Wechseln oder nicht?

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Soenny
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#1

23.10.2020, 08:21

Guten Morgen zusammen :wink1

Für eine sehr liebe Kollegin, die schon ewig zum Forum gehört, stelle ich den untenstehenden Text ein, da sie Hilfe benötigt. Sie möchte unerkannt bleiben, ich hoffe, daß ihr ihr trotzdem ein paar Ratschläge und/oder Tipps geben werdet :thx

LG Soenny
______________________________________________________

Ihr Lieben,

vorab, ich weiß natürlich, dass ich die Entscheidung selbst treffen muss, aber mich würde Eure Meinung interessieren.

Ich habe erst vor kurzer Zeit in eine neue Kanzlei gewechselt und war zunächst auch sehr glücklich dort. Im Laufe der Zeit hat sich jedoch alles verändert. Es hat sich rausgestellt, dass die Chefs hier nur leere Versprechungen machen und nichts eingehalten wird. Auch im Punkto Mitarbeiterführung haben sie offenbar keine Ahnung, z.B. ist es so, dass meine unmittelbare Kollegin hier ständig versucht ihr eigenes Ding durchzuziehen. Arbeitsabläufe die hier festgelegt wurden, ignoriert sie und macht die Sachen so, wie es ihr passt. Sie speichert Dokumente zB unter anderen Bezeichnungen (die zu allgemein sind, um ein bestimmtes Dokument später wiederzufinden), führt die Akten anders etc. Aufgaben die sie erledigen soll lässt sie so lange liegen, bis ich mich darum kümmere. Während meiner Urlaubsabwesenheit bleiben Vorgänge, die ich bearbeitet habe einfach liegen, weil sie darauf keine Lust hat. Ich habe mit den chefs auch schon darüber gesprochen. Ergebnis: Mir wird gesagt ich soll das nicht so eng sehen und ihr wird Zucker in den Hintern geblasen. Sie ist hier der Liebling, weil sie auch gern bis spät abends arbeitet, ohne zu murren. Dass ich hier anstatt 38 Std. locker mal 45 Std. die Woche arbeite (und sogar oft noch mehr) wird ignoriert.

Zudem habe ich sehr cholerische Chefs, die hier gern mal rumbrüllen. Mittlerweile passieren mir öfters Fehler, die ich im Normalfall nie machen würde. Ich bin ausgelaugt und habe keine Kraft mehr. Daher überlege ich zu wechseln, weiß aber nicht zu 100%, ob das die Lösung ist. Ich habe mal versucht die Pros und Contras aufzulisten:

Pro
- 2 Kolleginnen sind echt super lieb
- ab und an gibt es kleine Geschenke von der Chefin
- ich verdiene sehr gutes Geld
- gut ausgestattetes Büro
- bezahlte Fortbildungen

Kontra
- meine direkte Kollegin arbeitet gegen mich und ich muss für Ihre Fehler gerade stehen, weil der Chef nur ihr glaubt
- ich fange selbst an, Fehler zu machen
- ich bin die einzige die kein 13. Gehalt bekommt (wurde zwar oft angekündigt, aber bisher nicht gezahlt)
- ständige Überstunden
- Futurefaking - mir wird viel versprochen (Sonderzahlung etc.) und nichts passiert
- 2 Chefs sind seeehr launenhaft und brüllen dann schon mal durchs Büro (damit auch die ganze Etage weiß, das was schief gelaufen ist)

Eine meiner Kolleginnen meint, ich solle ein Gespräch mit meiner unmittelbaren Kollegin und den Chefs führen. Ich denke aber das bringt nichts, weil es ja nicht um organisatorische Dinge geht, sondern um deren Wesen. Eine Freundin meint, ich bin zu empfindlich (Wechseljahre) :-(

Was sagt Ihr dazu und wie würdet Ihr entscheiden?
❤️ Ich helfe Straßenkatzen, bitte helft mit: Homepage der Straßenkatzen Bonn/Rhein-Sieg e.V. ❤️

Bei manchen Menschen ist es interessant zu sehen, wie das Alter den Verstand überholt hat! (Autor: A.G.)


