Arbeitsleistung nach einem Jahr Berufserfahrung

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Nora_1986
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#1

18.01.2022, 06:46

Hallo zusammen! :wink2

FoReNo kenne ich bis jetzt aus gelegentlicher Lektüre zu bestimmten Themen und fand es schon immer hilfreich. Nun habe ich selbst ein Thema, zu dem ich gerne Eure Meinungen und Erfahrungen hören möchte:

Die Vorgeschichte: Ich habe 2018 die Ausbildung beendet und leider, leider musste mein Ausbilder, bei dem es so gut gepasst hat, mich rauswerfen. Die Aufträge gingen zurück und es gibt kaum neue Mandanten für ihn bis heute (kleine, mittlere Unternehmen/Fachanwalt gewerblicher Rechtschutz). Jedoch sind wir im Austausch und er möchte mich gerne - sobald es wieder mehr Arbeit gibt, zumindest stundenweise wieder dazuholen. Wir waren ein super Dreierteam noch mit meiner anderen Kollegin, die immer im Homeoffice arbeitet (wohnt woanders), und ich als die zweite Sekretärin vor Ort.

Seit der Ausbildung und zwei Monaten Übernahme mit 20 Stunden pro Woche beim Ausbilder bin ich nun in der zweiten Kanzlei und habe jetzt jeweils sechs Monate Erfahrung, also ein gutes Jahr seit der Ausbildung. Die erste Kanzlei nach der Ausbildung war leider auf Dauer nicht für mich machbar, da mein Arbeitspensum regelmäßig nicht in meine Stunden passte und das Thema sich zuspitzte, nachdem wir monatelang Urlaubssperre hatten und dann monatelang zu dritt statt zu viert alles machen sollten, was sich eh schon stapelte (Stichwort: halbes Zimmer voller nicht richtig abgelegter Akten, ein Schrank mit nicht richtig angelegter Akten und immer mehr Zeitaufwand fürs Suchen :roll: ). Ich hatte dann, als die Zeit der Urlaubsvertretung begonnen hatte und den zeitlichen Rahmen völlig sprengte, das Gespräch (vergeblich) gesucht. Dort hatten vor mir einige Leute kurz nacheinander gekündigt - vielleicht auch, weil der Kanzleiinhaber hin und wieder Schreianfälle hatte und Sachen wirft - dann ich auch und jetzt sind auch die Bürovorsteherin und dann die anderen weg. :sad:

Naja, und jetzt bin ich wieder fast ein halbes Jahr in einer neuen Kanzlei, wo ich mich wohl fühle, alle freundlich sind und ich das Gefühl habe, gut mit den Aufgaben UND dem Arbeitspensum auszukommen. Wir machen Familien-, Erb-, Zivil- und ein bisschen Arbeits- und Mietrecht. Dort ist auch mal Zeit, zehn Minuten dazwischen privat zu reden, was in der letzten Kanzlei undenkbar war. Meine Frage aktuell ist aber: Passe ich dorthin mit meinem Leistungsstand bzw. mit der Geschwindigkeit, in der ich dazulerne? Oder auch: Kann die Anleitung und Kontrolle, die ich brauche, dort geleistet werden?

Ich beschreib das mal und würde mich freuen über Vergleichswerte! Die Frage an Euch ist: Denkt Ihr, das ist ein "normaler", angemessener Leistungsstand für jemanden, der 2018 die Ausbildung begonnen, 2020 beendet hat und jetzt etwas mehr als 1 Jahr Berufserfahrung hat?

Ich sitze mit meiner Kollegin, die auch ReFa ist und dort über 10 Jahre ist, am Empfang, 3 RAinnen in Bürogemeinschaft, davon 2 auch Notare, und mache eigentlich alles mit, was dort so anfällt: Telefondienst mit Terminsvereinbarung oder auch Klärung von Fragen zu Kosten etc., Aktenanlage, -pflege, Diktate, einfache Schreiben selbst vorbereiten, Ausfertigung, Gerichtspost holen, WV eintragen, gelegentlich Kostenrechnungen, E-Mails, Fax, einmal bis jetzt beA, 1xMB, Büromaterial bestellen, Akten raussuchen, einfache Rücksprachen zu weiterem Vorgehen halten. Auch Urlaubsvertretung habe ich schon mehrfach für meine Kollegin gemacht, zum ersten Mal auch nach 2 Wochen im Betrieb. Was öfters die Kollegin macht, ich aber gelegentlich machen darf, ist Eingangspost weiterleiten/verteilen, Fristen notieren. Was ich natürlich gar nicht mache, ist Buchhaltung.

