Müsst Ihr Klageerwiderungen fertigen?

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Vorzimmerlöwe
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#1

06.03.2017, 08:42

Hallo und Guten Morgen!

ich arbeite jetzt seit 14 Jahren für meinen Chef und bislang dachte ich, dass ich ihm eine gute Stütze bin. Ich überwache seine Fristen mit Argusaugen, schreibe in Windeseile seine Diktate, wimmele unliebsame Telefongespräche ab, halte ihm den Rücken frei und kümmere mich um alles, was sonst noch in einem Büro anfällt.
Nun ist er für eine Woche im Urlaub und hat mir am Freitag gesagt, dass ich doch bitte, wenn er nicht da ist, bei den eingehenden Mandaten, bei denen eine Klageerwiderung zu fertigen wäre, den Entwurf dafür mache. (Von solchen Mandaten haben wir pro Woche ca. 5)
Er meinte, dass ich sowas ja nun schon seit 14 Jahren schreibe und mich demzufolge richtig gut auskenne mit dem Inhalt von Klageerwiderungen.

Wenn ich mich nun weigere, die Entwürfe zu fertigen, wird er total enttäuscht von mir sein. Wenn ich sie mache, wird er sich vermutlich halbtot lachen, wenn er sie liest :( Ich habe zwar Textbausteine für gewisse Sachen, aber man muss ja auch alles in den richtigen Kontext bringen. Die Sache, die wir z. B. am Freitag bekommen haben, die hat einen Umfang von 841 Seiten. Schon um mich da „durchzuwühlen“, brauche ich wahrscheinlich die ganze Woche.

Was gehört eigentlich zu den Aufgaben einer Rechtsanwaltsfachangestellten? Ich habe schon von welchen gehört, die Klagen und Klageerwiderungen selbst fertigen. Aber ich muss ehrlich gestehen, dass ICH mir das nicht zutraue und fühle mich jetzt auch total überfordert und unfähig, weil ich – wenn ich ehrlich bin – nicht wirklich Ahnung von der Materie habe bzw. von dem, was ich da schon seit vielen Jahren schreibe. Ich habe aber auch kein Jura studiert.

Eigentlich hatte ich mir für diese Woche vorgenommenen, alle liegengebliebenen Arbeiten endlich mal erledigen zu können. Das bleibt nun wahrscheinlich auch alles wieder liegen.
Ansonsten komme ich mit meinem Chef super aus, aber er ist halt auch der Typ von der Sorte „Ach, SIE schaffen das schon“. :(

Ist es denn allgemein üblich, dass man als Rechtsanwaltsfachangestellte solche Arbeiten verrichtet? Wie seht ihr das? Kann ich sowas einfach verweigern? Bin leider gerade etwas ratlos :(

Liebe Grüße
der Vorzimmerlöwe
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Sputnik85
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#2

06.03.2017, 09:23

Hallo,

ich versteh deine Angst gar nicht (...wird er sich halbtot lachen..). Ich durfte damals Anspruchsbegründungen/Klagen usw. selbst schreiben. Ach war das schön. Die Akte durchforsten und alles schon in meinen Schriftsatz schreiben. Heute (anderes Büro) wird alles abdiktiert. Schade, denn das hat meinen damaligen Chef wirklich sehr beeindruckt und mir ein postivies Gefühl gegeben.

Sieh es als Herausforderung! Fertige die Klageerwiderungen im Entwurf - so wie er es will. Du musst das ja nicht für alle machen, wenn es wirklich so viele sind. Dann kannst du deine liegengebliebenen Arbeiten auch noch wegmachen.

Fast erschreckend finde ich aber, dass du sagst, du bist 14 Jahre bei ihm und hast "nicht wirklich Ahnung von der Materie bzw. von dem was du schon seit vielen Jahren schreibst". Wie überlebst du das denn? Oder ist es ein so spezielles Rechtsgebiet, dass man nicht wirklich durchblickt?

Gruß
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Pepples
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#3

06.03.2017, 09:27

Ich muss das nicht, ich darf das. ;) Trau Dich einfach. Es ist ja nur ein Entwurf und nur aus Fehlern lernt man auch. Auch mir passieren heute noch welche. Dann erklärt mein Chef mir das und ich bin wieder schlauer. ;)
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Lämmchen
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#4

06.03.2017, 09:28

Ich kann mich Sputnik nur anschließen. Wenn Ihr ähnlich gelagerte Fälle ca. 5 Mal die Woche habt, weißt Du doch, wie es geht und er es haben will. Ich habe jetzt keine Lust zu rechnen, aber da dürften schon eine Menge Klageerwiderungen geschrieben worden sein, an denen Du Dich orientieren kannst. Du hast doch nichts zu verlieren. Der Chef schaut es sich an, wenn er wieder da ist. Probier es doch einfach. Es macht viel mehr Spaß, Dinge selbständig zu bearbeiten, alles vorgekaut zu bekommen. ;)
Liebe Grüße

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Pitt
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#5

06.03.2017, 09:37

Ich bereite auch ab und zu Klagen, Klageerwiderungen usw. vor. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Dein Chef ernsthaft erwartet, dass Du alle Klageerwiderungen in dieser Woche fehlerfrei vorbereiten kannst und nebenbei noch den restlichen Bürokram erledigst. Sieh es zunächst mal positiv, dass Dein Chef so viel Vertrauen in Dich und Deine Fähigkeiten hat und starte mit einer Klageerwiderung, die Du Dir zutraust. Es muss ja nicht gleich die mit mehr als 800 Seiten Akteninhalt sein und bei Deinem ersten Entwurf wird er auch nicht erwarten, dass Du da einen 100% fehlerfreien Entwurf ablieferst, aber evtl. schon mal ein brauchbares "Grundgerüst", das er dann mit seinen Ergänzungen versandreif vervollständigen kann.
Vorzimmerlöwe
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#6

06.03.2017, 09:44

Danke für eure Antworten.