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An die Person, die meine Schuhe versteckt hat, während ich auf der Hüpfburg war: Werd' erwachsen! :motz
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Ciara
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#2

23.10.2020, 08:32

Also cholerische Chefs gehen in meinen Augen gar nicht. Ich kann mit sowas auch ganz schlecht umgehen. Das ist aber natürlich auch bei jedem unterschiedlich. Ich kenne auch welche, die lässt das völlig kalt und die können darüber hinwegsehen. Respekt dafür. Geht bei mir gar nicht. Und wie du schon sagst, geht es da um das Wesen an sich und die Leute ändern sich nicht einfach um 180 Grad.

Ich versuche immer zu schauen, ob das positive überwiegt. Denn irgendwas ist immer und über irgendwas regt man sich auch mal auf usw., wenn das aber Überhand nimmt und kein Ende mehr, schaue ich mir das nur eine bestimmte Zeit an. Ändert es nichts, ziehe ich Konsequenzen. Ich überlege dann, ob das eine Situation ist, mit der ich auf Dauer klar komme. Ich bin aber auch jemand, der Dinge vorher häufig anspricht, um die Gelegenheit zu geben, dass sich was ändern kann. Das hast du ja auch schon getan.

Ich würde mir folgende Fragen stellen:

Gehe ich noch gerne zur Arbeit?
Ist diese Situation für mich auf Dauer tragbar?
Bin ich der Meinung, dass sich irgendwas ändern wird?

Wenn die Antworten nein sind, dann würde ich einen Wechsel in Betracht ziehen, egal, ob ich grad erst gewechselt habe. Man muss ja auch noch einige Jahre durchhalten und man sollte gerne zur Arbeit gehen.
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#3

23.10.2020, 08:38

Ergänzend zu Ciara: Will ich genau diesen Job bis zur Rente machen?

Deine "pros" in allen Ehren, aber keins davon und auch nicht alle zusammen sind es wert, dass Du Dich nervlich kaputt machst. Ich würde gehen an Deiner Stelle. Die "pros" findest Du auch woanders, wenn vielleicht auch nicht alle. Ein neues Nervenkostüm nicht.
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#4

23.10.2020, 08:48

Wenn Du erst vor Kurzem gewechselt hast und jetzt schon so unglücklich bist, wird sich das sicherlich nicht ändern. Es gibt leider Kollegen, die Narrenfreiheit haben - weshalb auch immer. Hier sagen die Chefs ja selbst, dass der einen Kollegen "Zucker in den Hintern geblasen wird". Und daran wird sich sicherlich nichts ändern.

Bei den "Pro" hast Du hauptsächlich materielle Dinge aufgelistet, die aber m.E. in keinem Verhältnis zu den "Kontras" stehen. Was bringt es, gut zu verdienen, ein toll ausgestattetes Büro zu haben, etc. wenn man nicht gerne in die Arbeit geht und auch weiß, dass sich an der Situation nichts ändern wird?

Ein Gespräch mit der bestimmten Kollegin und den Chefs wird nichts bringen, da die Chefs ihren Standpunkt bereits geäußert haben.

Möglich, dass Du aufgrund der Wechseljahre empfindsamer bist, das hat aber nichts damit zu tun, dass die Chefs rumbrüllen, Du Überstunden machst, Zusagen nicht eingehalten werden, etc.
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Sputnik85
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#5

23.10.2020, 08:51

Liebe Kollegin,

für mich war bei "Ich bin ausgelaugt und habe keine Kraft mehr." schon Feierabend.

Ich schließe mich insofern meinen Vorschreibern an.

Ich würde evtl trotzdem einmal das Gespräch suchen und alles ansprechen - dies aber auch nur, wenn du wirklich Potential siehst, dass sie sich irgendwie ändern würden.

Finde es übrigens unmöglich, dass deine "Freundin" sagt, du wärst zu empfindlich. Gehts noch?? Wenn es dir dort nicht gut geht und du dich nicht wohlfühlst hat das nicht mit Empfindlichkeiten zu tun. Könnt ich ausrasten bei sowas...