Meine Kollegin schaut alle Diktate an, bevor sie gedruckt werden, die Diktatmappe (wegen Ausfertigungen, Anlagen etc.) und auch alle Akten, bevor sie zurückkommen (wurde Kürzel für Kenntnisnahme notiert, chronologische Reihenfolge...). Das eine ist, dass tatsächlich auch nach einem halben Jahr dort noch immer viele "doofe Fehler" bei mir vorkommen. Dinge, die sie mir mehrfach erklärt hat, verpeile ich immer mal wieder, sodass meine Arbeitsergebnisse insgesamt noch nicht verlässlich sind und ich wirklich regelmäßig kontrolliert werden muss. Beispiele: einfache Abschrift an Gegner vergessen, nur das Exemplar für dessen RA (wir sind altmodisch und versenden, so viel wie geht, noch in Papierform :lol: ); einer Kollegin im Notariat eine Rückrufbitte für eine Akte mitteilen, die eigentlich in die Anwaltschaft gehört; eine Akte bei der Kollegin suchen, die eigentlich bei mir ganz unten auf dem Tisch liegt.

Das andere ist, dass ich wirklich sehr motiviert bin, gerne auch mal bei Bedarf was extra mach/länger bleibe, sicherlich 80 % aller Anrufe nehme, immer freundlich bin, mich aber auch bei vereinnahmenden Mandanten, die nur erzählen wollen, abgrenze. Ich reflektiere gelegentlich, was ich geschafft habe, was gut war, wo Fehler liegen, schriftlich bei der Heimfahrt. Alles Neue schreibe ich mir in ein Word-Dokument, das nach Stichworten geordnet ist, sodass ich MB in RA-Micro, KFA, Dinge, die man selten macht, nachschlagen kann. Ich habe definitiv auch Fortschritte gemacht hier in dem halben Jahr, da ich sehe, dass ich mittlerweile oft mehrere Stunden ganz ohne zu fragen arbeiten kann. Prioritäten kann ich schon deutlich besser setzen, habe etwas Routine und erkenne auch Mandanten und Vorgänge zum Teil wieder, wenn wir drüber sprechen. Ich sehe, dass ich bei Schreiben mit vielen, umfangreichen Anlagen oft alles richtig finde, dass ich Kostenanfragen zu Scheidungsverfahren richtig beantworten kann. Es ist schon lange nicht mehr passiert, dass ich ein Diktat nicht zu Ende höre, obwohl nach der Unterschrift noch irendwann eine Ergänzung kommt, ich aber zügig arbeiten will und es vorschnell schließe.

Am letzten Freitag gab es leider einen sehr schlechten Tag: Kopierer/Scanner gab den Geist auf, stundenlang haben sich Dinge aufgestaut. Der Mensch, der ihn reparieren wollte, musste mehrfach weg, um Ersatzteile zu holen. Auch das XNotar bei den Kolleginnen ging nicht, also verschiedene EDV-/Technik-Probleme, ein bisschen Chaos. Ich musste dann schnell nacheinander viele Posteingänge einscannen, um es dann am Drucker zu drucken für die Kenntnisnahmen an die Mandanten. Die Anschreiben dazu konnten jedoch nicht gedruckt werden (nur an dem kaputten Gerät druckbar) und so stapelten sich einige Akten auf meinem Tisch, die eben erst halb bearbeitet waren. Am selben Tag sollte ich auch zwei Schriftsätze ans Gericht per beA versenden, was wir zuvor einmal zusammen gemacht hatten. Diese versendete letztendlich die Kollegin alleine, weil ich für alles an dem Tag extrem lange brauchte und sie sicherstellen wollte, dass es rechtzeitig erledigt ist. Ich bin nicht so gut beim Improvisieren, vor allem wenn die gewohnten Abläufe nicht machbar sind und zugleich was Neues ansteht und die Zeit knapp ist. Ich habe mich auch bei ihr entschuldigt und ihr gesagt, dass es mir sehr Leid tut, dass ich jetzt mehrere Stunden auf dem Schlauch stand und sehr langsam war.