Ich denke aber, wenn ich einmal mit den Entwürfen anfange, werde ich das dann wohl immer machen müssen. Wie und wann soll ich das alles schaffen? Ich komme ja jetzt schon mit meinen 40 Stunden nicht um den Ring, habe noch 73 Überstunden und zudem 60 Tage (mitgeschleppten) Urlaub für dieses Jahr.
Meine Kollegin muss sowas nie machen, obwohl sie eh kaum was zu tun hat (also auch wenige Diktate) und bekommt trotzdem dasselbe Gehalt. Wirklich fair finde ich es nicht.

Aber vielleicht ist das ja dann wirklich der Punkt, wo ich mich nach einem anderen Job umsehen sollte. :(
BBTB
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#7

06.03.2017, 09:53

Ist das für euch wirklich eine Arbeit, für deren Erledigung ihr euch zuständig seht? Ich wüsste hier bei unserem Büroablauf bzw. meiner Auslastung z.B. gar nicht, wann ich dafür noch Zeit finden sollte? Und auch wenn man schon zig Klageerwiderungen nach Diktat geschrieben hat, heißt das ja noch lange nicht, dass man außer ein paar Standardsätzen einen wirklich stichhaltigen Schriftsatz fertigen kann? Meiner Meinung nach sind das Arbeiten, die vom Anwalt zu erledigen sind. Wenn ich mich an so etwas setzen müsste, würde entweder das Anfertigen einer einzigen Klageerwiderung Tage dauern, weil ich diese dauernd für zu erleidgende Sekretariatsarbeiten unterbrechen müsste, oder aber im Sekretariat würde alles liegen bleiben, weil der Schriftsatz mehr Priorität hätte. Aber das mag auch von Angestellter zu Angestellter bzw. von Büro zu Büro verschieden sein, da ich z.B. für den ganzen Ablauf zuständig bin und nicht nur für einen Teilbereich im Sekretariat.
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#8

06.03.2017, 10:09

Vorzimmerlöwe, ich versteh deine Reaktion überhaupt nicht. Weil dein Chef dir mehr Verantwortung übertragen möchte, willst du dich nach einem neuen Job umsehen? Für mich völlig unverständlich. Da scheint mehr dahinter zustecken als einfach nur eine weitere Aufgabe.
BBTB hat geschrieben:Ist das für euch wirklich eine Arbeit, für deren Erledigung ihr euch zuständig seht?
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#9

06.03.2017, 10:21

Pepples hat geschrieben:Ich muss das nicht, ich darf das. ;)
ich sehe das genauso.

ich habe mir bewusst einen Job gesucht, in dem ich eben kein Diktat schreiben muss, da ich der Meinung bin, dass es meine Aufgaben als Refa ist, das genau solche Sachen (in einfach gelagerten Fällen zumindest) selber zu schreiben. um so was nach Diktat runter zu tippen, brauche ich keine Refa-Ausbildung. es braucht natürlich Übung bis man es kann. ich hatte es damals in meiner ersten Stelle nach der Ausbildung gelernt, ich hatte gesehen, dass die RAe mit ihrer Arbeit nicht mehr hinterherkamen und hab ich einfach gefragt, ob ich es mal versuchen darf. klar musste da am Anfang noch vieles korrigiert werden, aber daraus habe ich gelernt und inzwischen gehen meine Schriftsätze in der Regel so raus, wie ich sie schreiben, aber ich freue ich, wenn meine Chefin mit mir über die Entwürfe spricht und mir sagt, was ich besser machen kann.
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#10

06.03.2017, 10:39

Es kommt immer darauf an, was man sich zutraut und was man bereit ist zu tun. Ich habe sogar mein eigenes Dezernat; da bearbeite ich die Akten von vorne bis hinten mit Klage bzw. Klageerwiderung usw. Ich bin nicht der Mensch, der seine Erfüllung darin findet, mit Knopf im Ohr vor dem Computer zu sitzen und Diktate zu schreiben. Aber ich hatte damals eine Kollegin, die genau das und nichts anderes machen wollte. Da hilft dann nur offen mit dem Chef zu kommunizieren bzw., wenn Du das gerne machen möchtest, aber die Zeit nicht hast, mit dem Chef zu reden, dass dann die Aufgaben umverteilt werden müssen, wenn da noch eine Kollegin vorhanden ist. Bei uns z.B. diktiert der Chef mittlerweile mit Spracherkennung. Ist ja auch eine Möglichkeit, die Diktate los zu werden.
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