Sind wir mal ehrlich: Dieser Moment, wenn wir uns dann hier im Forum doch öffnen, wenn auch anonym, ist doch schon der Hilfeschrei. Bitte mach dich nicht weiter kaputt. Schraub einen Gang runter, geh alle Stellenanzeigen durch und bewirb dich neu. Ich gehe davon aus, du kennst uns, also die Forenbande. Du weißt genau, dass wir dir genau das raten.

Ich finde es jedes Mal so schade, wenn man in ein neues Büro wechselt, was meistens im Vorstellungsgespräch ein komplett anderes Bild abgeliefert hat und man dann in so eine Hölle kommt. Tu dir das auf Dauer nicht an.
:niveau
Deans Schrei Bild Pudding!!! Bild

Nein, ich bin nicht böse. Ich bin nur manchmal nicht ganz nett.

The devil whispered: "You can not withstand the storm". I answered: "I am the storm.."

Mit mir ist gut Kirschen essen. Und Schokolade. Und Gummibären. Und Steak. Und Pommes. Und Pizza. Und Kuchen. Und auf Wunsch auch Eis.
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#6

23.10.2020, 08:57

Also ich würde an Deiner Stelle auch wechseln.

Wenn Du schon mit Bauchweh da morgens hingehst nützt das gar nichts. Ich spreche da aus Erfahrung. Über kurz oder lang wird man krank, das hat keinen Wert.

Allerdings könntest Du Dich über Deine Kollegin beschweren und darauf drängen, dass er mit ihr spricht. Es klingt ja fast schon nach Mobbing, was sie da macht. Allerdings wird sich da wohl auch wirklich nichts ändern, da es sein Liebling ist. Manchmal kann eine Beschwerde Wunder wirken. Hatte mich hier auch über eine Kollegin beschwert und der Chef hatte wohl auch angst, dass ich den Laden verlasse, da ich ihm sagte, dass ich mir das nicht gefallen lasse und mich ansonsten anderweitig umsehe. Es scheint etwas gebracht zu haben. Wir kommen jetzt zumindest miteinander aus. Aber wenn Du schon sagst der Chef glaubt alles Deiner Kollegin, nee dann wird das nichts und Du wirst weiter unglücklich sein. Guck Dich um. Es gibt auch noch Anwälte, die das besser im Griff haben.

Wünsche Dir viel Glück bei Deiner Entscheidung.
.
Liebe Grüße

Sylvia

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#7

23.10.2020, 09:16

Guten Morgen, liebe Kollegin,

hier wurde genau genommen schon alles gesagt - und schön auf den Punkt gebracht.

Nun der Rat von einer, die es schon bis zum Ende (grob gesagt Burnout) getrieben hat: Bitte such dir schnell was Neues.
Aus meiner Sicht wiegen die Kontras sehr viel schwerer als die Pros. Was willst du mit einem tollen Gehalt, wenn du nicht glücklich bist?

Fühl dich gedrückt. Ich wünsche dir viel Erfolg und alles Gute.
Mit mir kann man Pferde stehlen ... aber morgen bringen wir sie zurück :!:
Ramona A.
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#8

