Gestern rief mich ein Mandant an. Ich hatte ihm eine Durchschrift des Gegners zur Kenntnisnahme geschickt. Er fragte mich: "Und? Was soll ich jetzt damit, was meinen Sie damit?" Ich erklärte ihm, dass wir die Korrespondenz zur Kenntnisnahme an ihn gesandt haben. Nichts weiter also.
Er verstand mich immer noch nicht. Mandant ist Deutscher, Anfang 20.
Ich erzählte das zuhause. Meine Tochter meinte, dass die Kinder in ihrem Kindergarten mit enormen sprachlichen Defiziten herumlaufen. Kaum ein Kind kann vernünftig sprechen.
Auch sind mir diese Defizite bei Praktikanten aufgefallen, die nicht in der Lage waren, einen kleinen Zweizeiler zu formulieren. z.B. Mandanten aufzufordern, einen Besprechungstermin zu vereinbaren.
Woher kommen diese Defizite? Ich verbringe einen Großteil meiner Arbeitszeit damit, den Mandanten Dinge zu erklären, die wir schriftlich formuliert verschickt haben, bzw. die Korrespondenz der Gegner. Damit meine ich nicht, dass der Mandant wissen muss, was eine Kostenfestsetzung ist, oder wie es zu einem Streitwertbeschluss kommt.
Nein, ich meine ganz normale Korrespondenz. In den letzten Jahren gab es immer wieder mal Zwischenfragen von Mandanten, aber diese Fragen häufen sich nun. Und es sind Deutsche, die diese Fragen stellen. Ich klammere hier mal ausländische Mandanten aus, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.
Hilfe. Was läuft hier schief?
Wir überdenken grad im Büro, unsere vorformulierten Briefe neu zu formulieren, um diese Zwischenfragen der Mandanten zu vermeiden. Dies ist zwingend notwendig geworden.
Also schreiben wir bald: Hier ein ein Brief vom Gegner. Bitte durchlesen und danach in die Schubalde legen.....statt mit der Bitte um Kenntnisnahme die Post zu versenden.
Und statt: Ihr persönliches Erscheinen ist nicht erforderlich würde dann umformuliert werden in: Sie brauchen nicht zum Gerichtstermin kommen.
Sprachliche Defizite
- schneeflocke
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Tja, ich frage mich auch häufig, woran das liegt? Ich versuche schon immer ganz leicht verständliche Sätze zu schreiben, aber selbst die scheinen zu kompliziert zu sein. Bei einigen Mandanten weiß man ganz genau an dem Tag, wo man denen Post schickt, dass sie am nächsten Tag anrufen werden...schneeflocke hat geschrieben:Woher kommen diese Defizite? Ich verbringe einen Großteil meiner Arbeitszeit damit, den Mandanten Dinge zu erklären, die wir schriftlich formuliert verschickt haben, bzw. die Korrespondenz der Gegner. Damit meine ich nicht, dass der Mandant wissen muss, was eine Kostenfestsetzung ist, oder wie es zu einem Streitwertbeschluss kommt.
Nein, ich meine ganz normale Korrespondenz. In den letzten Jahren gab es immer wieder mal Zwischenfragen von Mandanten, aber diese Fragen häufen sich nun. Und es sind Deutsche, die diese Fragen stellen.
- schneeflocke
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Majo, genau solche Mandanten meine ich !
Aber woher kommt das nur?
Ich habe die Geschichte hier schon mal erzählt. Ich schrieb: ..... überreiche Liquidation mit der Bitte um Ausgleich der Gebühren.
Mandant kam: Hä?
Kollegin sagte dann: Hier, laß die Kohle rüberrutschen.
Mandant verstand und zahlte.
Aber woher kommt das nur?
Ich habe die Geschichte hier schon mal erzählt. Ich schrieb: ..... überreiche Liquidation mit der Bitte um Ausgleich der Gebühren.
Mandant kam: Hä?
Kollegin sagte dann: Hier, laß die Kohle rüberrutschen.
Mandant verstand und zahlte.
- butterflybabe
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Das schreiben mir auch bei manchen Mandanten mittlerweile so, wortwörtlich in den Brief "Ihr persönliches Erscheinen zu dem Gerichtstermin ist nicht angeordnet, d. h. sie müssen zu diesem Termin nicht erscheinen.Und statt: Ihr persönliches Erscheinen ist nicht erforderlich würde dann umformuliert werden in: Sie brauchen nicht zum Gerichtstermin kommen.
Wir forumlieren mittlerweile die Briefe wirklich auch den Mandanten einzeln abgestimmt, d. h. für "einfache" Leute (so will ich die jetzt mal nennen) bekommen auch ganz kurze Sätze mit möglichst wenigen Fremdwörtern. Bei Bankvorstände etc. spar ich mir das und schreib im "Anwaltsdeutsch".
