In wie vielen Kanzleien wird noch Diktiert?

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BrunettesDoitBetter
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#91

20.09.2011, 16:17

maxe hat geschrieben:Wenn ich eingangs gesagt habe "ich kenne auch keinen wie auch immer jung alt erfahrenen Kollegen, der bei vorhandenem Personal nicht diktiert.", so war dies nicht wertmindernd oder geringschätzig gemeint. Natürlich sieht das Berufsbild einer Reno mehr und umfangreichere Arbeiten vor, und sollte man die Beruferfahrung der Mitarbeiter vollumfänglich nutzen.

Aber es ist doch nun einmal so, dass das Produzieren von Schriftsätzen letztendlich im Zu-Papier-bringen besteht, welches der Rechtsanwalt entweder selber macht oder diktiert und machen lässt. Dass das irgendwo doppelte Arbeit ist, weil ein und derselbe Sachverhalt zweimal "durchgekaut" wird, ist klar (Man denke nur an die Zeit der Stenographie, wo der Sachverhalt eigentlich dreimal verarbeitet wurde: Diktat, Steno schreiben, Maschine schreiben). Deshalb die Idee der Spracherkennung, dem Computer zu diktieren und dieser schreibt, -was nicht immer klappt-.

Die Gedanken, die sich der RechtsKnecht macht, sind mir durchaus bekannt, sie erscheinen mir jedoch teilweise zu theoretisch.

Viele mir bekannte Berufsanfänger konnten nur deshalb auf -nennen wir sie neutral "Hilfskräfte"- zurückgreifen, weil diese innerhalb einer schon existierenden Kanzlei bereits vorhanden waren oder aber auch aus dem familiären Umfeld rekrutiert werden konnten. In letzterem Falle waren diese meistens juristisch nicht vorgebildet und haben dann eben allgemeine Bürotätigkeiten ausgeübt, darunter auch Schreiben. Fachspezifische Arbeiten mußte der Rechtsanwalt selbst machen. Und ich bin sicher, auch heute noch kann nicht jeder IT-affine Mensch im 10-Finger-System schreiben und dabei eine nennenswerte Geschwindigkeit erreichen, wenn es nicht richtig gelernt und trainiert wird.

Innerhalb mir bekannter Kanzleistrukturen haben ich vieles gesehen: Azubis, fertige berufserfahrene Renos, Hinzuverdiener, Umschüler und Pratikanten, je nach Notwendigkeit, Möglichkeit oder Kassenstand.

Wenn der RechtsKnecht sagt, er kann in einer neuzugründenden Kanzlei mit zwei Berufsträgern und einer (Vollzeit?)-Reno den hierfür notwendigen Umsatz erwirtschaften, dann darf ich meinen Respekt zollen und sagen: "Prima, gutes Konzept, gutes Arbeiten". Wenn er dann auch schon sagen kann, ich interessiere mich für dieses oder jenes Rechtsgebiet oder von dort kommt die Mandantschaft und ich brauche ein/e genau in diesem Bereich fitte/n Mitarbeiter/in, wunderbar. Habe ich bisher so noch nicht kennengelernt, da haben die Kanzleien sozusagen alles genommen und haben sich im Laufe des Wachsen spezialisiert und entsprechend Leute eingestellt. Da fängt man vielleicht mit einer Schreibkraft an, weil die billiger ist als eine Reno, oder nimmt ein Azubi, weil sich da Schreibkraft und anfangende Rechtskenntnisse paaren, und kommt dann zur Erkenntnis, jetzt brauche ich eine richtige Fachkraft, die mich mehr entlasten kann.

Wobei einen Azubi als Alleinkraft einzustellen schon eine Schweinerei ist. Der Rechtsanwalt hat in seinem Studium in der Regel überhaupt nichts gelernt über das Berufsbild einer Reno und deren Arbeitsumfang, er kann dem Azubi also überhaupt nichts beibringen. Er kann sich allerdings den Azubi so hinbiegen, das der arbeitet wie es der Rechtsanwalt möchte. Ob das sinnvoll und effektiv ist, mag jeder für sich entscheiden.

