Papierlose Kanzlei

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Kaffee-Angie
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#1

21.07.2020, 12:13

Hallo alle zusammen,

mein Chef hat sich die letzte Woche mit einem Kollegen unterhalten, der seine Kanzlei (mehrere Anwälte) nur noch digital führt und die Handakten komplett abgeschafft hat. Von dieser Idee ist mein Chef jetzt total begeistert und möchte die digitale Aktenbearbeitung ab September auch in unserer Kanzlei einführen. Meine Kolleginnen und ich finden das jetzt nicht soooo toll und machen uns natürlich auch schon Gedanken darüber, wie wir das organisatorisch handeln sollen...das fängt beim Posteingang an und hört bei Originalunterlagen der Mandantschaft auf.

Ich schreibe euch mal die Problematik, die meine Kolleginnen und ich sehen:

1.) Posteingang:
Wir scannen den Posteingang, Verwaltungsakten, Telefonnotizen etc schon seit Jahren und verteilen ihn in die entsprechenden Ordner der E-Akte, allerdings hängen wir es auch noch in die Handakte. Das ist für uns einfach noch seine Absicherung, falls beim Scannen mal was schief gegangen ist.
Bei dem Kollegen, mit dem sich unser Chef unterhalten hat, wird der Posteingang gescannt und anschließend vernichtet. Bei einem anderen wird der Posteingang nach dem Scannen für eine Woche in einem Ordner aufbewahrt und dann vernichtet.
Ganz ehrlich, mir ist jetzt nicht so wohl dabei, Gerichtsschreiben zu vernichten...

2.) Originalunterlagen:
Wir haben den Chef darauf angsprochen, was mit Originalunterlagen der Mandantschaft oder z.B. einem Beratungshilfeschein geschehen soll. Er meinte, dass man Ordner mit alphabetischem Register anlegen sollte und diese dann entsprechend abheftet. Hört sich ja an und für sich vernünftig an. Aber wenn man z.B. 100 Mandanten hat, deren Nachname mit "S" anfängt, sucht man sich ja den Wolf im Ordner. Weiß jemand zufällig, ob es alphabetische Register gibt, bei den die einzelnen Buchstaben nochmals unterteilt sind, z.B. bei "A" in "ab", "ac" usw.
Wir haben überlegt, Blankoregister anzuschaffen und diese dann entsprechende Etiketten selbst zu drucken.

3.) Ordner E-Akte:
Wir haben unsere E-Akte in folgende Unterordner unterteilt: Anlagen, Außergerichtlich, E-Mail, Gebührennoten, Gerichtlich, Gerichts-/Verwaltungsakte, Gutachten, Korrespondenz mit Mandant, Krankenunterlagen, persönliche Unterlagen Mandant, Photodokumentation, Rechtsschutz, Stammdaten, Vertragsunterlagen, Zwangsvollstreckung
Bei RA-Micro gibt es die Möglichkeit, Unterordner referatsspezifisch anzulegen. In unserer Kanzlei werden folgende Referate bearbeitet: Allg. Zivilrecht, Arbeitsrecht, Erbrecht, Familienrecht, Medizinrecht, Mietrecht, Sozialrecht, Verkehrsunfallsachen, Vertragsrecht

Hat jemand von euch eine Idee, welche Unterordner man noch anlegen könnte? Beispielsweise im Familienrecht VA Ehemann, VA Ehefrau


Hat jemand von euch schon auf die digitale Akte umgestellt und hat evtl. ein paar Tricks und Tipps für uns?

Liebe Grüße aus Mannheim
Angie, Poly und Melanie
Lächle! Morgen wird noch schlimmer!
Chrissy Feldy
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#2

21.07.2020, 23:02

Bei meinem Ex-Chef haben wir einen Stichtag ausgewählt, ab welchem dann auf elektronische Akte umgestellt wurde. Altakten sind in Papierakten geblieben. Den Aufwand, zig Ordner für einen Mandanten zu scannen bei Alt-Akten wurde so vermieden.

Jedoch war dem Chef das Vernichten des Posteingangs nach dem Scannen auch nichts. Somit wurden die Unterlagen nach dem Scannen in einen Ordner kalendarisch nach Eingangsstempel abgelegt.
Leider bestand er weiterhin auf eine Papier-Gerichtsakte.
Mit einfacher Zuweisung der gescannten Dokumente mit den von Dir genannten Sparten reichte ihm nicht. Jedes Dokument musste mit erkennbaren Namen wie z.B. Schreiben Gericht vom 26.06.2020 oder Beschluss des Gerichts vom 26.06.2020 sowie ggf. weiterer Ergänzungen beschriftet werden. Somit saß ich morgens mit dem Papierstapel, verglich das gescannte und benannte alles um.

