Wissensmanagement für Kanzleien in der Corona-Krise

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Die Digitalisierung wurde in der Corona-Krise immer wieder als Segen bezeichnet. Das dürfte auch ganz besonders für das Wissensmanagement in Kanzleien gelten, also für den Erwerb, die Entwicklung, den Transfer, die Speicherung sowie die Nutzung von Wissen (Definition Wissensmanagement, Gabler Wirtschaftslexikon). Kanzleien, die früh auf ein digitales Wissensmanagement gesetzt haben, können in diesem Bereich nun auf Knopfdruck auf ein dezentrales Arbeiten umstellen, sollte dies nicht ohnehin schon praktiziert worden sein.

Berufsträger und Kanzleimitarbeiter sind schichtweise im Büro oder arbeiten komplett am Heimarbeitsplatz. Die Kanzleibibliothek und neue Zeitschriftenausgaben sind im Büro. In dieser aktuellen Situation wirken ein Zeitschriftenumlauf und das Nachsortieren von Ergänzungslieferungen besonders überholt.

Die Vorteile der digitalen Fachrecherche liegen jedoch längst nicht nur in der dezentralen Verfügbarkeit der Literatur. Die Corona-Krise führt dazu, dass so gut wie jedes Rechtsgebiet in der Entwicklung begriffen ist. Ob Moratorien für Mieten, arbeitsvertragliche Zusatzvereinbarungen für den Heimarbeitsplatz, betrieblicher Infektionsschutz, Auswirkungen auf das Unterhaltsrecht oder die virtuelle Hauptversammlung im Aktienrecht  – die rechtlichen Fragestellungen mit Corona-Bezug werden Anwälte noch sehr lang in sämtlichen Tätigkeitsschwerpunkten beschäftigen.

Wer hier auf dem Laufenden ist, berät nicht nur besser sondern stellt sich auch haftungsrechtlich auf die sichere Seite. Der BGH sprach 2009 von einer Verpflichtung des Beraters, die Rechtsprechung der Instanzgerichte und das Schrifttum einschließlich der Aufsatzliteratur heranzuziehen, wenn ein Rechtsgebiet „in der Entwicklung begriffen und (neue) höchstrichterliche Rechtsprechung zu erwarten ist“ (BGH NJW 2009, 1593).

In juristischen Online-Datenbanken können Suchen abgespeichert und automatisch durchgeführt werden. Der Nutzer erhält bei einem Ergebnisdelta auf Wunsch stets eine E-Mail-Nachricht. Der einfache Suchauftrag „Corona ODER Covid-19“ spült also jede neue Fachinformation mit Pandemiebezug direkt zum Nutzer, egal ob Rechtsprechung, Norm, Zeitschriftenaufsatz oder die sich mehrenden Fundstellen in Online-Kommentaren zu betroffenen Gesetzen. Eine kleine Sammlung von Fachliteratur mit Corona-Bezug findet Ihr auch im Soldan Blog, eine gute Übersicht zu bisheriger Rechtsprechung und in den Bundesländern verschiedenst geltenden Vorschriften zu Corona findet Ihr unter www.lexcorona.de

Der Beck Verlag hat Corona längst als Querschnittsrechtsgebiet erkannt und entsprechende Inhalte in einem beck-online Coronamodul (Corona und COVID-19) gebündelt. Ein wesentlicher Bestandteil des Moduls ist die ebenfalls neue Zeitschrift COVuR, COVID-19 und Recht. Das Modul steht bis Ende August 2020 jedem Fachmodul-Bezieher kostenfrei zur Verfügung, egal zu welchem Tätigkeitsschwerpunkt.

Zu den Herausforderungen der Verfügbarkeit von Fachinformationen steigt also gleichzeitig der Bedarf an diesen. Im Sinne eines effektiven Kanzlei-Wissensmanagements ist es vermutlich sinnvoll, neben dem Erwerb und der Nutzung von Fachinformationen (online first) auch Gedanken in die Speicherung und den Transfer von Wissen zu investieren, was die Anlage von Dossiers jenseits der vorzugsweise digitalen Aktenführung betrifft und die Vernetzung von Berufsträgern und Mitarbeitern untereinander – von einem Dokumentenmanagement bis hin zu einem dezentralen, kollaborativen Arbeiten.