Frühern hieß es, bis eine Kanzlei läuft, braucht es fünf Jahre, heute würde ich meinen, braucht es länger, weil einfach zuviel Rechtsanwälte da sind und zuwenig zahlungkräftiges Klientel.
Auch ich wurde als einzigste Arbeitskraft damals als Azubi eingestellt. Ich wurde, wiebereits mehrfach erwähnt, ins kalte Wasser geschmissen. Es ist richtig, dass mein Chef mir damals nicht viel beibringen konnte, da er über den Aufgabenbereich einer ReFa nicht wirklich gut bescheid wusste. JEdoch sehe ich all dies nicht als Kritikpunkt. Ich musste mich drei Jahre lang durch sämtliche Bücher, Gesetzestexte, Foren etc. wurschteln. Ich hatte in meiner Kanzlei niemanden den ich fragen konnte, wie ich denn nun dieses oder jenes mache. Mein Chef hat viele Auswärtstermine, also war dieser auch kaum da. Ich habe auch viele Fehler in dieser Zeit gemacht; jedoch wage ich mich an die Behauptung, dass ich in diesen 3 Lehrjahren mehr gelernt habe, als manch ein Azubi, der ständig andere fragen kann wenn er unsicher ist. Ich habe meine Ausbildung mit einem 1er Durchschnitt abgeschlossen. Es mag vielleicht für den einen oder Anderen eingebildet klingen, aber ich bin verdammt stolz darauf, dass ich das alles selbst geschafft habe, ohne jegliche Hilfe, und in dieser Zeit sehr viel gelernt habe.

Und für manche vielleicht nicht nachvollziehbar, manche mögen es als "Schweinerei" bezeichnen aber: ich bin meinem Chef dankbar, dass ich die einzigste in der Kanzlei war und alles selbst hinbiegen musste.
Ein Mann kann anziehen, was er will - er bleibt doch nur ein Accessoire der Frau
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#92

20.09.2011, 16:57

maxe hat geschrieben:Die Gedanken, die sich der RechtsKnecht macht, sind mir durchaus bekannt, sie erscheinen mir jedoch teilweise zu theoretisch.
Ja, mir erscheinen sie (leider) auch teilweise zu theoretisch. Deshalb suche ich den Kontakt zur Praxis über dieses Forum, das Forum Junge Anwaltschaft, die Kammern und einzelne Anwälte, zu denen ich Kontakte aufbaue. Ich versuche meine theoretischen Konzepte zu überprüfen und, wenn notwendig, anzupassen.
maxe hat geschrieben:Wenn der RechtsKnecht sagt, er kann in einer neuzugründenden Kanzlei mit zwei Berufsträgern und einer (Vollzeit?)-Reno den hierfür notwendigen Umsatz erwirtschaften, dann darf ich meinen Respekt zollen und sagen: "Prima, gutes Konzept, gutes Arbeiten".
Jo, das würd mir auch gefallen. Jedoch bin ich so realistisch, dass es anfangs erstmal auf zwei Anwälte und eine Vollzeitkaffeemaschine hinausläuft.
Eine Spezialisierung wird es anfangs auch nicht geben, nur eine Aufteilung der Gebiete untereinander. Wobei ich sagen muss, dass die ausgesuchte Location wohl für eine zu starke Spezialisierung nicht geeignet wäre. Es handelt sich nicht um eine große Stadt mit einem entsprechend großen Markt. Dafür ist der kleinere Markt, in dem wir mitfischen werden, im Verhältnis deutlich weniger umkämpft. Eine Kanzlei an meinem Wohnort zu eröffnen, wäre wirtschaftlicher Selbstmord (Dichte: ca. 200 Einwohner/Anwalt).