Ihre Reaktion war, dass sie in letzter Zeit gedacht hätte, meine Leistung sei wieder besser, jetzt aber sei sie "sehr unzufrieden", sie könne so nicht auf Dauer weitermachen und werde kündigen, wenn es so weitergeht. Sie müsse mich immer kontrollieren und mir zuarbeiten. An der Stelle habe ich angefangen zu weinen und habe auch noch zwei Stunden bis Feierabend Tränen vergossen, aber auch zugleich noch weitergearbeitet, Anrufe angenommen etc. Es hat mich schockiert, dass sie ein so negatives Fazit hat. Man muss aber auch dazusagen, dass sie generell sehr gestresst ist, da der Plan ist, dass ich immer selbständiger in der Anwaltschaft werde und sie mich das großteils alleine machen kann und sie jetzt schon im Notariat eingespannt wird. Sie hat auch fürs Notariat die Ausbildung und ich nicht und ich arbeite im Notariat nur zu. Sie hat auch sonst sehr viel Stress im Leben, da sie stark übergewichtig ist, Herzprobleme hat, häufig Arzttermine und daheim zwei Babykatzen, die sehr anstrengend sind. Vor meiner Zeit wäre sie schon beinahe gegangen, weil die zwei Anwältinnen/Notarinnen meinten, sie sorge für Unruhe im Team, nicht umgänglich. Das konnte wohl aber durch ein Gespräch im Team geklärt werden und meine Kollegin blieb ihrerseits, weil sie nirgends so gute Arbeitszeiten finden konnte. Also bringt meine Leistung jetzt das Fass zu Überlaufen bei ihr... :sad:
Sie sagte dann auch zu mir, ich bekäme schon eine "Sonderbehandlung". Ich meinte, dass ich mit allem einverstanden bin, mich wohlfühle, mein Bestes gebe, aber dass ich halt auch noch offensichtlich kontrolliert werden muss. Ich fragte, ob sie Erfahrungen mit anderen Berufsanfängern hat oder schon mal jemanden angelernt hat - nein.
Die beiden Chefinnen, die am Freitag da waren, sahen, dass ich weinte und fragten mich, was los wäre. Ich erklärte, dass meine Kollegin mir gerade Fehler rückmeldete und unzufrieden sei und ich nun überlege, ob ich die richtige Besetzung sei. Beide sagten, dass alles in Ordnung ist, ich mir gar keine Gedanken machen muss, wenn was wäre, würde es von ihnen kommen. Auch hieß es, ich hätte wirklich schon die Urlaubsvertretung gut gemacht und auch ansonsten bekomme ich von Ihnen oft mal ein kleines Lob. Meine Kollegin hat dagegen die Eigenschaft, dass sie nicht lobt oder bestätigt, sondern NUR rückmeldet, was falsch ist. Gleichzeitig hatte ich bislang eine sehr gute Beziehung zu ihr und kann auch ohne Lob gut leben, stelle mich selbst so aber auch mehr in Fage.

