Keine berufliche Zukunft wegen Behinderung?
Verfasst: 06.07.2021, 18:06
Liebes Forum,
ehrlich gesagt kostet es mich gerade große Überwindung das hier öffentlich zu schreiben und es tut mir leid, wenn das jetzt ein etwas längerer Text wird, aber ich brauche gerade einen Austausch, Anregungen, vielleicht auch ein bisschen Trost oder eigene Erfahrungen. Falls das im falschen Unterforum gelandet ist, bitte verschieben, ich bin hier länger nicht aktiv gewesen und kenne mich nicht so gut aus.
Ich bin jetzt 34 Jahre alt und habe 2015 meine ReNo Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Ich hatte mich damals bewusst dazu entschieden, nochmal eine Ausbildung zu machen, weil ich in meinem ersten Beruf (Verkäuferin) kreuzunglücklich war (Meine Mutter und mein Stiefvater hatten mich dazu gezwungen damals) und ich nach mehreren Praktika damals gemerkt habe, dass der Beruf total mein Ding ist. Die Ausbildung war natürlich hart und ich bin oft auf dem Zahnfleisch gekrochen, aber ich habe sie gleichzeitig auch in vielerlei Hinsicht genossen, weil ich wirklich viel gelernt habe und weil mein Chefin damals mich und meine Initiative sehr wertgeschätzt und gefördert hat. Und ich war so stolz als ich den Abschluss hatte, weil es sich das erste mal in meinem Leben angefühlt hat, als hätte ich WIRKLICH etwas erreicht.
Nachdem ich die Ausbildung abgeschlossen hatte, habe ich mich sehr motiviert beworben. Ich versuchte, in Frankfurt Fuß zu fassen, doch ich scheiterte. Sage und schreibe drei Stellen verlor ich innerhalb eines Jahres. Ich muss dazu sagen, dass ich damals unter sehr schweren Depressionen litt und ich bei den Stellen, die ich hatte mich auch nicht wirklich gut aufgehoben gefühlt hatte (Stichwort "Bore out Syndrom"). Aufgrund der Depressionen machte ich leider viele Konzentrationsbedingte Fehler und je hartnäckiger ich mich bemühte, wirklich gut in meinem Job zu sein und sorgfältig zu arbeiten, desto "schlechter" wurde ich, was dann in allen drei Fällen schlussendlich zur Kündigung führte.
Die letzte Stelle verlor ich 2016, und es sollte Jahre dauern, ehe ich überhaupt wieder den Mut fasste, mich zu bewerben. Denn mein Selbstwertgefühl war komplett gebrochen. Ich fühlte mich lange wie ein Mensch zweiter Klasse, habe mich geschämt, wenn ich früheren Mitauszubildenden/Berufsschulkolleginnen begegnet bin oder überhaupt jemandem zu erzählen, dass ich so gescheitert bin, nachdem ich allen erzählt hatte, wie glücklich mich meine Ausbildung macht und dass ich mich wirklich eine Zukunft in diesem Beruf vorstellen könnte.
Ich fühlte mich wie ein Totalversager. Ich war natürlich während der ganzen Zeit in Therapie, als es mir richtig schlecht ging sogar eine ganze Weile immer mal wieder in Kliniken, ehe es 2019 langsam und allmählich ENDLICH besser wurde. Ich bin seit 2016 auch mit einer Borderline-Störung diagnostiziert und mache seit eineinhalb Jahren eine DBT (Das ist eine spezielle Therapieform für diese Erkrankung), wobei ich große Fortschritte mache. Meine zwischenmenschlichen Beziehungen sind gesünder und mein Selbstwert ist auch nicht mehr so katastrophal zerstört wie noch vor einigen Jahren. Trotzdem hat es bis ca. Anfang letztes Jahr gedauert, ehe ich wirklich den Mut gefasst habe, wieder arbeiten gehen zu wollen. Ich war (und bin weitestgehend) depressionsfrei und fühlte mich gewachsen die Baustelle Arbeit anzugehen. Ich hatte mir vorgestellt, mit einem Aushilfsjob zu starten und mich dann nach und nach, sofern es meine Kräfte zulassen, zu steigern. Ich habe übrigens mittlerweile auch einen Behindertenstatus von 50%.
Jetzt, ein Jahr später, ist von der Motivation nicht mehr viel übrig. Ich werde ständig nur abgelehnt und das aus ganz verschiedenen Gründen.
