Berufungsfrist sozialgerichtliches Verfahren

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Grummelinchen
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#1

05.06.2009, 17:58

Hallo zusammen!

Ich brauch dringend Eure Hilfe, besser gesagt braucht mein Chef dringend Hilfe, aber anderseits. Aber darüber möchte ich mich jetzt hier nicht weiter auslassen. :roll:
Er hat unserer armen Azubine im 1. LJ eine „super“ Aufgabe auf´s Auge gedrückt. Ich muss allerdings zugeben, dass selbst ich die Hände über dem Kopf zusammenschlage, weil ich einfach nichts finde bzw. keine Antwort mehr weiß. :wirr

Folgende Problematik:
Chef war letztens bei einem Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht. Wir hatten in dieser Sache geklagt. In dieser Verhandlung wurde ein Urteil verkündet u. a. dass die Klage zurückgewiesen wurde. Vom Streitwert her ist (soweit hab ich es gerade noch im Kopf) die Berufung zulässig. Nun ist das Problem, dass uns von dieser Verhandlung bisher nur die Niederschrift (Protokoll) zugegangen ist, das vollständig abgefasste Urteil jedoch bisher noch nicht. Nun geht es ihm speziell um die Frist für die Einlegung der Berufung. Das stellt soweit auch eigentlich kein Problem dar, denn in § 151 Abs. 1 SGG steht: „Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.“. Genau das hat sie ihm auch so wiedergegeben. Doch damit gibt er sich nicht zufrieden.

Sie hat jetzt alles mögliche recherchiert und getan und gemacht, aber mit dem, was sie noch so gefunden hat, war einfach nicht zufrieden. Es geht ihm darum: Er möchte konkret wissen, wo geschrieben steht, ab wann die Frist für die Einlegung der Berufung anfängt zu laufen. Ihr werdet jetzt sicherlich denken: Na steht doch im § 151 Abs. 1 SGG. Richtig! Dachte ich auch. Reicht ihm aber nicht! :evil:

Ich befürchte, dass es ihm nun darum geht: Wir haben das Urteil ja bis jetzt noch nicht in vollständiger Fassung zugestellt bekommen. Ich vermute, dass er irgendwas hören will, ob die Frist zur Einlegung der Berufung vielleicht nicht schon aufgrund der Verkündung im Verhandlungstermin, an dem er ja teilgenommen hat, ab diesem Tag (Verhandlungstag) beginnt zu laufen oder ob halt wirklich erst das vollständig abgefasste Urteil zugestellt werden muss, damit die Frist zur Einlegung der Berufung zu laufen beginnen kann.

In anderen Verfahren, wie bei OWi-Sachen z. B. ist das ja so, dass die Frist ab Verkündung beginnt zu laufen, sofern der Beschuldigte im Termin anwesend war. War er nicht anwesend, läuft die Frist erst ab Zustellung des Urteils. Das findet man auch genau so erklärt in Büchern usw. Nur im Bezug auf sozialgerichtliche Angelegenheiten nicht. Chef will aber auf Teufel komm raus ´nen § genannt bekommen, wo das steht. Es ist aber meines Erachtens nichts zu finden.

Ich hab ja diesen Beitrag hier http://www.foreno.de/viewtopic.php?t=29610 schon gefunden. Aber trifft das auch auf sozialgerichtliche Angelegenheiten zu.

Jetzt hoffe ich, ganz besonders unsere Azubine, auf Euer Wissen! Und bitte berücksichtigt: Er möchte §§ genannt/vorgelegt bekommen. :roll:
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sunshine24
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#2

05.06.2009, 18:18

Vorneweg, ich hab keine Ahnung von Sozialsachen, wir machen nämlich so was nicht. Aber das ist mir aufgefallen:

§ 151 SGG
(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen


Hier ist nur von der Zustellung des Urteils die Rede, nicht eines vollständig abgefassten Urteils. Ist in dem Protokoll ganz zum Schluss von einem Urteil die Rede? Also, ist am Ende der Sitzung ein Urteil ergangen? Steht meistens dann so ähnlich drin: "Es ergeht sodann folgendes Urteil: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits ..." Gründe sind da nicht mit drin (also im Protokoll)

§ 517 ZPO
Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.


Hier ist ausdrücklich die Rede von der Vollständigkeit des Urteils und auch das mit den 5 Monaten.