So ist dann schon mal bei der Kollegin einfach alles "Käse", wenn bei mehreren, umfangreichen Anlagen für eine Nachlassinsolvenz irgendwo ein Blatt zu viel dabei ist oder wenn ich überlege, nicht nur die Terminsladung fürs Gericht und das aktuelle Schreiben vom Gegner, sondern auch das zweite vom Gegner mit an den Mandanten zu schicken und nicht gleich erkenne, dass das bereits früher per Mail hier einging und schon damals weitergeleitet wurde. Sie sagt, ich muss sensibler werden, für die Anwälte mitdenken, wenn z. B. was nicht mitdiktiert wurde, was reinmuss. Das gelingt mir auch schon in manchen Fällen, es wird öfter, aber eben noch lange nicht jedes Mal. Ich bin der Meinung, solche Details kommen mit der Zeit und können nicht schon alle nach etwas mehr als einem Jahr Erfahrung da sein, oder??? Gleichzeitig weiß ich, dass ich eine Mischung aus besonderen Stärken und Schwächen habe und arbeite deshalb hart an mir, um Fehler abzubauen. Ich habe auch eine psychische Behinderung, bin emotional instabil und ängstlich und habe dazu rezidivierende Depressionen von meinem früheren Berufsleben. Deswegen arbeite ich im neuen Beruf nur 30 Stunden, um wirklich immer ausreichend Erholung zu haben. Ich habe auch 15 Jahre Therapie gemacht und kann mein Innenleben scheinbar fast ausnahmslos gut nach außen verbergen, wenn es mal schwierige Tage oder Situationen gibt. Trotzdem bin ich sogar gerne am Empfang und fühle mich nicht überfordert, wenn es gleichzeitig an der Tür klingelt und ich noch jemanden am Telefon habe und dann noch wissen muss, wo ich in der Akte war. Das klappt meist gut und ich bin dann auch stolz auf mich. Aber solche Dinge werden eben von der Kollegin bereits als Selbstverständlichkeit gesehen, ist auch okay. Ich habe mir sehr viele Gedanken über die neue Berufswahl gemacht. Die Kollegin weiß von der psychischen Behinderung, die Chefinnen noch nicht. Ich bin nie krank, hab die Ausbildung um ein Jahr verkürzt, hab mir die letzten drei Monate mit Klassenkameradinnen selbst angeeignet, als bei uns kein Online-Unterricht gelaufen ist. Meine Zeugnisse aus den letzten Kanzleien, die Prüfungsergebnisse und mein Ausbilder sagen, dass die Arbeitsleistung gut ist. Auch im ersten Berufsleben habe ich gute Rückmeldungen bekommen, es ist an den Bedingungen, v. a. Überstunden, gescheitert. Mein Ausbilder, der in die psychische Behinderung eingeweiht ist, sagt klar, dass sie keine Auswirkung auf die Berufsausübung - zumindest in seiner Kanzlei - hat. Ich nehme sogar seit kurz vor Beginn in der jetzigen Kanzlei ein Medikament, das beim Stoffwechsel gegen Angst/Unsicherheit und Depressionen hilft, weil ich nach den Kanzleiwechseln sicherstellen wollte, wirklich meinerseits bestmöglich aufgestellt zu sein... und den Druck, den ich mir selbst mache, etwas rauszunehmen. :roll:

Nur wie soll hier jetzt die Einarbeitung weiter laufen? Meine Kollegin redet seit Montag nur noch das Nötigste mit mir, hat sich bei den zwei Fehlern, die am ganzen Tag passiert sind, sogar mit sarkastischem Ton geäußert ("Ich würde das nie nur mit Übersendungszettel rausschicken, sondern auf jeden Fall einen Text dazu. So würde ich nie arbeiten, aber jeder hat eine andere Arbeitsweise."). Ich habe ihr gesagt, dass ich heute eine Übersicht meiner Stärken, Schwächen, Fortschritte und nächsten Entwicklungsziele mitbringe, weil ich das gerne einmal abgleichen würde, wie sie und die Chefinnen das sehen. Das Ding ist auch nur eine DIN A4-Seite lang - also nicht so lang wie mein Betrag hier. :mrgreen: Heute wird auch die dritte Chefin da sein, die hat die Lage am Freitag und Montag nicht mitbekommen. Diese versteht sich sehr gut mit meiner Kollegin und würde vermutlich im Zweifelsfall anregen, dass ich lieber gekündigt werde statt der Kollegin. Leider hat meine Kollegin auch gemeint, dass sie sich zu meiner Gesamtentwicklung nicht äußern wird, was ich sehr schade finde. Einmal nach sechs Monaten den Zwischenstand im Gesamten zu benennen kann ja nix schaden zur Weiterentwicklung - zumal ja auch von ihr nur Rückmeldungen zu den Fehlern kommen, aber gar nicht zu meinen Fortschritten.

