Insofrage mit unerlaubter Handlung und juristischer Person

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PostGretel
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#1

05.07.2013, 15:28

Liebe KollegInnen,

ich brauche mal Eure Erfahrung mit der Anmeldung einer Forderung auch aus vorsätzlich begangener unerlaubten Handlungen im Insoverfahren. Und zwar geht es um Fälle, in denen der Schuldner eine juristische Person ist.

Meine Anmeldung lautete am Anfang so:

"Nach Einschätzung der Gläubigerin handelt es sich bei allen angemeldeten Forderun¬gen um Forderungen auch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung durch die XYZ GmbH & Co. KG und/oder der ABC GmbH als Komplementärin und/oder deren Geschäftsführerin/der Kommanditistin Trulla Doof, und zwar aus nachstehenden Gründen: …"

Antwort des Insoverwalters (ohne Rechtschreibkorrektur abgeschrieben):

"… Der Tatsache, dass sie Eure Forderung gegenüber der Schuldnerin als solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gem. § 174 Abs. 2 InsO geltend machen, ist Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person ohne Belang und kann insoweit nicht geprüft werden. Die Bedeutung von "sog. Deliktsforderungen" in Insolvenzverfahren liegt darin, dass Schuldner von einer späteren Restschuldbefreiung gem. § 302 InsO ausgenommen wird. Da allerdings lediglich eine natürliche Person in den Genuss der Restschuldbefreiung gelangen kann, ist die Berufung auf den Zusatz der unerlaubten Handlung in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person unbeachtlich."

Bei Anmeldung der unerlaubten Handlung geht es mir nicht um die Restschuldbefreiung, sondern um gegebenenfalls nach dem Insoverfahren gegen die Firma oder dessen GF/Kommanditist & Co. vorzugehen. Auch wenn das kompliziert werden sollte oder sich nach dem Insoverfahren herausstellen sollte, dass das nichts bringt.

Bei einigen GmbHs habe ich in letzter Zeit auch die Forderung als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung angemeldet, und habe keine solche abweisende Post vom Insoverwalter bekommen. Auf einer Plattform von Rechtspflegern habe ich gelesen, dass man den Gläubigern hierzu auch keine Nachricht schicken müsste.

Das passt zusammen mit einer anderen Sachen von mir, bei der Schuldner ebenfalls eine GmbH ist und die Forderung auch aus vbuH angemeldet wurde. Dort habe ich aus der Tabelle einen einfachen Auszug erhalten, auf welchem zwar die Forderung in voller Höhe festgestellt wurde. Aber dass sie auch aus vbuH festgestellt wurde, steht dort nicht, erfolgte also auch nicht. Schuldnerin hatte in keinem der Fälle Widerspruch eingelegt.

Auf einer Plattform hatte ein Anwalt dies zu dem Thema geschrieben:

"… Eine Forderungsanmeldung als Forderung aus unerlaubter Handlung wäre meines Erachtens nur dann in Betracht zu ziehen, wenn gegen die verantwortlichen Vorstände/Geschäftsführer entsprechende Ansprüche durchgesetzt werden sollen. Da eine juristische Person jedoch keine Restschuldbefreiung erlangt, dies jedoch der Hintergrund der Anmeldung einer Forderung aus unerlaubter Handlung ist, macht eine solche Anmeldung nur Sinn, wenn hier eine Präjudiz für ein künftiges Insolvenzverfahren gegen die handelnden Personen und die dann vorzunehmende Forderunganmeldung geschaffen werden soll."
Ganz abgesehen davon, dass der Insoverwalter das m. E. nicht bewerten darf: Denke ich bei meiner Anmeldung auch aus vbuH zu verquer? Oder was kann ich in solchen Fällen gegenüber dem Insoverwalter noch tun/lassen, um doch die Möglichkeit zu haben, später den GF oder Komplementär wegen vbuH in Anspruch nehmen zu können?

Denn es kann doch nicht sein, dass eine juristische Person teils bewusst in die Inso geht, dann vielleicht sogar Masseunzulänglichkeit angezeigt wird, aber der GF & Co. mehr oder minder gleichzeitig eine neue Firma mit der gleichen Tätigkeit gründet, und der Gläubiger nichts bekommt.

