Bei wem liegt die Pflicht zur Einholung von Unterlagen?

In dieses Forum gehören alle Themen, die keinem anderem Forum zugeordnet werden können.
Sine04
Foren-Praktikant(in)
Beiträge: 33
Registriert: 23.06.2022, 18:19
Beruf: Auszubildende zur Rechtsanwaltsfachangestellten

#1

19.06.2023, 11:42

Ihr Lieben! :wink1

Ich habe einen etwas außergewöhnlichen Fall:

Unsere 93-jährige Mandantin hat ihren Mann verloren. Dieser wurde bereits bestattet. Dazu wurde ein Urnengrab ausgesucht und die Urne beigesetzt.
Die Kinder unserer Mandantin haben jeweils eine Generalvollmacht für sie. Beide sind einzelvertretungsberechtigt.

Der Sohn hat die Beerdigung seines Vaters organisiert. Leider hat er den Bestattungsvertrag nicht i.V. für seine Mutter, sondern im eigenen Namen, unterschrieben und die Friedhofsverwaltung hat ihm deshalb das Nutzungsrecht an der Grabstätte eingeräumt. Nun gibt es Streit unter den Geschwistern wegen des Nutzungsrechts.

Die Tochter unserer Mandantin (hat, wie gesagt ,auch eine Generalvollmacht für sie und ist ebenfalls einzelvertretungsberechtigt) möchte ihrer Mutter das Nutzungsrecht übertragen lassen, notfalls einklagen.

Das nur vorab zum Hintergrundverständnis.

Meine Frage ist die Folgende:
Wie geht Ihr damit um, wenn ein Mandant zu Euch kommt und von Euch erwartet, sämtliche für den Fall relevante Unterlagen selbst zu besorgen?
Muss man im Zweifel sämtliche Unterlagen zur Aufklärung des Sachverhaltes einholen oder darf man sich auf das beschränken/verlassen, was einem die Mandanten beibringen?
:kopfkratz

Unsere Mandantin macht es sich nämlich einfach und sagt, dass sie diese nicht selbst besorgen kann, da ihr von allen Seiten erklärt werde, ihr keine Unterlagen herausgeben zu können, weil nicht sie die Nutzungsberechtigte an der Grabstätte ist, sondern ihr Bruder.

Bei einem Telefonat meinerseits mit der Friedhodfsverwaltung zeigte diese sich aber ganz unkomliziert und sagte, dass ja ein berechtigtes Interesse unserer Mandantin vorläge und wir deshalb selbstverständlich auch die Unterlagen zur Einsicht bekommen könnten.

In diesem speziellen Fall kann ich unsere Mandantin sogar verstehen; der Fall ist ja auch ungewöhnlich, also fordere ich die Unterlagen eben selbst an.

Mir geht es mehr um die Frage, wie man sich hier generell verhalten muss?
Es kostet ja unendlich viel Zeit, wenn ein Mandant sich zurücklehnt und erwartet, dass der Anwalt alle relevanten Unterlagen anfordert und zuschicken lässt, anstatt diese bei Mandatierung zu übergeben.

Kann man eventuell in den Mandatsbedigungen regeln, dass der Mandant die Pflicht zur Beibringung aller Unterlagen hat und der Anwalt nur auf der Grundlage der Unterlagen arbeiten muss, die der Mandat beibringt?


Danke schonmal! :thx
Sine04
Benutzeravatar
paralegal6
...ist hier unabkömmlich !
Beiträge: 3006
Registriert: 07.09.2015, 15:47
Beruf: ReFa, BW
Software: RA-Micro

#2

19.06.2023, 14:51

Auch wenn der Mandant dir Unterlagen mitbringt hast du ja nie eine Sicherheit bezüglich Richtigkeit und Vollständigkeit. Was würde dir eine (mMn völlig unsinnige) Pflicht zur Beibringung da helfen? Ausserdem kennt man das doch, wenn der Mandant wo anruft wird er abgewimmelt oder kann nicht genau erklären was er möchte und zu einer Kanzlei sind alle netter. Würde von meinem Mandanten nicht direkt behaupten dass er lügt. Ausserdem wird der RA doch dafür bezahlt, dass er Informationen einholt, ist doch sein Job. Sehr merkwürdige Arbeitshaltung.
Bild
Pitt
...ist hier unabkömmlich !
Beiträge: 3282
Registriert: 12.07.2012, 10:15
Beruf: RA-Fachangestellte
Software: Phantasy (DATEV)

#3

20.06.2023, 10:00

Da würde ich ehrlich gesagt den Weg des geringsten Widerstands gehen. Wenn die Kanzlei die Unterlagen mit einfachen Mitteln selbst besorgen kann, dann machen wir das.

