermögensauskunft abgegeben oder Insolvenzantrag gestellt. Meiner Meinung nach liegt der Grund aber auch darin, dass die Wirtschaft im Gegensatz zu früher auch bereitwillig Kredite vergibt und die Menschen animiert, einzukaufen, was das Zeug hält. Beispiel Handy: Man bekommt von seinem Telefonanbieter immer wieder Angebote und auch wenn man sagt, dass der Vertrag so in Ordnung ist und das Handy funktioniert, rufen einen die Callcenter-Leute immer wieder an. Man kann doch nicht mit einem 3 Jahre alten Handy rumlaufen, wenn doch schon längst das neue Modell auf dem Markt ist. Die Elektromärkte und Versandhäuser werben mit Null-Prozent-Finanzierung und mehrmonatigen Zahlpausen. Das in Kombination mit einem durch Schule/Elternhaus mangelhaft vermittelten Wissen rund ums Thema Wirtschaft und Finanzen führt dann über kurz oder lang bei vielen Leuten in die Schuldenfalle. Ich frage mich, wieso es nicht möglich ist, dass Schulabgänger nach 10 Jahren wissen, wie man eine Überweisung ausfüllt.
Ich denke, dass viele Schuldner auch nicht realisieren, welche Auswirkungen eine abgegebene Vermögensauskunft bzw. ein Insolvenzverfahren bei ihrem Schufa-Eintrag hat und was das alles nach sich zieht.
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icerose
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#3

14.09.2016, 15:47

reg dich ruhig auf - bzw. hier wieder ab, sternchen ;)
Leider kann ich nur bestätigen, dass die Zahlungsmoral der Schuldner (aber bitte nicht nur Deutsche) gesunken ist. Selbst Gehalts- oder Lohn- und Kontopfändungen interessieren nicht bzw. nur selten - zumindest erlebe ich das hier in Berlin mit meinen Mietschuldnern so. :schock
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#4

15.09.2016, 01:17

Gebe dir Recht, immer ärgerlich sowas. Vielleicht hast du Glück und es wird nicht eröffnet oder es gibt keine Restschuldbefreiung. Ein Grund könnte sein: Sie ist innerhalb von 3 Jahren vor dem Antrag unangemessene Verbindlichkeiten eingegangen oder hat ihr Vermögen verschwendet oder (grade neulich gefunden) – Nichtangabe eines Gläubigers bei 12 Gläubigern. Der Schuldner behauptete, dass die Forderung eines Gläubigers in der Forderung eines anderen Gläubigers enthalten war. Das Gericht hielt dies für grob fahrlässig, weil Schuldner bei dieser geringen Gläubigeranzahl noch Übersicht über ihre Gläubiger haben müssten (LG Stuttgart NZI 2003, 42) oder – Nichtangabe einer Sicherungsabtretung der Gehaltsansprüche (AG Hamburg NZI 2001, 46). Versucht habe ich derartiges allerdings noch nie
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Kanzleihund
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#5

15.09.2016, 10:27

Dann reg' ich mich auch gleich mal mit auf: nämlich über die Gläubiger. Wenn diese wirklich denken, dem Schuldner muss wegen der Verletzung seiner Erwerbsobliegenheiten mal ein Riegel vorgeschoben werden, dann können Sie doch -auch noch in der Wohlverhaltensphase- einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen. Meist genügt es dafür, auf die Berichte des Insolvenzverwalters / Treuhänders Bezug zu nehmen. Aber was tun die Gläubiger? Nix! Da sind dem Insolvenzverwalter und dann Insolvenzgericht die Hände gebunden.

