Tipps und Tricks in der Zwangsvollstre­ckung: Automatische Wiederbelebung der Lohnpfändung

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Insbesondere bei Saisonarbeitskräften kommt es vor, dass Ar­beitsverhältnisse saisonbedingt beendet und nach einigen Monaten wieder aufgenommen werden. Vielfach unbekannt ist, dass eine ausgebrachte Lohnpfändung wiederauflebt, wenn der Schuldner innerhalb einer Frist von 9 Monaten die Arbeit beim gleichen Drittschuldner wieder aufnimmt.

Die 9-Monats-Frist
Neben der Kontenpfändung ist die Lohnpfändung eine der am meisten genutzten Vollstreckungsmaßnahmen. Oftmals ist es äußerst langwierig, bis endlich pfänd­bare Beträge fließen: Zunächst muss der Titel erwirkt werden . Ist dem Gläubiger nicht bekannt, ob und ggf. wo der Schuldner arbeitet, wird anschließend der Ge­richtsvollzieher mit der Abnahme der Vermögensaus­kunft und ggf. Einholung von Drittauskünften beauf­ tragt. Kann ein  Arbeitgeber  ermittelt  werden,  bringt der Gläubiger eine Lohnpfändung aus . Inzwischen sind seit Fälligkeit der Forderung bereits Monate vergan­gen. Zunächst zahlt der Gläubiger pfändbare Beträge. Endet das Arbeitsverhältnis, ist der Arbeitgeber jedoch nicht mehr Drittschuldner. Was  ist  zu  tun?  Erneut wird der Gerichtsvollzieher mit der Abnahme der Ver­mögensauskunft und Einholung von Drittauskünften beauftragt. Nach Monaten stellt sich heraus, dass der Schuldner wieder bei dem gleichen Arbeitgeber arbei­tet. Muss jetzt erneut gepfändet werden?

Beispiel
Schuldner Saus Osnabrück arbeitet seit dem 01.04. in der Touristikbranche als Kellner in einem Restaurant an der Ostsee. Sein Arbeitsvertrag ist befristet bis zum 31.10., da dann die Saison endet. Gläubiger G erwirkt im August einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Arbeitgeber A führt für die Monate August bis Oktober die pfändbaren Beträge an Gab. S bezieht im Anschluss  Arbeitslosengeld. Im April des nächsten Jahres kehrt er an die Ostsee zu Arbeit­geber A zurück und arbeitet wieder als Kellner. Muss Gläubiger G im nächsten Jahr eine neue Lohnpfändung ausbringen?

Nein: Gemäߧ 833 Abs. 2 ZPO erstreckt sich die Pfän­dung des Vorjahres auch auf das neue Arbeitsverhält­nis, wenn Arbeitgeber und Schuldner innerhalb von 9 Monaten ein neues Arbeitsverhältnis begründen: Eine Pfändung aus einem früheren Arbeitsverhältnis lebt automatisch wieder auf, wenn der Schuldner mit dem gleichen Arbeitgeber = Drittschuldner die Beschäfti­gung neu begründet. Insbesondere bei Saisonarbeitskräften in der Touristik­branche oder der Landwirtschaft greift diese Regelung häufig. § 833 Abs. 2 ZPO ist auch dann zu beachten, wenn der Schuldner zwischenzeitlich bei einem anderen Arbeit­geber beschäftigt war:

Beispiel
Schuldner S arbeitet bei Arbeitgeber Aals kaufmännischer Angestellter. Gläu­biger G bringt im August eine Lohnpfändung aus. Da Arbeitgeber B dem Sein wesentlich höheres Gehalt bietet, kündigt dieser sein Arbeitsverhältnis mit A zum 31.12. und nimmt bei B seine neue Tätigkeit auf. Leider entspricht die neue Stelle doch nicht den Vorstellungen des S – er verdient zwar mehr, hat aber ständig Streit mit seinem Vorgesetzten. Daher kündigt Arbeitgeber B das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit. S fragt bei A an, ob sein alter Ar­ beitsplatz noch frei ist. A und Seinigen sich darauf, dass S zum 01.07. wieder eingestellt wird.

Arbeitgeber A muss ab 01.07. die Lohnpfändung des G, die im Vorjahr wirksam zugestellt wurde, wieder beachten. Dies gilt unabhängig davon, warum das frühere Arbeitsverhältnis beendet wurde (Kündigung durch Arbeitgeber oder Arbeitnehmer; Befristung des Arbeitsverhältnisses; Aufhebungsvertrag) bzw. unabhängig davon, ob der Schuldner zwischenzeitlich arbeitslos war oder eine andere Arbeitsstelle hatte. Der Arbeitgeberist verpflichtet, die Pfändung bei Neubeginn der Tätigkeit wieder zu beachten und pfändbare Beträge ein­zuhalten und abzuführen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, haftet er als Drittschuldner.