Als Arbeitskraft, wenn die Kanzlei langsam anläuft ist aktuell eher ein Azubi angedacht. Allerdings verstehe ich auch deine Einwände hiergegen:
maxe hat geschrieben:Wobei einen Azubi als Alleinkraft einzustellen schon eine Schweinerei ist. Der Rechtsanwalt hat in seinem Studium in der Regel überhaupt nichts gelernt über das Berufsbild einer Reno und deren Arbeitsumfang, er kann dem Azubi also überhaupt nichts beibringen. Er kann sich allerdings den Azubi so hinbiegen, das der arbeitet wie es der Rechtsanwalt möchte. Ob das sinnvoll und effektiv ist, mag jeder für sich entscheiden.
Ja, das ist auch eine der größten Bedenken, die ich habe. Da die Entscheidung zur Selbstständigkeit bei meiner Kollegin und mir recht früh im Studium fiel (4-5. Semester) haben wir uns entsprechend auch schon über Kanzleistrukturierung, das Gebührenrecht, das anwaltliche Berufsrecht, etc. informiert. Alles natürlich ziemlich theoretisch, da primär aus Büchern. Wir haben natürlich auch im Rahmen von Praktika und jetzt im Referendariat einiges gelernt, aber wir machen uns auch nichts vor: Wir müssen noch extrem viel lernen, vor allem am Anfang.
Aber ich denke (bzw. hoffe), dass wir nach einem Jahr genug praktische Erfahrung sammeln konnten, um einem Azubi über die drei Jahre, in denen wir selbst ja auch noch unser Wissen ausbauen werden, eine gute Ausbildung mitgeben zu können. Natürlich muss man auch erstmal schauen, ob die Kanzlei nach einem Jahr überhaupt ausreichend Umsatz generiert, um einen Azubi einzustellen.
maxe hat geschrieben:Frühern hieß es, bis eine Kanzlei läuft, braucht es fünf Jahre, heute würde ich meinen, braucht es länger, weil einfach zuviel Rechtsanwälte da sind und zuwenig zahlungkräftiges Klientel.
Diese 5-Jahres-Regel hab ich bisher noch nicht gehört. Ich kenne nur die Erfahrungsberichte anderer Anwälte und die Auswertungen von den Umfragen des Soldan Instituts. Da schauts eigentlich gar nicht soooo schlecht aus, vor allem wenn man zu zweit und nicht allein anfängt. Wobei man wohl unterschiedlich definieren kann, wann eine Kanzlei "läuft". Mein erster Meilenstein wäre erstmal, dass sich die Kanzlei selbst trägt. Also die Kosten wieder reinbringt, die sie produziert. Der nächste Meilenstein wäre die Erwirtschaftung von Gewinn in einer Höhe, von der man sparsam leben kann.
maxe
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#93

20.09.2011, 17:56

Diese 5-Jahre-Regel ist mehr als Faustformel zu nehmen denn als belastbare und nachweisbare Formel. Habe ich mal so öfters gehört. Die Zahlen des Soldan-Instituts kenne ich nicht.

Man sieht ja auch an den Beiträgen, dass es eine allgemeine Gültigkeit für diese oder jene These nicht gibt. Was die einen schlecht und unmöglich finden, gilt anderen als Herausforderung. Was ich für sinnvoll erachte, mag dem anderen sauer aufstoßen.
Mit freundlichen Grüßen
Maxe


“[color=#0040FF]Bei der nächsten Sintflut wird Gott nicht Wasser, sondern Papier verwenden.” Romain Gary (frz. Pilot, Schriftsteller und Diplomat)[/color]
Sam29

#94

20.09.2011, 18:15

Die Azubinge muss weit aus mehr lernen, als nur Kanzleistrukturierung, das Gebührenrecht, das anwaltliche Berufsrecht.

Es fängt schon bei den Grundlagen des Word-Programmes an, einfach Dingen wie Dokumente erstellen, richtig abspeichern etc. Darüber hinaus, wie man richtig kurze Mitteilungen schreibt, wie man sich am besten in Akten zurecht findet, was ist wichtig bei der Aktenführung, wie führt man Telefonate, was tut man konkrt im Problemsituatione. ich könnte spontan hunderte von Dingen niederschreiben, woran man ganz schnell merkt, dass eine Fachkraft zur Ausbildung benötigt wird. Die scheinbar einfachsten Dinge, werden dann zu einem großen Problem, wenn der Anwatlt von seinen 8 Stunden Arbeit, sechs Stunden neben der Azubine sitzt um ihr die scheinbar einfachsten Dinge zu erklären. Ein Schüler nach der 10. Klasse ist max. 16/17. Diese wissen über den Beruf, der Materie nichts, null und ich spreche hier nicht von dem Fachwissen, was gemeinsam mit der Schule aufgebaut wird. Ich finde es utopisch zu denken, dass eine gute Ausbildung gewährleistet ist, wenn man selber Berufsanfänger ist.