Original-Unterlagen der Mandanten wurden ebenfalls eingescannt und dann sofort den Mandanten mitgegeben.
Original Urteile kamen in die Papierakte. Diese Papierakte gab es für jeden Mandanten, sei es Alt-Mandant oder Neu-Mandant nach dem Stichtag.

Für mich war es somit keine Erleichterung, sondern es ging viel Zeit verloren.

Das mit dem allgemeinen Ordner für Original-Unterlagen hab ich schon von einigen gehört, dass es so bei diesen gehandhabt wird.
L.G. Chrissy
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#3

22.07.2020, 09:54

Habe mal in einer Kanzlei gearbeitet, wo es so gehandhabt wurde:

Auch hier wurde alles nach dem Scannen vernichtet, BIS auf Urteile und vollstreckbare Urteile/Beschlüsse usw.

ZV-Urteile:

1. Urteil kommt rein
2. NUR!!! Das Urteil wird in Akte abgeheftet,
3. Auftrag wird erteilt
4. ZVA Auftrag geht mit Urteil raus
5. Akte wird aufgelöst.
6. Unterlagen kommen zurück
7. Akte wird wieder in Papierform angelegt
8. Oder sofort bearbeitet und erneut versandt, ohne dass eine Papierakte angelegt werden muss.
9. GVZ Überweisungen / Kosten wurden sofort am PC erledigt
10. Wenn z. B. nur erneut EMA Anfrage gestartet wurde o. ä. wurde Papierakte wieder angelegt.

Es war eine Kanzlei, die eine eigene ZV Abteilung mit zwei bis drei Mitarbeitern hatte.
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mücki
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#4

22.07.2020, 09:58

Ab September vollelektronische Akten? Schöne Grüße an euren Chef: Das ist überhaupt nicht umsetzbar. In allen Kanzleien in denen ich bisher war, hat die Einführung der vollelektronischen Akten Monate, wenn nicht Jahre gedauert bzw. die Vorbereitgung hierfür. Das fängt schon damit an, dass man sich über ein geeignetes System Gedanken machen muss, denn vollelektronische Akte heisst nunmal auch, dass man mit dem Tablet zum Gericht marschiert und RA-Micro - sorry hierfür - mag ein Superanwaltsprogramm sein, als DMS ist es echt besch... zumindest, wenn man weiß, was andere DMS können.

Die von dir angesprochenen Probleme sind so dramatisch nicht: Originale werden gescannt und gehen sofort zurück, für Titel o.ä. gab es tatsächlich auch immer die alphabetisch sortierten Ordner. Persönlich habe ich festgestellt, dass man anfangs immer von deutlich mehr aufzubewahrendem "Papier" ausgeht, als dann tatsächlich der Fall ist. Was den Rest des Posteinganges angeht: Da stellt man sich vieles auch problematischer vor als es ist. Grundsätzlich sollten alle Dokumente nach dem Scannen und vor der Rückgabe bzw. Vernichtung geprüft werden (Lesbarkeit, Vollständigkeit etc.). Das geht schneller als man annimmt. Ihr müsst euch nur überlegen, wie ihr das mit Terminen und Fristen macht. Posteingänge wurde i.d.R. eine Woche aufbewahrt (Kisten) und dann vernichtet. Da ich bisher in relativ großen Kanzleien war, gab es dort immer jemanden, der das Scannen, Kontrollieren und elektronische Verteilen der Post übernommen hat. Da müsst ihr mal schauen, ob sich das bei euch lohnt.

Dann müsst ihr euch natürlich noch überlegen, was mit den Akten passiert, die vor dem Stichtag angelegt werden. Ich kenne auch viele Anwälte die mit dem papierlosen Büro ganz erhebliche Probleme haben, eben weil es (für sie) eben doch praktischer war, mit einer Handakte zum Termin zu gehen und die kann nunmal i.d.R. nicht jedes Mal vorher "hergestellt" werden, was das System auch ad absurdum führen würde. Gerne kam auch die Frage, was mit umfangreichen Verfahren ist (kann man ja häufig im Vorfeld auch nicht abschätzen).

Fest steht: Ihr müsst ein klares Regelwerk aufstellen, das insbesondere auch enthält, wie die Dokumente konkret zu verschlagworten bzw. zu benennen sind. Wir hatten z.B. immer solche Spezis, die dann in den Titel: Schreiben von ABC vom 01.01.2020 (Bsp.), was totaler Schwachsinn ist.
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Adora Belle
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#5

22.07.2020, 10:39

@mücki: Wie benennt Ihr denn Eure Dateien? Und nutzt Ihr was anderes als RA-Micro, um die Akte mit dem Tablet ins Gericht zu kriegen?

Sorry dass ich hier so reingrätsche, aber Du scheinst ja tief in der Materie zu stecken, das kann man nicht ungenutzt lassen. ;)
Kaffee-Angie
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#6

04.08.2020, 17:26

Hallo ihr Lieben,

vielen Dank für eure Antworten...der Beginn der papierlosen Akte wurde nun erstmal auf 01.01.2021 verschoben....

