Selbstständigkeit als ReFa

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Kael
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#1

08.09.2021, 12:32

Hallo zusammen!

Da ich hörte das es auch 'selbstständige ReFa's' gibt, wollte ich mich mal erkundigen wie so was aussieht. Denn bei meinen Gedankenexperimenten kam ich letztlich immer auf den Punkt: Alles was man macht muss am Ende vom Anwalt bestätigt werden.

Letztlich ist man davon ja ziemlich abhängig.

Und gerade bin ich am überlegen ob ich eine Rechsfachwirt-Weiterbildung noch dranhänge oder mit 31 sogar noch Jura studiere. (Da das Gehalt einfach nicht zeitgemäß ist). Daher ist auch eine mögliche Selbstständigkeit für mich attraktiv geworden.

Gerade auch was die Software angeht ist dann noch ein großes Problem:
Fahrt ihr in so einem Fall von Kanzlei zu Kanzlei und helft dann dort notgedrungen aus?
Oder gibt es eine Software wo man dann z.B. ebenfalls Akteneinsicht bei den spezifischen Anwälten erhaltet und dort auch Terminverlegungen, Mahnverfahren usw. einsetzen könnt. Wie sähe dort auch eine Vergütung aus?
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Tigerle
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#2

08.09.2021, 13:26

Ich bin nebenberuflich selbständig als ReFa tätig.

Es gibt sehr viele Möglichkeiten, wie Du die Selbständigkeit ausübst und es gibt auch einiges zu bedenken.

Ich persönlich erledige alles im Homeoffice, da ich gar keine Zeit hätte zu den einzelnen Anwälten zu fahren, die bei mir auch nicht gerade um die Ecke sind. Du müsstest Dir also vorab überlegen, was Du genau tun möchtest.

Bevor Du in die Selbständigkeit gehst, solltest Du dich auf jeden Fall auch von einem Steuerberater beraten lassen und auch bedenken, dass Du nicht sofort mit Aufträgen etc. überhäuft wirst. Du musst Werbung machen etc.

Ich selbst habe seit Jahren den Luxus, dass ich keine Werbung mehr schalten muss und die Neukunden auf mich zukommen und ich mir aussuchen kann für wen ich arbeiten will und für wen nicht. Allerdings - und das ist auch ganz wichtig - habe ich aber auch bei den Stammkunden immer die Freiheit zu sagen, dass ich einen Auftrag nicht annehme. Wobei es bei mir tatsächlich derzeit so ist, dass ich gar keine neuen Kunden mehr annehmen kann.

Du brauchst auf jeden Fall mehrere Auftraggeber, um nicht in die Scheinselbständigkeit zu rutschen und wenn Du in die Kanzleien vor Ort arbeitest musst Du auch bezüglich Scheinselbständigkeit aufpassen. Du solltest Dich also über das Thema Scheinselbständigkeit entsprechend informieren.

Du benötigst wenn Du von zu Hause arbeitest diverse Programme / Lizenzen. Auch bei z.B. Word musst Du aufpassen, dass Du die Lizenz Business hast, da du mit den anderen Lizenzen kein Geld verdienen darfst.

Neben diversen Programmlizenzen benötigst Du natürlich PC, Versicherung etc.

Ich habe Kunden, die melden sich nur 2-3 x im Jahr, dann habe ich welche die melden sich Wöchentlich/monatlich und benötigen Hilfe.

Wenn Du keine Zulassung zum Inkassobüro hast, dann darfst Du z.B. im eigenen Namen sowieso kein Mahnverfahren einleiten, du musst also auch hier genau schaun, was Du anbieten kannst/darfst.

Auch Deine Vergütung entscheidest Du selbst wie hoch diese ist. Wenn ich vor Ort arbeite, dann kommen eben noch Fahrtkosten/Parkgebühren dazu, was wegfällt, wenn ich nicht vor Ort arbeite.
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Tigerle
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#3

08.09.2021, 13:33

Noch ein Nachtrag. Wenn Du nur auf selbständiger Basis tätig sein willst, musst Du natürlich auch bedenken, dass du während Urlaub/Krankheit kein Geld verdienst und Du dich auch hier entsprechend absichern musst.
Kael
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#4

08.09.2021, 14:42

Danke für die schnelle Antwort!

Wegen den Lizenzen der Software mache ich mir da noch keine große Gedanken. Gerade da auch viel Freeware-Software auf dem Markt ist die vor allem auch mit Linux funktioniert. War vorher auch im IT-Segment tätig deswegen hab ich da wohl den ein oder anderen kleinen Vorteil :D

Aber gerade auch bei anderen Programmen: Wie ist dort der Ablauf? Bei Telefonie, Terminverlegungen etc. etc. ist das ganze ja noch relativ simpel. Möglicherweise stell ich mir das Aufgabenspektrum gerade auch etwas zu spezifisch vor. Kenne ja nur den generellen Ablauf in der Kanzlei selbst.