Wir haben hier aber auch einen Mandanten, der Inkassomandate rüberschickt, die sich auf einen Widerspruch der Gegenseite zum Mahnbescheid beschränken. Da habe ich dem Mandanten erklärt, dass wir das Mandat nicht bearbeiten können, wenn er nicht seine Rechnung, Auftragsbestätigung und den von ihm selbst beantragten Mahnbescheid etc. an uns schickt. Wir müssen den Anspruch ja auch prüfen können und nur er hat Zugriff auf diese Unterlagen.

Ansonsten kann ich paralegal6 nur zustimmen. Man kann sich nie darauf verlassen, dass die vom Mandanten vorgelegten Unterlagen vollständig und richtig sind, ebenso wie man sich auf die vom Mandanten erteilten Auskünfte nie zu 100% verlassen kann. Da ist es oft sinnvoll, dass die Kanzlei die Unterlagen selbst beschafft. In einigen Fällen werden Unterlagen auch erst übersandt, wenn der Mandant anwaltlichen Beistand an seiner Seite hat. Gerade bei der Korrespondenz mit Behörden, Banken und Versicherungen sieht man, dass die oft erst reagieren, wenn sich ein Anwalt einschaltet.
Sine04
Foren-Praktikant(in)
Beiträge: 33
Registriert: 23.06.2022, 18:19
Beruf: Auszubildende zur Rechtsanwaltsfachangestellten

#4

18.07.2023, 14:22

Danke für Eure Antworten :thx

Im Übrigen finde ich nicht, dass meine Frage von einer 'merkwürdigen Arbeitshaltung' zeugt. Wenn eine Kanzlei ständig damit beschäftigt ist, dem Mandanten alles abzunehmen, was mit der Beibringung von Unterlagen etc. zusammenhängt, kann sie nicht mehr wirtschaftlich arbeiten, weil das Unmengen an Zeit in Anspruch nimmt, die einem niemand bezahlt. Zumindest nicht, wenn sich die Gebühren nach dem Streitwert richten, bei einem Zeithonorar mag das anders sein. Also ist die Erkenntnis, dass man am besten solche Mandate, bei denen es offensichtlich ist, dass der Mandant es sich gerne einfach machen will, gar nicht erst annimmt.

Viele Grüße,
Sine04 :wink1
Benutzeravatar
Anahid
Hexe vom Dienst
...ist hier unabkömmlich !
Beiträge: 17576
Registriert: 22.02.2011, 10:41
Beruf: Rechtsfachwirtin
Software: RA-Micro

#5

18.07.2023, 14:29

Sine04 hat geschrieben:
18.07.2023, 14:22
Also ist die Erkenntnis, dass man am besten solche Mandate, bei denen es offensichtlich ist, dass der Mandant es sich gerne einfach machen will, gar nicht erst annimmt.
Was ja auch wiederum nicht zutrifft, denn gerade für solche Sachen gibt es die Möglichkeit der Gebührenvereinbarung und Stundenabrechnung. Dass Ihr anscheinend davon keinen Gebrauch macht, ist ja Eure persönliche Entscheidung. ;-)
:katze2 Jeder Tag ist ein Geschenk ... aber manche sind einfach grottenschlecht verpackt. :katze1
Benutzeravatar
paralegal6
...ist hier unabkömmlich !
Beiträge: 3006
Registriert: 07.09.2015, 15:47
Beruf: ReFa, BW
Software: RA-Micro