Wenn ich nicht schon von vorneherein ohne Chance auf Vorstellungsgespräch aussortiert werde, sind die potentiellen Arbeitgeber meistens natürlich nicht begeistert darüber, dass ich fünf Jahre aus dem Beruf draußen bin. Wenn es das nicht ist, dann sind die maximal 20 h die ich pro Woche starten konnte (um mich nicht gleich zu überfordern), zu wenig. Oder mein Behindertenstatus stört und weil ich schwerbehindert bin, wird meine Arbeit als minderwertiger angesehen als von jemand Gesundem (das ist mir leider schonmal in einem Vorstellungsgespräch passiert, dass der Anwalt solche Äußerungen in der Richtung machte, es ja keinen Sinn machen würde, mich einzustellen, weil er dann ja noch jemanden bräuchte, der quasi meine Arbeit erledigt.)
Es ist richtig, dass ich anfangs etwas länger brauche, um in die Abläufe eines neuen Büros einzusteigen, das heißt aber nicht, dass ich meine Arbeit schlampig mache, ich bin anfangs eben nur etwas langsamer und frage manchmal eben etwas öfter nach. Das ist eine Spätfolge meiner Erkrankung und daran kann ich leider nichts ändern, so sehr ich gerne würde
Ich mache natürlich keinem Arbeitgeber einen Vorwurf, wenn er den perfekten Mitarbeiter für sich sucht. Aber ich bin so verzweifelt mittlerweile. Was soll ich denn machen? Ich kann ja weder die fünf Jahre, noch die Spätfolgen meiner Erkrankung einfach wegzaubern. Ich bin erst 34 und die Vorstellung in Frührente zu gehen oder in eine Behindertenwerkstatt abgeschoben zu werden erfüllt mich mit Entsetzen und der Gedanke fühlt sich auch irgendwie erniedrigend an. Ich möchte auch ein bisschen Geld dazu verdienen und eine Aufgabe haben, wie ein ganz normaler Mensch zur Arbeit gehen, aber keiner will mir eine Chance geben, keiner. Neulich hatte ich ein Probearbeiten in einem Büro und die wollten sich bis Anfang letzter Woche melden, aber ich habe nie wieder etwas von denen gehört, was ja auch für sich spricht. Wären sie überzeugt gewesen, hätten sie mir ja relativ zügig zugesagt.
Ich habe auch immer, wenn die Sprache in den Vorstellungsgesprächen darauf kam, dass ich solange nicht gearbeitet habe, gesagt, dass ich sehr daran interessiert bin, selbstständig mein Wissen aufzufrischen, sprich, ich gehe Ausbildungsunterlagen durch, bin im Kontakt mit dem Jobcenter ob mir eventuell Auffrischungsseminare oder was auch immer es da gibt, finanziert werden (mit Hartz 4 kann ich mir das unmöglich selbst leisten), habe auch extra neben meiner Sachbearbeiterin dort auch einen Jobcoach, der extra für Menschen wie mich da ist (leider ist die Kommunikation mit diesem momentan etwas schwierig, da er schon länger nicht mehr antwortet)
Es fällt mir momentan immer schwerer und schwerer, überhaupt Bewerbungen zu schreiben, geschweige denn nach Stellen zu suchen. Ich bin mutlos und traurig und empfinde wieder Gefühle von Unzulänglichkeit und Wertlosigkeit und habe das Gefühl, keine Zukunft zu haben. Es ist kein schönes Gefühl, wenn man Tag um Tag nur zuhause sitzt und sich irgendwie Beschäftigungen aus der Nase zu ziehen um nicht vor Langeweile zu sterben. Vor allem schmerzt dieser Gedanke, weil ich einfach so wahnsinnig viel Energie in meine Ausbildung gesteckt habe. Es fühlt sich an, als wäre einfach alles umsonst gewesen und als hätte ich in meinem Leben überhaupt nichts erreicht. Ich weiß nicht, was aus mir werden soll. Ich will nicht bis an mein Lebensende nur von einem Hartz 4 Satz leben müssen Auch wenn mein Freund mich finanziell unterstützt, ist das keine Daueroption. Und alle meine Freundinnen sind so erfolgreich und größtenteils sehr glücklich in ihren Jobs. Nur ich nicht. Ich habe nie etwas zu erzählen und muss mich fast immer einladen lassen, weil ich selten Geld hab um mal auch nur einen Kaffee trinken zu gehen oder so.