Oder, wie in einem anderen Fall, der GF diverse Firmen – juristische Personen und auch nicht im HR eingetragene Einzelhandelsfirmen – betreibt und offenbar Geld zwischen den Firmen hin und her verschiebt. Und der Insoverwalter, dem die Vermutung mit Belegen in der Anmeldung geschildert wurde, scheint offenbar da nicht weiter nachzuforschen.

:feuer

Ich bin gespannt auf Eure Antworten!

Viele Grüße

PostGretel
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#2

06.07.2013, 11:03

Du wirfst meine ich hier einige Sachen zusammen, die nicht zusammen gehören. Aus meiner Sicht:

Welches Privileg haben Gläubiger mit festgestellten Forderungen aus vbuH (§174 Abs. 2 InsO) ? Seine Forderungen sind nach § 302 InsO nicht von der RSB umfasst und er kann ergo nach dem InsO Verfahren weiter gegen den Schuldner vorgehen. Bei einer jur. Person gibt es keine RSB. Ergo macht eine solche Anmeldung auch keinen Sinn. Bei einer Einstellung wg. Massearmut oder Masseunzulänglichkeit ist ohnehin bei der jur. Person kein Vermögen mehr vorhanden. Die Gesellschaft wird mit Einstellung aufgelöst und im HR gelöscht. Sie ist nicht mehr existent. Gegen wen willst du dann vorgehen und in was willst du vollstrecken? Auch gibt es formale Probleme bei der Anmeldung der Forderung. Der TH/IV/Rpfl. wird die vbuh bei einer jur. Person nicht in den Tabellenauszug aufnehmen. Er müsste ja die Schuldnerin über die Möglichkeiten des Widerspruchs belehren. Wen will er belehren? Warum sollte er belehren, es gibt ja ohnehin kein RSB Verfahren? Wieso sollte die jur. Person widersprechen?

Das alles hat aber nichts zu tun mit Ansprüchen ggü. dem Geschäftsführer o. ä. Diese könnten nur in einem InsO Verfahren über dessen Verfahren und dann auch unter vbuH angemeldet werden.

Du solltest im Übrigen vielleicht mal von deiner "alle Insolvenzverwalter sind böse" Einstellung runterkommen ;) Nicht böse gemeint, aber alleine aufgrund der persönlichen Haftung wird der IV alle realisierbaren Ansprüche der insolventen jur. Person verfolgen. Wenn das dann aber mehr als 2 Jahre dauert, passt es den Gläubigern auch wieder nicht.
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#3

06.07.2013, 14:14

Spargelranger ich gebe Dir völlig Recht. Wenn der Gläubiger im Insolvenzverfahren der juristischen Person eine Forderung aus unerlaubter Handlung anmeldet, hat dies im Insolvenzverfahren des gesetzl. Vertreters keinerlei Bedeutung. Es kommt allein darauf an, ob man im Verfahren des gesetzl. Vertreters das Attribut festgestellt bekommt. Zur Not hilft da eine Feststellungsklage gegen den Vertreter.

Im Übrigen ist dem Insolvenzverwalter da vielleicht die Vorlage etwas durcheinander gekommen :)
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#4

09.07.2013, 14:05

Danke für Eure Antworten, Spargelranger und Kanzleihund! :thx

Ich glaube, ich muss mich mal klarer ausdrücken ... :oops:

Also: Ich habe mehrere Fälle, die aber ähnlich gestrickt sind. Immer ist tatsächlicher Schuldnerin eine GmbH. Gesellschafter und Geschäftsführer sind immer die gleiche Person und sind auch die Person, die die Forderung des Gläubigers begründet hat.

Beispiel: GF beauftragt Dienstleister mit einer Tätigkeit (z. B. Beratung oder Schulung). Oder GF beantragt für die GmbH die Mitgliedschaft in einem Firmen-Verein (z. B. Bundesverband mittelständischer Unternehmen).

Wegen Nichtzahlung beauftragt Dienstleister-Gläubiger RA oder Inkassounternehmen. Auch auf deren Mahnung reagiert Schuldnerin nicht. Es erfolgen intensive Recherchen. Kurz vor oder nach den Recherchen bekommt man Nachricht von Schuldnerin/Insoverwalter oder sieht bei insolvenzbekanntmachungen.de, dass Insoverfahren eröffnet wird.