Vor allem die Frage: "Welche Tätigkeiten sind überhaupt möglich"
Ist etwas wo ich gerade vor allem am rumsuchen bin.
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Andy66
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#5

08.09.2021, 15:29

Wegen der Software solltest Du aber bedenken, dass viele Kanzleien spezielle Anwaltsprogramme nutzen. Um für sie arbeiten zu können, brauchst Du dann entweder einen vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Zugang oder eine eigene Lizenz. In wie weit sich Selbständigkeit und das Nutzen von durch den Auftraggeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmitteln zusammenpassen, muss ein Steuerberater klären.

Sicher kann man Word Dokumente auch auf Open Office oder LibreOffice bearbeiten und andersrum. 100%ig kompatibel sind sie aber nicht immer, da muss auch mal was angepasst werden. Gleiches dürfte für die entsprechenden Tabellenkalkulationen gelten. Und letztlich müssen die erzeugten Dokumente dann in die Anwaltssoftware eingepflegt werden, damit sie von der Kanzlei weiterbearbeitet werden können.

Ich kenne selbständige Refas, die als Sachbearbeiter für die Kanzleien arbeiten z.B. bei der Forderungsbeitreibung oder Unfallregulierung. Das setzt aber voraus, dass man wirklich entsprechend tiefergehendes Wissen hat - sonst gibts ganz schnell keine Folgeaufträge mehr.

Andere beschäftigen sich mit Textverarbeitung, die klassischen Schreibkräfte. Das wird wohl auch weniger, wenn mehr Anwälte mit Spracherkennungsprogrammen arbeiten.

Dann gibts welche, die sich auf Abrechnungen spezialisiert haben und als RVG-Profis in manchen Kanzleien die gesamten Abrechnungen übernehmen. Und dann noch die Universalkräfte, die - z.B. als Urlaubsvertretungen für den Empfang oder das klassische Sekretariat einspringen. Und dann gibts noch welche, die die Buchhaltung für die Kanzlei bzw. die Buchhaltungsvorbereitung und Überwachung der Fremdgelder erledigen.

Ich bin sicher, es gibt noch weitere Möglichkeiten, wie man sich als Refa selbständig machen kann. Selbständig in dem Sinn, dass man quasi als Subunternehmer für Kanzleien arbeitet. Nach außen tritt immer der Anwalt auf.

Letztlich arbeitet man als Refa immer dem Anwalt zu, das ist nunmal das Berufsbild. Die beiden Berufe ergänzen sich. Natürlich muss deine Tätigkeit am Ende vom Anwalt bestätigt werden. Er ist der Berufsträger und hat das Haftungsrisiko. Außerdem gehen die Leute ja zum Anwalt, um sich von dem beraten und vertreten zu lassen (was wir als Refas eh nicht dürfen). Also wird unsere Arbeit immer unter dem Mantel des Anwalts stattfinden. Es sei denn, man hat eine Inkassolizenz (Forderungsbeitreibung oder Unfallregulierung). Dann trägt man aber auch das Haftungsrisiko selbst. Und ob viele Leute statt zum Anwalt zu einer selbständigen Refa gehen? Denn letztlich kann jede Angelegenheit auch vor Gericht enden, gegebenenfalls müsstest Du dann entweder das Verfahren an einen Anwalt weitergeben oder selbst beim Amtsgericht auftreten.
Erfahrung ist das, was man bekommt, wenn man das was man will nicht kriegt
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Tigerle
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#6

09.09.2021, 16:31

Ich kann mich den Ausführungen von Andy66 nur anschließen.

Vielleicht solltest Du mal schreiben, was genau Du Dir vorstellst, was Du machen willst.
Kael
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#7

10.09.2021, 10:55

Die Idee kam in erster Linie nur mal grob da ich von 2 Anwälten angefragt wurde ob ich dies bei ihnen machen wollen würde. Gerade bin ich eher an der praktischen Umsetzung am hapern. Gerade auch da in der Kanzlei so gesehen ein 'Arbeitsplatz' zur Verfügung gestellt werden muss sowie man auf die Daten dahingehend irgendwie zugreifen müsste.