Ich bin sehr gespannt, was das heutige Gespräch ergibt und hoffe, dort bleiben zu können und dass wir einen vernünftigen Weg finden können, miteinander umzugehen. Ich freue mich sehr auf Rückmeldungen und Erfahrungen von Euch und berichte gerne, wie es weitergegangen ist. :thx ;)
Schnorri2000
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#2

18.01.2022, 09:30

Ich selber habe meine Ausbildung 2020 abgeschlossen und arbeite mittlerweile Vollzeit in einer Kanzlei die auf Insolvenzrecht spezialisiert ist. Vorher war ich bei Erb- und Zivilrecht. Da die leitenden Angestellten hier bei meiner Ankunft gingen, musste der verbliebene Kollege (nicht vom Fach) und ich uns alleine in ein neues Rechtsgebiet einarbeiten. Mittlerweile haben wir die Sachbearbeitung der Verfahren vollständig selbst übernommen. Alles was wir nicht wussten haben wir uns einfach Schritt für Schritt selbst angeeignet. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wenn man nur zuarbeitet und quasi an der "kurzen Leine" gehalten wird, es viel schwerer ist sich reinzuarbeiten bzw. neues zu lernen. Bei uns ist hier alles eigentlich selbständig arbeiten.

Daher denke ich, ist die "Berufserfahrung" nur perse von Vorteil. Viel wichtiger ist es, das selbständige Arbeiten zu verinnerlichen und anwenden zu können. Und natürlich war von Vorteil, dass ich mich sehr dafür interessiert habe. Wenn in einem Schriftsatz ein § auftauchte hab ich den erstmal nachgeschlagen um es verstehen zu können.

Dagegen hatte ich eine Kollegin, die war super fleißig (Abschluss mit mir zusammen gemacht) aber hat "nur" das gemacht was man ihr gesagt hat. Die kam nicht selber auf den Trichter gewisse Dinge zu übernehmen. Das viel negativ auf. Mittlerweile arbeitet sie als Sekretärin außerhalb des RA Bereiches
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#3

18.01.2022, 09:42

Puh, langer Text. :lol:

Aber mal ehrlich: Du hast es schon auf den Punkt gebracht:
Nora_1986 hat geschrieben:
18.01.2022, 06:46
Sie sagt, ich muss sensibler werden, für die Anwälte mitdenken, wenn z. B. was nicht mitdiktiert wurde, was reinmuss. Das gelingt mir auch schon in manchen Fällen, es wird öfter, aber eben noch lange nicht jedes Mal. Ich bin der Meinung, solche Details kommen mit der Zeit und können nicht schon alle nach etwas mehr als einem Jahr Erfahrung da sein, oder???
Ich arbeite seit der Abschluss der Ausbildung (in Form einer Umschulung 2004-2006) bei einem Einzelanwalt. Bei Vertragsunterzeichnung habe ich ihm schon gedankt, dass er meine weiter Ausbildung übernimmt. :D Nun bin ich im 16. Jahr bei ihm. Fazit: Wenn man unseren Beruf wirklich mit Liebe macht, wächst man da rein. Vieles kommt erst nach einer gewissen Zeit, wenn es echte Routine gibt. Man kann unmöglich alles wissen, meist genügt es, zu wissen, wo man nachlesen kann. Sich selbst Druck machen ist das allerschlimmste - führt immer dazu, dass man irgendwas "vergisst".

Wenn du sowas brauchst, dann mach dir selbst eine Liste (gern zunächst auf Papier), wo jeder einzelne Schritt aufgeschrieben ist, die du dann "abhaken" kannst. Recht schnell hast du das im Kopf und machst das genauso - nur ohne Papier. Höre auf dich und arbeite in deinem Rhytmus - dann klappt das auch.