Danke fürs Lesen.
ehrlich gesagt kostet es mich gerade große Überwindung das hier öffentlich zu schreiben und es tut mir leid, wenn das jetzt ein etwas längerer Text wird, aber ich brauche gerade einen Austausch, Anregungen, vielleicht auch ein bisschen Trost oder eigene Erfahrungen. Falls das im falschen Unterforum gelandet ist, bitte verschieben, ich bin hier länger nicht aktiv gewesen und kenne mich nicht so gut aus.
Ich bin jetzt 34 Jahre alt und habe 2015 meine ReNo Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Ich hatte mich damals bewusst dazu entschieden, nochmal eine Ausbildung zu machen, weil ich in meinem ersten Beruf (Verkäuferin) kreuzunglücklich war (Meine Mutter und mein Stiefvater hatten mich dazu gezwungen damals) und ich nach mehreren Praktika damals gemerkt habe, dass der Beruf total mein Ding ist. Die Ausbildung war natürlich hart und ich bin oft auf dem Zahnfleisch gekrochen, aber ich habe sie gleichzeitig auch in vielerlei Hinsicht genossen, weil ich wirklich viel gelernt habe und weil mein Chefin damals mich und meine Initiative sehr wertgeschätzt und gefördert hat. Und ich war so stolz als ich den Abschluss hatte, weil es sich das erste mal in meinem Leben angefühlt hat, als hätte ich WIRKLICH etwas erreicht.
Nachdem ich die Ausbildung abgeschlossen hatte, habe ich mich sehr motiviert beworben. Ich versuchte, in Frankfurt Fuß zu fassen, doch ich scheiterte. Sage und schreibe drei Stellen verlor ich innerhalb eines Jahres. Ich muss dazu sagen, dass ich damals unter sehr schweren Depressionen litt und ich bei den Stellen, die ich hatte mich auch nicht wirklich gut aufgehoben gefühlt hatte (Stichwort "Bore out Syndrom"). Aufgrund der Depressionen machte ich leider viele Konzentrationsbedingte Fehler und je hartnäckiger ich mich bemühte, wirklich gut in meinem Job zu sein und sorgfältig zu arbeiten, desto "schlechter" wurde ich, was dann in allen drei Fällen schlussendlich zur Kündigung führte.
Die letzte Stelle verlor ich 2016, und es sollte Jahre dauern, ehe ich überhaupt wieder den Mut fasste, mich zu bewerben. Denn mein Selbstwertgefühl war komplett gebrochen. Ich fühlte mich lange wie ein Mensch zweiter Klasse, habe mich geschämt, wenn ich früheren Mitauszubildenden/Berufsschulkolleginnen begegnet bin oder überhaupt jemandem zu erzählen, dass ich so gescheitert bin, nachdem ich allen erzählt hatte, wie glücklich mich meine Ausbildung macht und dass ich mich wirklich eine Zukunft in diesem Beruf vorstellen könnte.
Ich fühlte mich wie ein Totalversager. Ich war natürlich während der ganzen Zeit in Therapie, als es mir richtig schlecht ging sogar eine ganze Weile immer mal wieder in Kliniken, ehe es 2019 langsam und allmählich ENDLICH besser wurde. Ich bin seit 2016 auch mit einer Borderline-Störung diagnostiziert und mache seit eineinhalb Jahren eine DBT (Das ist eine spezielle Therapieform für diese Erkrankung), wobei ich große Fortschritte mache. Meine zwischenmenschlichen Beziehungen sind gesünder und mein Selbstwert ist auch nicht mehr so katastrophal zerstört wie noch vor einigen Jahren. Trotzdem hat es bis ca. Anfang letztes Jahr gedauert, ehe ich wirklich den Mut gefasst habe, wieder arbeiten gehen zu wollen. Ich war (und bin weitestgehend) depressionsfrei und fühlte mich gewachsen die Baustelle Arbeit anzugehen. Ich hatte mir vorgestellt, mit einem Aushilfsjob zu starten und mich dann nach und nach, sofern es meine Kräfte zulassen, zu steigern. Ich habe übrigens mittlerweile auch einen Behindertenstatus von 50%.
Jetzt, ein Jahr später, ist von der Motivation nicht mehr viel übrig. Ich werde ständig nur abgelehnt und das aus ganz verschiedenen Gründen.