LG Angie
Lächle! Morgen wird noch schlimmer!
§Lena§
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#7

07.09.2021, 15:24

Hallo Kaffee-Angie,

habe deinen Post gerade gesehen und wollte mach nachhaken wie es denn so läuft?
Wir stellen auch auf papierlose Akte um, jedoch wollen die Chefs die Handakte trotzdem noch weiterführen.

Bei uns stellt sich die Frage, wer die gesamte Posteingangspost einscannt? Die jeweilige dem RA zugeordnete ReFa? Die Azubis? Oder wer gerade Zeit hat?
Das ist ja schon sehr aufwendig. Wir haben z.B. RAe die haben extrem viel Posteingang, d.h. die Sekretärin würde durchdrehen, wenn sie dies noch scannen müsste. Stellt man dafür dann jemanden ab?
Wie handhabt ihr das mit der eingegangenen Post nach dem Scannen? Vernichten?

Wäre sehr interessiert daran zu wissen, wie es bei anderen so läuft.

Liebe Grüße
Lena
§Lena§
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#8

07.09.2021, 15:26

Hallo Kaffee-Angie,

habe deinen Post gerade gesehen und wollte mach nachhaken wie es denn so läuft?
Wir stellen auch auf papierlose Akte um, jedoch wollen die Chefs die Handakte trotzdem noch weiterführen.

Bei uns stellt sich die Frage, wer die gesamte Posteingangspost einscannt? Die jeweilige dem RA zugeordnete ReFa? Die Azubis? Oder wer gerade Zeit hat?
Das ist ja schon sehr aufwendig. Wir haben z.B. RAe die haben extrem viel Posteingang, d.h. die Sekretärin würde durchdrehen, wenn sie dies noch scannen müsste. Stellt man dafür dann jemanden ab?
Wie handhabt ihr das mit der eingegangenen Post nach dem Scannen? Vernichten?

Wäre sehr interessiert daran zu wissen, wie es bei anderen so läuft.

Liebe Grüße
Lena
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Andy66
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#9

08.09.2021, 11:07

§Lena§ hat geschrieben:
07.09.2021, 15:26
...Bei uns stellt sich die Frage, wer die gesamte Posteingangspost einscannt? Die jeweilige dem RA zugeordnete ReFa? Die Azubis? Oder wer gerade Zeit hat?
Das ist ja schon sehr aufwendig. Wir haben z.B. RAe die haben extrem viel Posteingang, d.h. die Sekretärin würde durchdrehen, wenn sie dies noch scannen müsste. Stellt man dafür dann jemanden ab?
Wie handhabt ihr das mit der eingegangenen Post nach dem Scannen? Vernichten?
Bei uns wird die - zugegeben recht übersichtliche - Eingangspost einmal täglich vom Sekretariat eingescannt und zugeorndet. Bei Personalnot muss in unserem kleinen Laden aber im Zweifel jeder ran. Der Scannvorgang an sich ist recht schnell erledigt, ein guter Scanner mit entsprechendem Einzug ist hier hilfreich. Soweit ich weiß, gibt es hier aber auch noch fortgeschrittenere Systeme, bei denen man den gesamten Packen mit leeren Trennblättern reinlegt und das dann automatisch vom System in einzelne Dateien getrennt wird. Da müsstest Du dich mal erkundigen. Mehr Arbeit macht dann das zuordnen der einzelnen Dokumente zu Akte, weil diese dann einzeln benannt werden müssen - wenn alles "Schreiben von Mandant" heißt, kennt man sich recht bald nimmer aus.

Wir stecken die eingescannten Posteingänge dann in Tagesordner und vernichten diese dann nach einiger Zeit. Wann genau, haben wir noch nicht herausgefunden, wir machen das seit ca. 1 Jahr so. Allerdings sind die Fälle, in denen man nochmal in den Tagespostordner reinschauen musste, an einer Hand abzuzählen. Originale schicken wir immer postwendend an den Absender zurück, ich will hier keine Originalurkunden irgendwo rumliegen haben. Grundsätzlich spart man sich dabei also die Dokumentenablage, weil alles in einen Tagesordner kommt.

Bei Prozessakten bevorzugen die Anwälte derzeit aber noch papierene Handakten, d.h. wir scannen ein und legen die Posteingänge wie früher auch in die Handakten. Das sind aber bei uns nicht so viele.
Erfahrung ist das, was man bekommt, wenn man das was man will nicht kriegt
§Lena§
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#10

08.09.2021, 13:25

Danke Andy66 für Deine Antwort.
Man kann sich das alles irgendwie nur schwer vorstellen, wenn man bisher nur Handakten kennt. Aber scheint ja alles zu funktionieren. Man muss alles nur richtig organisieren :)
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