Was die Höhe der Forderung angeht. Klar ist eine derartige Forderung vielleicht kein Grund, einen Insolvenzantrag zu stellen. Aber alle Schuldner kann man nicht über den Kamm scheren. Es gibt Gläubiger, die wollen sich einfach nicht außergerichtlich einigen. Es gibt Menschen (Alleinerziehende; Rentner), die können eine solche Summe niemals abtragen. Und nicht alle Forderungen, welche man als Insolvenzverwalter sieht, sind Konsumschulden. Häufige Gründe für eine Insolvenz sind auch Scheidung oder Krankheit.

Naja warum aufregen, macht nur noch mehr graue Haare. Genießt lieber das schöne Sommerwetter 80 +193
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#6

20.09.2016, 11:27

@ Kanzleihund, das ist mal ein mir auch durchaus einleuchtender Gedanke, auf den ich bislang noch nicht gekommen bin :nachdenk .

Wie oft werden den diese Berichte erstellt? Kommt es oft vor, dass die Schuldner nicht mitarbeiten oder ist das bei euch eher selten? Ich würde mir dann die Berichte kurz vor Ablauf der Wohlverhaltensphase beim Gericht anfordern, denke ich. Wird das noch ausreichend sein?

Soooo viele Fragen... Danke schonmal :thx
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Kanzleihund
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#7

20.09.2016, 14:47

Die Berichtspflichten sind im Gesetz nicht geregelt und werden durch das Insolvenzgericht konkretisiert. Da haben die Gerichte dann auch gleich unterschiedliche Vorgehensweise. 99 Prozent der dt. Insolvenzgerichte bestimmen aber, dass im eröffneten Insolvenzverfahren aller 6 Monate (beginnend mit der ersten Gläubigerversammlung oder der entsprechenden Frist im schriftl. Verfahren) und in der Wohlverhaltensphase einmal jährlich zu berichten ist. Im Schlussbericht, den ich für das eröffnete Verfahren als maßgeblich ansehen würde, ist das gesamte Verfahren auch noch mal zusammengefasst.

Für Verfehlungen innerhalb des eröffneten Verfahrens ist der Versagungsantrag spätestens im Schlusstermin zu stellen. Danach sind diese Unterlassungen geheilt.

Es wird häufiger, dass Schuldner nicht mitarbeiten. Neben Disziplinierungsmöglichkeiten nach § 98 InsO kann das Gericht, so denn eine Verfahrenskostenstundung gewährt wurde, diese aufheben. Blöd nur, wenn die Verfahrenskosten gedeckt sind oder niemals gestundet wurden. Dann braucht es wirklich der aktiven Mitwirkung des Gläubigers.

Praxistip: Wenn der Insolvenzverwalter auf seiner Homepage über ein Gläubigerinformationssystem verfügt, kann man sich die Berichte ganz einfach und kostenlos online "runterladen".
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#8

01.10.2016, 21:12

Hi kanzleihund, bei den 99 prozent bin ich nicht sicher. Kann aus dem stehgreif gleich 3 insogerichte nenen die 12 monatsberichtsfristen standardmaessig verfuegen. Ansonsten stimme ich 200 pro zu :-)
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#9

08.11.2016, 10:35

So, aufgrund des lieben Hinweises :thx :thx :thx, gucken wir jetzt immer nach den Berichten und nun habe ich tatsächlich die erste Sache, in der ich heute den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung beim Insolvenzgericht stellen werde.

Ich muss jetzt aber trotzdem nochmal kurz für die Doofen :vogel fragen...
Wennn die Restschuldbefreiung tatsächlich versagt wird, dann gilt das für alle Gläubiger oder? Egal, ob die Forderung angemeldet wurde oder nicht, egal, ob ein eigener Versagungsantrag gestellt worden ist oder nicht?

Sorry vorab für die blöde Frage :pfeif und vielen Dank
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#10

08.11.2016, 10:59

ich finde, das ist eine richtig gute Frage. Ich denke, so wie die Restschuldbefreiung gegen alle Gläubiger (ob bekannt oder unbekannt) wirkt, dürfte es im Umkehrschluss mit der Versagung der Restschuldbefreiung genaus sein.
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