Sowas mache ich bei älteren Mandanten...butterflybabe hat geschrieben:Wir forumlieren mittlerweile die Briefe wirklich auch den Mandanten einzeln abgestimmt
Also, wenn wir eigentlich nur einen Rotzettel rausschicken würden (Ankreuzvariante), dann erhalten ältere Mandanten von mir stattdessen ein Schreiben mit vollständigen Sätzen.
- Catwoman1703
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Musste auch grad schmunzeln: Vor kurzem hat mich auch eine Mandantin, Ende 20, Deutsche, angerufen: "Ach ich muss da jetzt was zahlen an euch! Jetzt war ich im Urlaub und hab jetzt erst die Post aufgemacht und die Frist ist schon um...." Ich darauf: "Moment ich mal die Akte und schau nach" (hab mich nämlich schon gewundert, dass die zahlen will, normalerweise kriegt sie Geld. Und so war es auch. Wir haben ihr das Schreiben an die gegnerische Versicherung z. K. geschickt und sie dachte sie müsste uns etwas bezahlen, anstatt selbst ne Zahlung zu erhalten.
Woher das kommt?
Einfach einmal z.B. in einer Suchmaschine "Studie Lesen" eingeben und sich die Ergebnisse zu PISA u.ä. ansehen.
Ich meine zwar manchmal, daß das Jammern der Ausbildungsstellen über die mangelnde Lese- und Mathematikkompetenz der Schulabgänger übertrieben ist, aber offenbar ist das Lesen und der sprachliche Ausdruck in Zeiten von allüberall bunten Bildern und SMS-Tippen nicht mehr angesagt.
Wir verzweifeln unter anderem auch an (zum Teil jugendlichen) Mandanten, die sagen, sie hätten Zeugen für diesen oder jenen Vorfall, und auf die Frage nach Namen und Anschrift erhalten wir lediglich den Vornamen und die Handynummer, da sie weder wissen, wie ihr Kumpel mit Nachnamen heißt noch wo er wohnt.
In einer anderen Studie glaube ich gelesen zu haben, daß ca. 20 % der Schulabgänger nicht ausbildungsfähig seien. Was soll denn da nachkommen?
Im Gespräch mit einem Strafrichter erzählte dieser, bei Fragen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten wäre als berufsziel "Hartz IV Empfänger" wiederholt genannt worden.
Das sind ja alles nur Schlaglichter auf Einzelfälle, aber Anwälte und Mitarbeiter sollten sich doch manchmal überlegen,was sie wem schreiben.
Hier in Berlin gab es einen schönen Kurs "Deutsch für Juristen" von der Henri-Nannen-Stiftung, ähnlich wohl auch das Buch "Deutsch für Juristen. Vom Schwulst zur klaren Formulierung".
Das ändert aber nichts an dem Umstand, daß ich schon macnhmal denke, wir verblöden ....
Einfach einmal z.B. in einer Suchmaschine "Studie Lesen" eingeben und sich die Ergebnisse zu PISA u.ä. ansehen.
Ich meine zwar manchmal, daß das Jammern der Ausbildungsstellen über die mangelnde Lese- und Mathematikkompetenz der Schulabgänger übertrieben ist, aber offenbar ist das Lesen und der sprachliche Ausdruck in Zeiten von allüberall bunten Bildern und SMS-Tippen nicht mehr angesagt.
Wir verzweifeln unter anderem auch an (zum Teil jugendlichen) Mandanten, die sagen, sie hätten Zeugen für diesen oder jenen Vorfall, und auf die Frage nach Namen und Anschrift erhalten wir lediglich den Vornamen und die Handynummer, da sie weder wissen, wie ihr Kumpel mit Nachnamen heißt noch wo er wohnt.
In einer anderen Studie glaube ich gelesen zu haben, daß ca. 20 % der Schulabgänger nicht ausbildungsfähig seien. Was soll denn da nachkommen?
Im Gespräch mit einem Strafrichter erzählte dieser, bei Fragen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten wäre als berufsziel "Hartz IV Empfänger" wiederholt genannt worden.
Das sind ja alles nur Schlaglichter auf Einzelfälle, aber Anwälte und Mitarbeiter sollten sich doch manchmal überlegen,was sie wem schreiben.
Hier in Berlin gab es einen schönen Kurs "Deutsch für Juristen" von der Henri-Nannen-Stiftung, ähnlich wohl auch das Buch "Deutsch für Juristen. Vom Schwulst zur klaren Formulierung".