23.10.2020, 11:15

Ich habe auch vor kurzem (7 Monate) gewechselt und denke, man muss dem ganzen auch eine gewisse Zeit geben. Meine unmittelbare Kollegin war zwar sehr nett, aber auch sehr bestimmt. Das machen wir hier immer so...usw. Dabei ging es auch um Konkurrenz. Ich glaube, da geht es auch um die Angst, irgendwelche Pfründe zu verlieren, wenn jemand kommt, der gut ist. Ich habe mir das angehört und bis zu einem gewissen Grad akzeptiert. Ansonsten habe ich meinen Chef gefragt, ob es ihn stört, wenn ich das so oder so mache. Der war dann ganz angetan davon und hat mich unterstützt. Das kann gelingen, muss aber nicht.
Choleriker findet man ja überall. Da ist es immer die Frage, wie nahe lässt man das an sich heran. In meiner früheren Kanzlei gab es auch so einen, der meinte, er muss die Leute niederschreien, dann ist er größer.
Meine Antwort darauf: keine. Ich habe nicht reagiert und mich vor allen Dingen nicht entschuldigt und eine Rechtfertigung abgegeben. Ich habe es einfach ignoriert.
Zeitweilig war ich in der neuen Kanzlei sehr unglücklich und habe auch gedacht, einen Fehler gemacht zu haben. Jetzt ist meine unmittelbare Kollegin weg (sie hat aus persönlichen Gründen gekündigt) und alles ist gut.
Du hast ja keine Garantie, dass es in einem anderen Büro besser ist oder nicht auch noch schlechter. Ein Vorstellungsgespräch oder auch 1 oder 2 Tage probearbeiten sagen ja leider nicht viel aus. Wie es wirklich ist, merkt man ja erst nach ein oder zwei Monaten.
Vielleicht bespricht du mal mit den 'netten' Chef und Kollegen, ob ein Gespräch was bringen könnte. Wenn du es machst, solltest du dich aber gut vorbereiten und insbesondere konkrete Beispiele nennen können, bei denen du dich nicht gut gefühlt hast.
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#9

23.10.2020, 12:22

Deine Schilderung klingt für mich sehr nach Führungsschwäche. Es ist die ureigene Aufgabe der Chefs, klare und für alle Beteiligten nachvollziehbare Ansagen zu machen. Wenn - wie offenbar in Deinem derzeitigen Arbeitsumfeld - ein Führungsvakuum besteht, gibt es immer Menschen, die das für sich ausnutzen und sich Dinge herausnehmen, die "von oben" unterbunden werden müssten. Geschieht dies nicht, ist der Unfrieden groß und wird im Lauf der Zeit immer größer. Die schlechte Stimmung fällt zwar letztlich wieder den Chefs vor die Füße, weil die Produktivität insgesamt leidet, doch bis die Führung das erkennt (wenn sie es denn überhaupt tut) kann es lange dauern, zu lange für Dich.

Übrigens sind es oft gerade die leistungsschwächeren Kolleginnen und Kollegen, die, getrieben von Neid oder auch Angst vor Konkurrenz, gegenüber den "Besseren" zu unfairen Mitteln greifen. Diese Erfahrung musste ich auch schon mehrfach machen.

Wenn es Dir nicht gelingt, Deine Chefs durch Gespräche für diesen Missstand zu sensibilisieren, wird sich vermutlich nichts ändern, zumindest nicht in absehbarer Zeit.

Sollte es so sein, bleibt im Interesse Deiner körperlichen und seelischen Gesundheit nur ein Wechsel des Arbeitsplatzes, völlig unabhängig von Deiner Pro-und-Kontra-Liste.

Ich wünsche Dir alles Gute und eine glückliche Hand bei Deiner Entscheidung.

Liebe Grüße unbekannterweise,
Husky98
"Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)
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Luckys
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#10

25.10.2020, 16:59

Liebe Kollegin,

bitte verliere niemals aus den Augen, dass die Gesundheit immer an oberster Stelle stehen sollte. Pro- und Contra-Listen können in der Theorie noch so hilfreich sein, aber der Wert der einzelnen Punkte lässt sich darauf schlecht abbilden. Wie bereits gesagt wurde, kann selbst ein ausgesprochen gutes Gehalt kann die Gesundheit nicht wieder her zaubern. Sei dir bitte auch bewusst, dass deine "Fehler" in der Arbeit wohl nicht weniger werden, wenn du mehr und mehr mental zu Brüche gehst.

Ich kann mich den anderen mit meiner Meinung nur anschließen; Ein Wechsel des Arbeitsplatzes wäre wohl das Vernüftigste.

Alles Liebe und viel Glück,

Luckys
Ernst ist das Leben, heiter die Kunst. Da aber das Leben auch eine Kunst ist, ist auch das Leben heiter. :wink1
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