Widerrufsbelehrung auch bei Anwälten

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Andy66
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#1

28.04.2015, 09:26

Hallo liebe Mitstreiter,

da auch uns die Themen Widerrufsbelehrung und Fernabsatzgesetz treffen könnten wollte ich mal wissen, ob Ihr hier bisher Erfahrungen gemacht habt und wie Ihr damit umgeht.

Es kommt ja heutzutage nicht in jeder Kanzlei jeder Mandant persönlich ins Haus, hält eine Besprechung mit dem RA und unterschreibt anschließend die Vollmacht. Gerade bei Unfallregulierungen gibt es noch andere Möglichkeiten, wie die Mandate zustande kommen, z.B. durch Empfehlung von Werkstätten und Sachverständigen.

Es gab mal einen Versuch einer Versicherung, den Geschädigten den Anwalt wieder auszureden mit dem Hinweis, dass man ja die Beauftragung widerrufen könne (und dann die Regulierung ... einfacher ... schneller ... wäre), ob man hierüber belehrt worden wäre usw. Das wurde zwar zwischenzeitlich wieder abgestellt, das Risiko bleibt aber.

Das Hauptproblem, das ich hier sehe, ist, dass wir schon Leistungen erbringen - müssen, wg Fristablauf - und der Mdt. dann den Auftrag widerrufen könnte. Wer schuldet dann das Honorar, wenn der Vertrag widerrufen wird? Wie schauts mit der Rechtsschutzversicherung aus?


Viele Grüße, Andy
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Anahid
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#2

28.04.2015, 10:21

Grundsätzlich steht es jedem Mandanten frei, ein Mandat wieder zu entziehen. Die bis dahin angefallenen Gebühren sind halt zu zahlen.

Die Beauftragung nachzuweisen, ist sicherlich Deine Aufgabe, wenn der Mandant die Beauftragung bestreitet. Ich habe lediglich ein paar Inkassomandate, in denen ich keine schriftliche "Vollmacht" habe, aber zumindest z.B. die E-Mail des Mandanten, dass er mir die Unterlagen zu XY schickt und darum bittet, einen Mahnbescheid zu beantragen. Damit ist der Auftrag auch bereits nachgewiesen. In Unfallsachen, auch wenn die vermittelt werden, habe ich immer eine schriftliche Vollmacht auf der eindeutig Vollmacht und Auftrag steht.
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Andy66
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#3

28.04.2015, 10:39

Das Problem ist nicht, dass ein Mandant keine Lust mehr auf uns hat und dann kündigt. Das Problem ist, dass dann der Vertrag bei Widerruf nichtig wäre. Und dann iss nix mit Kosten, denn wo kein Vertrag, da kein Anspruch.

Unser Geschäftsmodell ist, dass wir die Schadenregulierungen möglichst zügig vorantreiben. Wenn wir warten müssten, bis die Widerrufsfrist abgelaufen ist, vergeht wertvolle Zeit. In der z.B. auch die Versicherungen dann Gelegenheit hätten, den Geschädigten von ihrem Schadenmanagement zu überzeugen (im Gegensatz zu OLG Frankfurt 22 U 171/13: "Auch bei einfachen Verkehrsunfallsachen ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts von vornherein als erforderlich anzusehen. Gerade die immer unüberschaubarere Entwicklung der Schadenspositionen und der Rechtsprechung zu den Mietwagenkosten, Stundenverrechnungssätzen u.ä. lässt es geradezu als fahrlässig erscheinen, einen Schaden ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts abzuwickeln").
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#4

29.04.2015, 10:26

Danke für den Gedankenanstoß. Ich hatte mir dazu bereits im Juli Gedanken gemacht und von etlichen Kollegen gehört, dass die Kanzlei schon auf ein solches Modell ausgerichtet sein müsse, also ein auf den Fernabsatz organisierter Betrieb vorhanden sein müsse, damit das Widerrufsrecht greift. Mag sein. Die Frage ist natürlich, ob eine auf der Internetseite der Kanzlei angegebene E-Mail-Adresse oder ein Kontaktformular schon ausreichen oder ob der Anwalt dazu noch in verschiedenen Portalen wie anwalt.de/frag-einen.anwalt.de auftreten muss.

Ich empfehle NJW Beitrag von Prof. Ernst, NJW 2014, 817 ff.

Letztendlich bleiben doch nur folgende Varianten (nicht von mir, deshalb als Zitat):

"Variante 1: Vermeidungsstrategie. Ich schließe mit Verbrauchern keine Verträge außerhalb geschlossener Geschäftsräume und keine Fernabsatzverträge. Folge: Es besteht kein Widerrufsrecht des Verbrauchers.

Variante 2: Ich schließe derlei Verträge und belehre hierbei korrekt über das Widerrufsrecht. Folge: Verbraucher kann 14 Tage widerrufen, ich habe dann aber einen Anspruch auf Wertersatz nach RVG.

Variante 3: Ich schließe derlei Verträge, aber belehre nicht. Folge Verbraucher kann ein Jahr und 14 Tage widerrufen und es gibt keinerlei Wertersatzanspruch.

Variante 4: Mischform. Ich schließe derlei Verträge und belehre nur bei den kritischen Stinkstiefelmandanten. Bei (guten) Mandanten (längere Geschäftsbeziehung, man kennt sich usw.) verzichte ich auf die Belehrung."
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Andy66
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#5

29.04.2015, 15:01

Soweit ich feststellen konnte, machen sich bisher nicht viele Anwälte wirklich Gedanken darüber. Bisher hatten wir auch noch keinen Widerrufsfall. Auch wir schwanken zwischen den verschiedenen Varianten und sind noch unschlüssig, ob wir hier überhaupt betroffen sind.
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Soenny
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#6

29.04.2015, 15:48

Ich empfehle NJW Beitrag von Prof. Ernst, NJW 2014, 817 ff.
und wenn nich mir da das "Fazit" durchlese, dann mache ich mir im "normalen" Geschäftsbetrieb mal gar keine Gedanken, es sei denn, jemand wirbt massiv mit Online-Beratungen pp., erst dann dürfte das Thema - zumindest derzeit - überhaupt eine Rolle spielen.
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Bei manchen Menschen ist es interessant zu sehen, wie das Alter den Verstand überholt hat! (Autor: A.G.)


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An die Person, die meine Schuhe versteckt hat, während ich auf der Hüpfburg war: Werd' erwachsen! :motz
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