Ich hatte eine tolle Ausbildung. Eine Bürovorsteherin in dessen Büro ich den ganzen Tag saß und mit ihr die Dinge von grundauf durchgegangen bin, wie man PC bedient, wie man Dokumente erstellt, wie man mit der Schreibmaschine umgeht etc. natürlich auch entsprechend der Lehrjahre das Fachwissen. Als ich reif war, um alleine zu arbeiten, durfte ich mit den anderen Reno zusammen arbeiten. Alle und das waren drei standen mir immer hilfreich zur Seite in jeder Hinsicht. Der Chef hat mich dann nur noch hinsichtlich des fachlichen geprüft. So dass ich in meinem letzten Jahr insbesondere die ZV vollständig alleine bearbeitet habe. Ich kann sage, es war eine tollte Ausbildung. Der Chef alleine hätte es nicht so hinbekommen, da gar keine zeit! Dann habe ich das Gegenteil in meiner Kanzlei. Ein RA hat sich eine Azubine angelacht. Volle Arbeitskraft zum günstigen Preis. Viele Dinge versteht sie nicht, weil ihr dass keiner so erklärt, dass die Kleine das versteht. Teilweis traut sie sich nicht zu fragen oder lässt Dinge, die sie nicht kann, weil ihr das keiner zeigt, einfach liegen, dass macht dann die Aushilfskraft, die sie aber nie zu Gesicht bekommt. Das führte dazu, dass die Azubine ihren Abschluss ohne No macht und sich danach was anderes sucht.
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#95

20.09.2011, 20:01

Ich bin ein wenig verwundert, wie abwertend hier teilweise über das Diktate-Schreiben diskutiert wird. Das gehört für mich genauso zum Alltag wie das selbständige Bearbeiten von Akten. Und eh mein Chef mit seinen Wurstfingern einen 50seitigen Schriftsatz geschrieben hat, bin ich fünf Mal fertig. Bei uns wird diktiert und je nach RA wird mehr oder weniger viel aufs Band gesprochen. Das hängt auch immer von der entsprechenden "Sekretärin" ab. Es gibt bei uns ReNos, bei denen eine Ansage reicht und es gibt tatsächlich "Sekretärinnen", bei denen wirklich alles diktiert werden sollte.

Ich finde es im Übrigen nicht verkehrt, wenn Ihr Euch zutraut, einen Azubi auszubilden. Als ich meinen Beruf erlernt habe, wurde ich viel von meinem Chef ausgebildet. Gerade was das Prozessrecht inkl. Fristen usw. anging, hat er mir vieles beigebracht. Also was spricht dagegen?
Liebe Grüße

Das Lämmchen Bild
Sam29

#96

20.09.2011, 20:50

Erst wird ja nicht abwertend darüber geredet. Allerdings, wenn man sich ein digitales Spracherkennungssystem anschafft, finde ich es nicht verkehrt, dass es gleich auf dem Bildschirm landet. Dann ist der SS einfach schon mal fertig. Es ist eine reine Zeitersparnis und Zeit ist Geld. Anders, als wenn auf normalen Bändern gesprochen wird, das ja schon Zeit kostet und dann die Reno - was ja auch noch einmal Zeit kostet - dies alles abtippt. Als Neuling sollte man sich, da man eh investieren muss, lieber für ein digitales Spracherkennungssystem entscheiden. Wir haben eins und mein eine RAin spricht in nu die Schriftsätze runter. Sie nimmt die Akte und schwups ist sie fertig.
gkutes

#97

20.09.2011, 21:34

digital bedeutet ja nicht gleich, dass es Spracherkennung ist :D
wenn man sich eh alles neu anschaffen muss, dann kann man es sich auf jeden Fall gleich gescheit kaufen. So seh ich das jedenfalls.

edit: weil ich grad nach den Preisen geschaut hab. Wir haben nicht Dragon legal :wink:
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#98

20.09.2011, 21:42

Woah, hab mir auch grad mal die Lizenzpreise für Dragon NaturallySpeaking angeschaut.
Ist bei der Legal-Variante noch ein Anwalt dabei oder was?! Was kann die Version denn so viel tolles mehr?
gkutes

#99

20.09.2011, 21:44

hab ja gesagt, nicht legal 8)

haste aber auch mal geschaut, was diktiergerät+software kostet? biste bestimmt auch mit 400 € dabei
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misspinky1984
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#100

20.09.2011, 21:47

RechtsKnecht, Olympus bietet eigentlich ein gutes StarterKit für digitale Spracherkennung an. Da ist man mit rund 360,00 € für Software, Diktiergerät und Abspielhardware dabei
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Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.


Quelle: Die englische Fassung nach Charles Reade geht auf ein chinesisches Sprichwort zurück.
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