Wenn ich nicht schon von vorneherein ohne Chance auf Vorstellungsgespräch aussortiert werde, sind die potentiellen Arbeitgeber meistens natürlich nicht begeistert darüber, dass ich fünf Jahre aus dem Beruf draußen bin. Wenn es das nicht ist, dann sind die maximal 20 h die ich pro Woche starten konnte (um mich nicht gleich zu überfordern), zu wenig. Oder mein Behindertenstatus stört und weil ich schwerbehindert bin, wird meine Arbeit als minderwertiger angesehen als von jemand Gesundem (das ist mir leider schonmal in einem Vorstellungsgespräch passiert, dass der Anwalt solche Äußerungen in der Richtung machte, es ja keinen Sinn machen würde, mich einzustellen, weil er dann ja noch jemanden bräuchte, der quasi meine Arbeit erledigt.)
Es ist richtig, dass ich anfangs etwas länger brauche, um in die Abläufe eines neuen Büros einzusteigen, das heißt aber nicht, dass ich meine Arbeit schlampig mache, ich bin anfangs eben nur etwas langsamer und frage manchmal eben etwas öfter nach. Das ist eine Spätfolge meiner Erkrankung und daran kann ich leider nichts ändern, so sehr ich gerne würde
Ich mache natürlich keinem Arbeitgeber einen Vorwurf, wenn er den perfekten Mitarbeiter für sich sucht. Aber ich bin so verzweifelt mittlerweile. Was soll ich denn machen? Ich kann ja weder die fünf Jahre, noch die Spätfolgen meiner Erkrankung einfach wegzaubern. Ich bin erst 34 und die Vorstellung in Frührente zu gehen oder in eine Behindertenwerkstatt abgeschoben zu werden erfüllt mich mit Entsetzen und der Gedanke fühlt sich auch irgendwie erniedrigend an. Ich möchte auch ein bisschen Geld dazu verdienen und eine Aufgabe haben, wie ein ganz normaler Mensch zur Arbeit gehen, aber keiner will mir eine Chance geben, keiner. Neulich hatte ich ein Probearbeiten in einem Büro und die wollten sich bis Anfang letzter Woche melden, aber ich habe nie wieder etwas von denen gehört, was ja auch für sich spricht. Wären sie überzeugt gewesen, hätten sie mir ja relativ zügig zugesagt.
Ich habe auch immer, wenn die Sprache in den Vorstellungsgesprächen darauf kam, dass ich solange nicht gearbeitet habe, gesagt, dass ich sehr daran interessiert bin, selbstständig mein Wissen aufzufrischen, sprich, ich gehe Ausbildungsunterlagen durch, bin im Kontakt mit dem Jobcenter ob mir eventuell Auffrischungsseminare oder was auch immer es da gibt, finanziert werden (mit Hartz 4 kann ich mir das unmöglich selbst leisten), habe auch extra neben meiner Sachbearbeiterin dort auch einen Jobcoach, der extra für Menschen wie mich da ist (leider ist die Kommunikation mit diesem momentan etwas schwierig, da er schon länger nicht mehr antwortet)
Es fällt mir momentan immer schwerer und schwerer, überhaupt Bewerbungen zu schreiben, geschweige denn nach Stellen zu suchen. Ich bin mutlos und traurig und empfinde wieder Gefühle von Unzulänglichkeit und Wertlosigkeit und habe das Gefühl, keine Zukunft zu haben. Es ist kein schönes Gefühl, wenn man Tag um Tag nur zuhause sitzt und sich irgendwie Beschäftigungen aus der Nase zu ziehen um nicht vor Langeweile zu sterben. Vor allem schmerzt dieser Gedanke, weil ich einfach so wahnsinnig viel Energie in meine Ausbildung gesteckt habe. Es fühlt sich an, als wäre einfach alles umsonst gewesen und als hätte ich in meinem Leben überhaupt nichts erreicht. Ich weiß nicht, was aus mir werden soll. Ich will nicht bis an mein Lebensende nur von einem Hartz 4 Satz leben müssen Auch wenn mein Freund mich finanziell unterstützt, ist das keine Daueroption. Und alle meine Freundinnen sind so erfolgreich und größtenteils sehr glücklich in ihren Jobs. Nur ich nicht. Ich habe nie etwas zu erzählen und muss mich fast immer einladen lassen, weil ich selten Geld hab um mal auch nur einen Kaffee trinken zu gehen oder so.
Danke fürs Lesen.