#6

18.07.2023, 16:45

Also RVG Abrechnungen sind doch sowieso ne Mischkalkulation. Einige Sachen laufen Jahre und bringen soviel wie zB 3 Schreiben in einer anderen Akte. So kann man das einfach nicht rechnen. Was der Mandant mitbringen soll sage ich ihm/ihr schon bei der Vereinbarung des ersten Besprechungstermins
Bild
Benutzeravatar
icerose
...ist hier unabkömmlich !
Beiträge: 12464
Registriert: 04.06.2007, 16:57
Beruf: ReNoFa (tätig als ReFa)
Software: Advoware
Wohnort: mein Büro in Berlin

#7

19.07.2023, 09:22

Wir holen auch Informationen ein - auf Nummer sicher gehen ist immer gut. Und auch mit Blick auf die Haftung des RA ist es sinnvoll, wenn er alle Infos hat.
Mit mir kann man Pferde stehlen ... aber morgen bringen wir sie zurück :!:
Sine04
Foren-Praktikant(in)
Beiträge: 33
Registriert: 23.06.2022, 18:19
Beruf: Auszubildende zur Rechtsanwaltsfachangestellten

#8

21.07.2023, 11:43

Anahid hat geschrieben:
18.07.2023, 14:29
Sine04 hat geschrieben:
18.07.2023, 14:22
Also ist die Erkenntnis, dass man am besten solche Mandate, bei denen es offensichtlich ist, dass der Mandant es sich gerne einfach machen will, gar nicht erst annimmt.
Was ja auch wiederum nicht zutrifft, denn gerade für solche Sachen gibt es die Möglichkeit der Gebührenvereinbarung und Stundenabrechnung. Dass Ihr anscheinend davon keinen Gebrauch macht, ist ja Eure persönliche Entscheidung. ;-)
Wir machen in erster Linie Kündigungsschutzklagen (nicht in dem Fall, den ich hier beschrieben habe, aber sonst ja). Meist sind die Mandanten rechtsschutzversichert. Da hat man leider kaum die Möglichkeit, Gebührenvereinbarungen abzuschließen.
Benutzeravatar
Adora Belle
Golembefreierin mit Herz
...ist hier unabkömmlich !
Beiträge: 14399
Registriert: 14.03.2008, 14:17
Beruf: RAin

#9

21.07.2023, 11:46

Wir machen das trotzdem. Die gesetzlichen Gebühren stellen eben oft keine angemessene Vergütung dar. Wichtig ist nur, das dem Mandanten von Anfang an deutlich zu vermitteln.
Sine04
Foren-Praktikant(in)
Beiträge: 33
Registriert: 23.06.2022, 18:19
Beruf: Auszubildende zur Rechtsanwaltsfachangestellten

#10

21.07.2023, 11:54

paralegal6 hat geschrieben:
18.07.2023, 16:45
Also RVG Abrechnungen sind doch sowieso ne Mischkalkulation. Einige Sachen laufen Jahre und bringen soviel wie zB 3 Schreiben in einer anderen Akte. So kann man das einfach nicht rechnen. Was der Mandant mitbringen soll sage ich ihm/ihr schon bei der Vereinbarung des ersten Besprechungstermins
Kommt darauf an, in welchem Bereich man vordergründig tätig ist. Wir machen hier meistens Kündigungsschutzklagen. Wegen des Beschleunigungsgrundsatzes im Arbeitsrecht gehen die schnell, meist wird schon in der Güteverhandlung nach wenigen Wochen ein Vergleich erzielt. Selten geht ein Fall in die 2. Instanz. Eine Mischkalkulation können wir also nicht so wirklich machen. Und die Streitwerte sind oft nicht so hoch. Da muss man schon rechnen, dass man mit den Gebühren hinkommt. Gebührenvereinbarungen bei Kündigungsschutzklagen sind meist nicht möglich, insbesondere, wenn der Mandant rechtsschutzversichert ist.

Sind es nur ein paar wenige Dokumente, die eingeholt werden müssen, machen wir das ja auch. Wir hatten nur jetzt letzens diesen ungewöhnlichen Fall, von dem ich hier geschrieben habe und da mussten wir hinter extrem vielen Unterlagen bei den verschiedensten Stellen her laufen und der Mandant hat es sich sehr leicht gemacht. Da haben wir uns schon geärgert.
Antworten