Auch ich wurde als einzigste Arbeitskraft damals als Azubi eingestellt. Ich wurde, wiebereits mehrfach erwähnt, ins kalte Wasser geschmissen. Es ist richtig, dass mein Chef mir damals nicht viel beibringen konnte, da er über den Aufgabenbereich einer ReFa nicht wirklich gut bescheid wusste. JEdoch sehe ich all dies nicht als Kritikpunkt. Ich musste mich drei Jahre lang durch sämtliche Bücher, Gesetzestexte, Foren etc. wurschteln. Ich hatte in meiner Kanzlei niemanden den ich fragen konnte, wie ich denn nun dieses oder jenes mache. Mein Chef hat viele Auswärtstermine, also war dieser auch kaum da. Ich habe auch viele Fehler in dieser Zeit gemacht; jedoch wage ich mich an die Behauptung, dass ich in diesen 3 Lehrjahren mehr gelernt habe, als manch ein Azubi, der ständig andere fragen kann wenn er unsicher ist. Ich habe meine Ausbildung mit einem 1er Durchschnitt abgeschlossen. Es mag vielleicht für den einen oder Anderen eingebildet klingen, aber ich bin verdammt stolz darauf, dass ich das alles selbst geschafft habe, ohne jegliche Hilfe, und in dieser Zeit sehr viel gelernt habe.maxe hat geschrieben:Wenn ich eingangs gesagt habe "ich kenne auch keinen wie auch immer jung alt erfahrenen Kollegen, der bei vorhandenem Personal nicht diktiert.", so war dies nicht wertmindernd oder geringschätzig gemeint. Natürlich sieht das Berufsbild einer Reno mehr und umfangreichere Arbeiten vor, und sollte man die Beruferfahrung der Mitarbeiter vollumfänglich nutzen.
Aber es ist doch nun einmal so, dass das Produzieren von Schriftsätzen letztendlich im Zu-Papier-bringen besteht, welches der Rechtsanwalt entweder selber macht oder diktiert und machen lässt. Dass das irgendwo doppelte Arbeit ist, weil ein und derselbe Sachverhalt zweimal "durchgekaut" wird, ist klar (Man denke nur an die Zeit der Stenographie, wo der Sachverhalt eigentlich dreimal verarbeitet wurde: Diktat, Steno schreiben, Maschine schreiben). Deshalb die Idee der Spracherkennung, dem Computer zu diktieren und dieser schreibt, -was nicht immer klappt-.
Die Gedanken, die sich der RechtsKnecht macht, sind mir durchaus bekannt, sie erscheinen mir jedoch teilweise zu theoretisch.
Viele mir bekannte Berufsanfänger konnten nur deshalb auf -nennen wir sie neutral "Hilfskräfte"- zurückgreifen, weil diese innerhalb einer schon existierenden Kanzlei bereits vorhanden waren oder aber auch aus dem familiären Umfeld rekrutiert werden konnten. In letzterem Falle waren diese meistens juristisch nicht vorgebildet und haben dann eben allgemeine Bürotätigkeiten ausgeübt, darunter auch Schreiben. Fachspezifische Arbeiten mußte der Rechtsanwalt selbst machen. Und ich bin sicher, auch heute noch kann nicht jeder IT-affine Mensch im 10-Finger-System schreiben und dabei eine nennenswerte Geschwindigkeit erreichen, wenn es nicht richtig gelernt und trainiert wird.
Innerhalb mir bekannter Kanzleistrukturen haben ich vieles gesehen: Azubis, fertige berufserfahrene Renos, Hinzuverdiener, Umschüler und Pratikanten, je nach Notwendigkeit, Möglichkeit oder Kassenstand.
Wenn der RechtsKnecht sagt, er kann in einer neuzugründenden Kanzlei mit zwei Berufsträgern und einer (Vollzeit?)-Reno den hierfür notwendigen Umsatz erwirtschaften, dann darf ich meinen Respekt zollen und sagen: "Prima, gutes Konzept, gutes Arbeiten". Wenn er dann auch schon sagen kann, ich interessiere mich für dieses oder jenes Rechtsgebiet oder von dort kommt die Mandantschaft und ich brauche ein/e genau in diesem Bereich fitte/n Mitarbeiter/in, wunderbar. Habe ich bisher so noch nicht kennengelernt, da haben die Kanzleien sozusagen alles genommen und haben sich im Laufe des Wachsen spezialisiert und entsprechend Leute eingestellt. Da fängt man vielleicht mit einer Schreibkraft an, weil die billiger ist als eine Reno, oder nimmt ein Azubi, weil sich da Schreibkraft und anfangende Rechtskenntnisse paaren, und kommt dann zur Erkenntnis, jetzt brauche ich eine richtige Fachkraft, die mich mehr entlasten kann.
Wobei einen Azubi als Alleinkraft einzustellen schon eine Schweinerei ist. Der Rechtsanwalt hat in seinem Studium in der Regel überhaupt nichts gelernt über das Berufsbild einer Reno und deren Arbeitsumfang, er kann dem Azubi also überhaupt nichts beibringen. Er kann sich allerdings den Azubi so hinbiegen, das der arbeitet wie es der Rechtsanwalt möchte. Ob das sinnvoll und effektiv ist, mag jeder für sich entscheiden.
Frühern hieß es, bis eine Kanzlei läuft, braucht es fünf Jahre, heute würde ich meinen, braucht es länger, weil einfach zuviel Rechtsanwälte da sind und zuwenig zahlungkräftiges Klientel.
Und für manche vielleicht nicht nachvollziehbar, manche mögen es als "Schweinerei" bezeichnen aber: ich bin meinem Chef dankbar, dass ich die einzigste in der Kanzlei war und alles selbst hinbiegen musste.