Alles Gute für das Gespräch heute. :knutsch
Mit mir kann man Pferde stehlen ... aber morgen bringen wir sie zurück :!:
Murmelpfote
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#4

20.01.2022, 19:19

Liebe Nora,

als ich deinen Text gelesen habe, kam mir sofort ein Gedanke in den Sinn: Du hast zu wenig Selbstvertrauen. Du versuchst alles perfekt und fehlerfrei zu machen und möchtest auf keinen Fall vor deiner Kollegin in Ungnade fallen. Und nun hat deine Kollegin dich auch noch unter Druck gesetzt, in dem sie im Affekt gesagt hat, dass sie kündigt, wenn es mit deiner "Leistung" so weitergeht. Nimm dir das bitte nicht zu Herzen. Deine Kollegin scheint selber keine gesunde Haltung zu sich und ihrer Umwelt zu haben, sonst würde sie so etwas nicht sagen. Komm bitte von diesem Leistungsgedanken weg, jeder braucht so lange wie er braucht, niemand ist perfekt und auch Alteingesessene machen immer mal Fehler. Wenn du dich zu sehr unter Druck setzt, dich jedes Mal fragst, ob du "genügst", nur damit du keine "Belastung" für deine Kollegin bist, macht dich das auf Dauer krank. Ich spreche aus Erfahrung.

Nimm dir die Zeit, die du brauchst und lass dir von niemanden was einreden. Du arbeitest in deinem Tempo und wenn du noch nicht alles weißt oder kannst, ist das völlig normal. Das wird dir immer wieder im Leben passieren, selbst wenn du 10 Jahre in diesem Beruf arbeitest, wirst du dich immer mal mit einem Kollegen austauschen müssen, weil du dir bei einer Sache nicht sicher bist (vor allem, wenn du einen bestimmten Arbeitsvorgang lange nicht gehabt hast, weil dieser nur alle Jubeljahre vorkommt).

Darum kann ich abschließend nur sagen, bleib entspannt. Auch bei dir kommt noch die Routine und du musst dir absolut keinen Druck machen. Steh zu dir selbst und deinen Fehlern, nimm dir die Zeit, die du brauchst. Versuche an deinem Selbstbewusstsein zu arbeiten und deiner Kollegin auch genau so gegenüber zu treten. Sie hat dir keinen Druck zu machen und hat genau wie du auch mal mit kleinen Brötchen anfangen. Das haben viele ältere Kollegen nur nicht mehr vor Augen, weil bei ihnen die frühen Berufsanfänge schon so lange her sind. Wenn du versuchst dein Bestes zu geben, ist das völlig ausreichend, mehr kannst du von dir nicht verlangen und auch kein anderer.
Nora_1986
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#5

23.01.2022, 06:40

Hallo zusammen,
vielen Dank für Eure Antworten! Diese haben mich auf jeden Fall beruhigt und zuversichtlicher gemacht.
Auch das Gespräch zum Zwischenstand meiner Leistung sowie zu meiner psychischen Behinderung, zu der gehört, dass ich selbst mein größter Kritiker bin und mein Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeitsüberzeugung immer wieder einbrechen (auch nach 15 Jahren Therapie, Selbsthilfegruppen etc.), war sehr positiv! Sowohl die drei Anwälte als auch meine Kollegin haben mir rückgemeldet, dass meine eigene Sicht zu Stärken, Schwächen, Fortschritten realistisch ist und ich mich, wenn auch mit stärkeren Aufs und Abs, stetig weiterentwickle und es insgesamt in die richtige Richtung geht. Dass ich diesen Zwischenstand eingefordert habe und bestätigt wurde, hat bei mir einen Knoten gelöst. Ich hab jetzt einfach mal nach fast sechs Monaten eine Gesamtrückmeldung gebraucht und hab mich mit meiner Kollegin ausgesprochen, die ihren "Ausbruch" v. a. mit ihrem Stress im Privatleben und ihrer Einarbeitung bei uns im Notariat erklärt hat.
Danke für Eure Tipps, ich behalte es bei, mir Notizen zu bestimmten Abläufen zu machen. Außerdem nehme ich mir jetzt auch tatsächlich immer mal wieder Zeit, um §§ nachzuschlagen oder um einen Überblick in einzelnen Akten zu gewinnen. Das Aktenstudium hat mir auch die eine Chefin empfohlen. Ich hatte mir zu allem Druck, den ich mir selbst mache, leider aus der letzten Kanzlei angewöhnt, alles möglichst schnell "abzufertigen", weil wir dort total unterbesetzt waren und der Chef trotzdem täglich neue Mandanten hat aufnehmen lassen.
Viele Grüße von Nora :-)
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