Bei den Recherchen und auch Informationen des Gläubigers stellt sich heraus, dass
- GF schon früher mehrfach Gesellschafter+GF einer GmbH war, die entweder wegen Vermögenslosigkeit im HR gelöscht wurde oder über die bereits ein Insoverfahren lief (begründet hier natürlich nicht die vbuH!)
oder
- neue GmbH des GF - wieder mit ihm als Gesellschafter/GF - kurz vor oder nach Insoverfahren der Schuldnerin eingetragen wird
oder
- GF parallel nicht im HR eingetragenes Einzelunternehmen führt, das offenbar eng mit der Schuldnerin verstrickt ist (Sphärenvermischung).

Durch die Recherchen und die bereits vorhandenen Informationen stellt sich heraus, dass der GF für die Schuldnerin wahrscheinlich bewusst eine uH beging, als er Vertragspartner des Gläubigers wurde, wie z. B. Verschleppung der Insoanmeldung.

Natürlich ist bei Masseunzulänglichkeit bei der GmbH nichts mehr zu holen. Und natürlich wird der Insoverwalter auch ggf. den GF in Regress nehmen. Letzteres kann er aber nur, wenn er überhaupt das Hintergrundwissen z. B. von mir hat. Denn in einem Verfahren weiß ich, dass selbst der Insoverwalter (unschuldig :D ) einem GF hilflos gegenüber steht, weil der GF nicht alles und nichts Klares erzählt und ständig seine Aussagen umdreht und wieder umdreht.

Jetzt noch einmal meine Fragen:
a) Ist die einzige Möglichkeit des Gläubigers, mindestens einen Teil seiner Forderung zurückzubekommen, seine Forderung zur Insotabelle anzumelden, und zwar "ganz normal"?
b) Ist es nicht möglich, den GF - der mit seiner neuen Firma oder Anderem ins Fäustchen lacht - nach einer nur teilweisen oder gar keiner Befriedigung des Gläubigers durch das Insoverfahren in Anspruch zu nehmen?
c) Ist das nur mit einer Leistungs-/Feststellungsklage gegen den "GF als ehemaliger Vertreter der GmbH" nach Abschluss des Verfahrens über das Vermögen der GmbH möglich?
d) Und kann nur mit der Feststellungsklage festgestellt werden, dass er für seine GmbH bei Vertragsabschluss mit dem Gläubiger eine vbuH beging?
e) Oder gibt es nach dem Insoverfahren noch eine andere Möglichkeit des Gläubigers, doch noch zumindest an einen Teils seines Geldes zu gelangen?

*Will' doch nur dem Gläubiger helfen* :kopfhoch
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#5

09.07.2013, 17:54

Sei versichert, ganz so hilflos sind wir nicht. Wir haben da auch so unsere Methoden, derartigen Geschäftsführern mal ordentlich auf die Füße zu treten :pfeif .

Wenn Euch derartige Machenschaften immer wieder auffallen, gehört dem Geschäftsführer eine rechtliche ordentliche Strafanzeige an die Backe. Wenn das stimmt, was Du sagst, gehört diesem Menschen ein für alle Mal das Handwerk gelegt. Netter Effekt: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gleich für Euch mit. Es sei denn, Du kommst an eine unserer Schwerpunktstaatsanwaltschaften, aber was sag ich ...

Ansonsten:

Die Forderung kann im Insolvenzverfahren der Gesellschaft angemeldet werden, im Insolvenzverfahren des Geschäftsführers als Schadenersatz nach § 823 BGB i.V.m. § 64 GmbHG und / oder § 263 StGB und dem Attribut der vorsätzlich unerlaubten Handlung. Dann gilt § 302 InsO, so dass die Restschuldbefreiung dem Geschäftsführer nix bringt. Ob der Geschäftsführer dann Widerspruch einlegt, muss man abwarten.

Solange über das Vermögen des Geschäftsführers kein Insolvenzverfahren anhängig ist, muss man mal über § 823 BGB und § 64 GmbHG (Individualschaden) oder eben auch § 263 StGB nachdenken. Aber gerade die Frage des § 64 GmbHG ist vertieftes Gesellschafts- und Insolvenzrecht. Da muss ein (spezialisierter) Anwalt ran. Das ist keine einfache Materie und würde hier zu weit gehen.
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