§ 314 StPO
Die Berufung muss bei dem Gericht des ersten Rechtszuges binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.


In Strafsachen steht explizit drin, ab Verkündung.

Demnach würde ich jetzt behaupten, dass - sollte im Protokoll ein Urteil erhalten sein (so wie oben geschrieben) - die Frist dann ab Zustellung des Protokolls beginnt. Ob das allerdings richtig ist, kann ich dir auch nicht sagen, dass waren jetzt nur meine Gedanken zu deinem Fall!
Ich wollte mich wirklich benehmen, aber es gab so viele andere Optionen!
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Grummelinchen
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#3

05.06.2009, 19:32

sunshine24 hat geschrieben:Hier ist nur von der Zustellung des Urteils die Rede, nicht eines vollständig abgefassten Urteils. Ist in dem Protokoll ganz zum Schluss von einem Urteil die Rede? Also, ist am Ende der Sitzung ein Urteil ergangen? Steht meistens dann so ähnlich drin: "Es ergeht sodann folgendes Urteil: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits ..." Gründe sind da nicht mit drin (also im Protokoll)

...

Demnach würde ich jetzt behaupten, dass - sollte im Protokoll ein Urteil erhalten sein (so wie oben geschrieben) - die Frist dann ab Zustellung des Protokolls beginnt. Ob das allerdings richtig ist, kann ich dir auch nicht sagen, dass waren jetzt nur meine Gedanken zu deinem Fall!
Genauso, wie Du oben beschrieben hast, ist es. Nur aufgrund dessen - unabhängig davon, dass mein Chef persönlich bei der Verhandlung anwesend war - wissen wir ja von dem Urteil, womit die Klage abgewiesen wurde.

Das Problem ist, ich weiß nicht, ob es mein Chef selber auch überhaupt nicht weiß oder ob er unsere Azubine einfach nur "testen" will. Ich tendiere ja - LEIDER - zum ersteren. :roll:

Na mal abwarten, ob hier jemand "rumgeistert", der sich mit Sozialsachen auskennt. *LautInDieRundeRuf* Denn ich tu es jedenfalls auch nicht. Sozialangelegenheiten sind bei uns sehr rar.
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sunshine24
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#4

05.06.2009, 20:48

Na dann drück ich mal die Däumchen, dass sich hier noch jemand findet. Ich weiß nämlich auch grad nicht, was dein Cheffe so wirklich hören will ...
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Pepples
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#5

05.06.2009, 22:45

§§ kann ich Dir leider auch nicht nennen. Zur Not soll die Azubine halt bei Gericht anrufen und nachfragen, notfalls beim Richter selbst. Die müssen das schließlich genau wissen.
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#6

06.06.2009, 08:30

sunshine24 hat geschrieben:Na dann drück ich mal die Däumchen, dass sich hier noch jemand findet. Ich weiß nämlich auch grad nicht, was dein Cheffe so wirklich hören will ...
DAS weiß er wahrscheinlich selber nicht! :roll:
Pepples hat geschrieben:§§ kann ich Dir leider auch nicht nennen. Zur Not soll die Azubine halt bei Gericht anrufen und nachfragen, notfalls beim Richter selbst. Die müssen das schließlich genau wissen.
Diesen Tip hab ich ihr auch schon gegeben. Werd ihr das wohl am Montag nochmal ans Herz legen.
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#7

07.09.2015, 14:02

Hallo,
habe jetzt genau das geschilderte Problem.
Anwalt war im Sozialgerichtsprozess anwesend und Urteil wurde gleich vor Ort verkündet.
Läuft die Berufungseinlegungsfrist nun schon oder doch erst mit Zustellung des Urteils :nachdenk
Finde nur den 151 SGG, der ja eindeutig von Zustellung spricht.
Bei Owis reicht aber unter Umständen Urteilsverkündung, je nach dem wer anwesend war.
Gibt es solche Fallstricke im Sozialgerichtsprozess auch?
Danke für eure Hilfe. :thx
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Liesel
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#8

07.09.2015, 14:38

Wie du richtig schreibst, ist 151 SGG eindeutig ist - ...innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils.

Die unterschiedlichen Fristen in OWi-Verfahren ergeben sich explizit aus dem Gesetz.
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