Das ändert aber nichts an dem Umstand, daß ich schon macnhmal denke, wir verblöden ....
Mit freundlichen Grüßen
Maxe
“[color=#0040FF]Bei der nächsten Sintflut wird Gott nicht Wasser, sondern Papier verwenden.” Romain Gary (frz. Pilot, Schriftsteller und Diplomat)[/color]
Maxe
“[color=#0040FF]Bei der nächsten Sintflut wird Gott nicht Wasser, sondern Papier verwenden.” Romain Gary (frz. Pilot, Schriftsteller und Diplomat)[/color]
- Pelznase
- Foren-Praktikant(in)
- Beiträge: 47
- Registriert: 09.01.2008, 19:29
- Beruf: Forderungsmanagement, lol... Mädchen-für-alles trifft's besser
- Software: RA-Micro
- Wohnort: im schönsten Teil Kiels
@Catwoman1703
So einen Fall hatte ich letzte Woche auch, ziemlich genauso.
Unsere Kostenrechnung mit Anschreiben an die RSV und dann zur Kenntnis an die Mandantschaft. Die ruft am nächsten Tag an und ist über die Maße empört (dazu muss gesagt werden, dass die gute Frau in den besten Jahren ist, also zwischen 40 und 50 etwa). Es wäre ja wohl eine Frechheit, dass sie jetzt eine Rechnung erhält und eine noch so hohe dazu! Es war doch ausdrücklich mit dem Anwalt besprochen worden, dass das mit der RSV geklärt werden soll.
Ich dachte zuerst, da wär wirklich was bei uns schief gegangen, die Akte war natürlich grad beim Chef und der in ner Besprechung, konnte also nicht nachschaun. Hab später dann nochmal reingeschaut und siehe da: die Rechnung hat sie lediglich zur Kenntnis gekriegt.
Eigentlich wollte sie auch noch mal angerufen haben um sich beim Chef persönlich zu beschweren, aber scheinbar ist ihr das dann selbst noch aufgefallen, sie hat sich nämlich dann doch nicht mehr gemeldet
Da zeigt sich mal wieder: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil^^
So einen Fall hatte ich letzte Woche auch, ziemlich genauso.
Unsere Kostenrechnung mit Anschreiben an die RSV und dann zur Kenntnis an die Mandantschaft. Die ruft am nächsten Tag an und ist über die Maße empört (dazu muss gesagt werden, dass die gute Frau in den besten Jahren ist, also zwischen 40 und 50 etwa). Es wäre ja wohl eine Frechheit, dass sie jetzt eine Rechnung erhält und eine noch so hohe dazu! Es war doch ausdrücklich mit dem Anwalt besprochen worden, dass das mit der RSV geklärt werden soll.
Ich dachte zuerst, da wär wirklich was bei uns schief gegangen, die Akte war natürlich grad beim Chef und der in ner Besprechung, konnte also nicht nachschaun. Hab später dann nochmal reingeschaut und siehe da: die Rechnung hat sie lediglich zur Kenntnis gekriegt.
Eigentlich wollte sie auch noch mal angerufen haben um sich beim Chef persönlich zu beschweren, aber scheinbar ist ihr das dann selbst noch aufgefallen, sie hat sich nämlich dann doch nicht mehr gemeldet
Da zeigt sich mal wieder: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil^^
"Abteilung Fähig & Fähig, was kann ich für Sie tun?" ... "Einen Moment bitte, dafür ist die andere Abteilung zuständig, ich stell' einmal durch, viel Erfolg"
- Darkeyes
- Daueraktenbearbeiter(in)
- Beiträge: 326
- Registriert: 09.07.2007, 17:58
- Beruf: ReFa (wieder im Dienst!!)
- Wohnort: Stuttgart
- Kontaktdaten:
Vielleicht liegt es einfach auch daran, dass viele das "Hochddeutsch" bzw. das "Anwaltsdeutsch" nicht verstehen?
Da wir alle in diesem Beruf arbeiten, ist uns ja selbstverständlich klar, was wir alles von unseren Mandanten wollen und auch meinen.
Wenn ich mir mal übverlege, ich würde diesen Job nicht machen und bekäme ein Schreiben von einem Anwalt mit diesen verschachtelten Sätze, dann würde ich es auch nicht blicken. Um mal ganz ehrlich zu sein.
Da wir alle in diesem Beruf arbeiten, ist uns ja selbstverständlich klar, was wir alles von unseren Mandanten wollen und auch meinen.
Wenn ich mir mal übverlege, ich würde diesen Job nicht machen und bekäme ein Schreiben von einem Anwalt mit diesen verschachtelten Sätze, dann würde ich es auch nicht blicken. Um mal ganz ehrlich zu sein.
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