Unfall nachträglich mit Vollkasko abrechnen um Quotenvorrecht zu nutzen?

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WörkWörk
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#1

07.12.2020, 14:01

Hallo,
wir haben hier gerade folgenden Fall:

Ein Mandant hatte einen Verkehrsunfall und beauftragte uns mit der Geltendmachung gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners. Eine Vollkaskoversicherung habe er nicht. Wir haben Reparaturkosten, Rechtsanwaltskosten, Gutachterkosten und die Schadenspauschale geltend gemacht. Es sah auch erst so aus als würde die Haftpflicht voll zahlen. Im Endeffekt hat die Haftplflichtversicherung die Haftung jedoch nur zur Hälfte übernommen. Das Geld wurde auch bezahlt. Wir haben dies dem Mandanten mitgeteilt und um Rückmeldung gebeten, wie wir weiter vorgehen sollen - daraufhin hat er uns heute per Mail die Daten seiner Vollkaskoversicherung mitgeteilt. :patsch
Hätte er uns die gleich gegeben hätten wir die ganze Sache wahrscheinlich ganz anders angefangen. Soweit ich mich erinnere, schreiben wir immer erst die Vollkasko an wenn der Mandant über eine verfügt.

Mich würde mal interessieren was man jetzt machen müsste, bzw. Ihr eine solche Situation in der Praxis löst. Kann man das Quotenvorrecht überhaupt noch nutzen? Müssten wir dann das Geld der Haftpflicht zurückzahlen und eine neue Forderung geltend machen? Die Haftpflicht hat ja jetzt die Hälfte der Reparaturkosten, der Rechtsanwaltskosten, der Gutachterkosten und der Schadenspauschale gezahlt. Hätte man erst mit der Vollkasko abgerechnet, hätten wir 100% der Reparaturkosten abzüglich der Selbstbeteiligung bekommen und müssten nur den Rest von der Haftpflicht fordern. Neu hinzukommen würde der Rückstufungsschaden.
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Anahid
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#2

08.12.2020, 11:26

Den Rückstufungsschaden hat der Mandant sowieso. Was nicht von der Gegenseite gezahlt wurde, kann bei der Vollkasko gefordert werden. Man sollte aber den Mandanten darauf hinweisen, dass das eine gesonderte Angelegenheit ist und eine Kostenerstattung nicht erfolgt. Viele setzen sich dann lieber selbst mit ihrer Vollkasko in Verbindung.
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#3

08.12.2020, 12:14

Bei eurem vorliegenden Fall bin ich der gleichen Meinung, wie Anahid.

Sofern bei Auftragserteilung allerdings schon ersichtlich ist, dass hier nicht voll reguliert wird (oftmals bei Parkplatz-Zusammenstößen), wäre es sinnvoll zu prüfen, ob man hier nicht gemäß Quotenvorrecht bei Unfallangelegenheiten abrechnen kann. Mir wurde aber immer eingetrichtert, dass zuerst mit der Vollkasko-Versicherung abgerechnet wird und danach mit der gegnerischen Haftpflicht-Versicherung. Ist aber auch logisch, nachdem ja z.B. die SB, erst bei Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung anfällt und somit ja vorher noch nicht geleistet wurde. Erst dann kann man diese auch bei der gegnerischen Haftpflicht-Versicherung geltend machen.

Ich stelle mal hier noch ein paar Beispiels ein, wo es sehr schön erklärt ist:

https://www.haufe.de/recht/deutsches-an ... 01718.html

https://www.iww.de/va/archiv/unfallscha ... len-f35373
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#4

09.12.2020, 09:11

Danke für die Antworten.

Ja, es wäre wohl sinnvoll im Zweifel immer die Vollkasko zu bemühen und dann erst die Haftpflicht anzuschreiben, so kenne ich das auch aus der Literatur. Leider findet man nichts dazu, ob man später noch wechseln kann, also der Haftpflicht die bereit ist 2/3 zu zahlen sagt "warte mal, wir rechnen erst mit der Vollkasko ab und holen uns dann nur den Rest von euch". Ich denke inzwischen nciht mehr, dass das geht, denn die Haftpflichtversicherung hat ihre Pflicht ja mit der Leistung von 2/3 erfüllt.
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Anahid
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#5

10.12.2020, 09:05

WörkWörk hat geschrieben:
09.12.2020, 09:11
Ich denke inzwischen nciht mehr, dass das geht, denn die Haftpflichtversicherung hat ihre Pflicht ja mit der Leistung von 2/3 erfüllt.
Wofür auch? Der Mandant steht doch nicht schlechter da als vorher. :kopfkratz Hol den Rest jetzt von der Vollkasko und dann passt es doch.
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#6

10.12.2020, 12:31

Ich habe nochmal nachgelesen und bin eigentlich überzeugt, dass unser Mandant wegen des Quotenvorrechts besser da stünde wenn wir erst mit der Vollkasko abgerechnet hätten.

Wir haben als Schadenspositionen:
Gutachten
Reparaturkosten
Schadenspauschale
Rechtsanwaltskosten

Wir bekommen von der Haftplicht von allem 2/3 und unser Mandant kann sich 1/3 der Reparaturkosten von der Kasko holen. Dafür muss er den Selbstbeteiligung zahlen und wird höher gestuft.

Also hätte er bekommen:
Gutachten 2/3
Reparaturkosten 2/3 +1/3-Selbstbeteilung und neu:
Rückstufungschaden
Schadenspauschale 2/3
Rechtsanwaltskosten 2/3


Hätte er erst mit der Kasko abgerechnet hätte er 100% der Reparaturkosten bezahlt bekommen. Die Haftpflicht hätte dann die Selbstbeteiligung und die Gutachtenkosten als quotenbevorrechtigte Positionen zu 100% getragen, Rückstufungsschaden Schadenspauschale und RA-Kosten zu 2/3.

Gutachten voll (von der Haftpflicht)
Reparaturkosten voll (von der Kasko, SB zahlt Haftpflicht)
Rückstufungschaden 2/3 (Haftpflicht)
Schadenspauschale 2/3 (Haftpflicht)
Rechtsanwaltskosten 2/3 (Haftpflicht)
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Anahid
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#7

10.12.2020, 12:37

Ohne mir das jetzt genauer anzuschauen: Rechtsanwaltskosten zahlt die Haftpflicht zu 100 % nach dem von dort gezahlten Betrag. Und alles andere ist jetzt auch echt müßig. Hätt, wenn und wär zu diskutieren, wenn der Weg doch eh nicht zu ändern ist. Es ist doch nicht Euer Fehler, wenn der Mandant Euch gegenüber angegeben hat, er habe keine Vollkasko. Spätestens da höre ich dann hier schon auf, mir irgendwelche Gedanken zu machen. Denn mehr, als danach fragen, kann man bei Mandatsannahme ja nicht und wenn die Mandanten nichtmal wissen, wie ihr Fahrzeug versichert ist....ja dann nach mir die Sintflut. :roll:
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#8

11.12.2020, 10:50

Hast schon recht. Danke nochmal.
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