Die simpelste Methode wäre, wenn ein Kanzlei-PC ebenfalls zur Verfügung steht und dieser 'dauer-an' wäre, über Teamviewer mit 1 Lizenz drauf zuzugreifen. (ist dann auch keine Kostenexplosion)
und die andere wäre: Für jedes Programm eine Eigen-Lizenz beantragen und schauen wie das klappt. Abgesehen von den daraus folgenden weiteren IT-Komplikationen wie Verbindungen etc. etc. Da geht es eben auch um die Machbarkeit des ganzen.
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Adora Belle
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#8

10.09.2021, 15:06

Das scheitert meist an der Scheinselbständigkeit. Insbesondere wenn Dir Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden. Die Prüfer haben seit ein paar Jahren Kanzleien verstärkt auf dem Schirm.
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Tigerle
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#9

10.09.2021, 15:35

Bezüglich der Scheinselbständigkeit gibt es viele Seiten, auf denen Du Dich informieren kannst, Im Grunde sollten aber folgende Fragen überwiegend mit ja beantwortet werden können, damit man eher nicht in den Bereich der Scheinsselbständigkeit fällt:
  • Bist Du in der Kundenakquise und Werbung für sein eigenes Unternehmen aktiv?
  • Bist Du frei von Weisungen des Auftraggebers?
  • Grenzen sich Deine Aufgaben von denen der Festangestellten ab?
  • Bist Du frei von regelmäßigen Berichten über Leistungen?
  • Kannst Du deine Arbeitszeiten selbst bestimmen?
  • Ist der Arbeitsplatz für den Auftragnehmer (überwiegend) frei wählbar?
  • Trittst Du nach Außen als Selbstständiger auf?
  • Bist du frei von Hard- und Software, die eine Kontrolle seitens des Auftraggebers zulassen?
  • Nutzt Du eigenes Briefpapier, Visitenkarten mit dem Namen deines eigenen Unternehmens etc.?
Es wird davon zusätzlich von Scheinselbständigkeit ausgegangen wenn Du:
  • dauerhaft für einen einzigen Auftraggeber tätig ist (mehr als ca. 83 %)
und
  • selbst regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Mitarbeiter beschäftigst
sowie
  • dessen Aufträge Dir 5/6 deines Umsatzes liefern
Bei nur 2 Auftraggebern, ist es sehr schwierig wie du siehst.
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Andy66
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#10

13.09.2021, 10:21

Grundsätzlich liegen die Vorteile hier klar beim Auftraggeber: einen freien Mitarbeiter zahlt man nur nach Bedarf, bei Krankheit und Urlaub und in Elternzeit (sowas gibts da nicht) also grundsätzlich nicht. Das volle Risiko liegt beim Freelancer. Das ist für den Auftraggeber natürlich toll, denn man kann damit Arbeitsspitzen einfach und billig abfangen kann.

Wenn dann plötzlich kein Bedarf mehr besteht steht man ohne Einkommen da. Und Anspruch auf Arbeitlosengeld haben Selbständige auch nicht. Außerdem bist Du ständig auf Abruf; wenn man einen Aufttraggeber zu oft vertröstet, sucht der sich jemand anderen. Also wirds grundsätzlich schwierig mit Urlaub, die Arbeitszeiten sind dann so wieso nicht mehr 8-17h sondern das, was der Auftrag verlangt, und das geht dann schon mal übers Wochenende und bis spät in die Nacht. Selbst und ständig ist die Definition von Selbständig. NIcht "hurrah, ich habe keinen Chef mehr".

Bitte verkaufe dich auch nicht zu billig. Bedenke, Du musst dich dann selbst krankenversichern und diese Kosten voll tragen. Ermittle dein derzeitiges Arbeitgeberbrutto pro Stunde (also incl. Arbeitgeberanteil für die Sozialversicherungen) und schlage noch drauf, was Du an sonstigen Kosten hast, Du willst ja nicht schlechter dastehen als eine Festangestellte. Bitte rechne dir da nichts schön "das sehe ich dann", "das wird schon nicht so teuer" haben schon vielen finanziell den Hals gebrochen. Da ist man dann schnell bei € 35,00 - 40,00/Stunde - den derzeitigen Satz von Freelancern in unserem Job hab ich nicht auf dem Schirm, da wissen die Kolleginnen hier im Forum sicher mehr. Denn Du musst damit ja auch die Zeiten abfedern, in denen Du wenige Aufträge hast oder nicht arbeiten kannst.

Und jetzt klär mal, ob deine zwei Nachfrager dich auch ernsthaft für diese Konditionen beauftragen würden. Vielleicht wäre es günstiger für dich, wenn Du bei einem einen genehmigten Nebenjob auf 450-€-Basis machst.
Erfahrung ist das, was man bekommt, wenn man das was man will nicht kriegt
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