Beachtung durch den Drittschuldner
Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, den Drittschuldner explizit auf§ 833 ZPO hinzuweisen. Allerdings kann es in der Praxis sicher nicht sc haden , den Drittschuldner kurz anzuschreiben und auf den Sachverhalt hinzuw ei­ sen. Ein kurzes Schreiben verursacht weniger Aufwand und zeigt vermutlich schneller Wirkung, als später eine Drittschuldnerklage wegen Nichtzahlung von pfändba­ ren Beträgen einzureichen.

Formulierungshilfe: Schreiben an den Drittschuldner

G ./. S

Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG ….. , Az.: …………… , vom ……………..

gegen Ihren Mitarbeiter ………………..

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Ihnen bekannt ist, vertreten wir in der o. g. Forderungsangelegenheit die Interessen des G. Aufgrund des vorgenannten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hatten Sie mit  Schreiben vom……………………………… mit geteilt , dass

Herr S zum 31.12…… aus Ihrem Unternehmen ausgeschieden ist .

Wie uns nunmehr bekannt wurde, soll Herr S seit dem 01.07………. wieder für Sie tätig sei n. Wir weisen vorsorg-

lich daraufhin, dass Sie ge rn. § 833 Abs. 2 ZPO verpflichtet si nd, die am…………… zugestellte Pfändung zuguns-

ten unserer Mandantschaft wieder zu berücksicht igen , da das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der 9-Monats-Frist wieder neu begründet w urde.

Ihrer Bestätigung, dass Herr S seit dem 01.07. …. wieder bei Ihnen beschäftigt ist und Sie daher gern. § 833 Abs. 2 ZPO den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss weiter beachten werden , sehen wir bis zum……………………………… ent-

gegen. Zu Ihrer Information fügen wir eine aktuelle Forderungsaufstellung bei.

Mit freundlichen Grüßen

Rangstelle
Bei Neuaufnahme der Tätigkeit innerhalb des 9-Mo­nats-Zeitraums des § 833 Abs. 2 ZPO bleibt die früher erworbene Rangstelle best ehen. Stand die Pfändung des Gläubigers G im vorgenannten Beispiel im Vorjahr an 1. Rangstelle, bleibt diese Rangstelle auch nach Neu­aufnahme der Tätigkeit bestehen. Dies gilt auch dann, wenn nach dem 01.07. Pfändungen weiterer Gläubiger eingehen.

Übergang eines befristeten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis
Beispiel
Schuldner S hat mit A einen befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen. Das Ar­ beitsverhältnis beginnt am 01.08. und ist befristet bis zum 28.02. Im Oktober wird Arbeitgeber A der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Gläu­ bigers G zugestellt. A hält ordnungsgemäß die pfändbaren Beträge ein und führt diese an Gab. Im Februar teilt A dem G mit, dass das Arbeitsverhältnis zum 28.02. endet. Durch Zufall erfährt G, dass S zum 01.03. einen neuen – jetzt unbefristeten – Arbeitsvertrag mit A abgeschlossen hat. Auch hier gilt§ 833 Abs. 2 ZPO: Der Arbeitgeber ist auch bezüglich des „neu­en“, nunmehr unbefristeten Arbeitsverhältnisses verpflichtet, den Pfändungs­ und Überweisungsbeschluss des G zu beachten

Aktuell: Corona-Krise
Wegen der Maßnahmen zur Eindämmung des Corona­virus ist trotz aller wirtschaftlicher Hilfen mit massiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu rechnen. Viele Kleinstunternehmen, die aufgrund der Sicherungs­maßnahmen schließen mussten, haben ihren Mitar­beitern gekündigt.

Beispiel
Schuldnerin S ist als Friseurmeisterin bei D beschäftigt. Gläubiger G hatte be­ reits im letzten Jahr eine Lohnpfändung gegen S ausgebracht. Der Arbeitge­ ber D überwies seither die pfändbaren Beträge monatlich an G. Aufgrund der Corona-Krise musste der Salon aufgrund einer Verordnung den Betrieb schlie­ ßen. Da D mangels Einnahmen seine Mitarbeiter nicht bezahlen kann, hat er diesen die Kündigung ausgesprochen. S bezieht seither Arbeitslosengeld. Ar­ beitgeber D hat seinen Mitarbeitern versprochen, diese nach Beendigung der Krise wiedereinzustellen. Nimmt also S in den nächsten Wochen oder Monaten ihre Arbeit bei D wieder auf, ist die Pfändung von G durch den Arbeitgeber wieder zu beachten, sofern nicht zwischenzeitlich der 9-Monats-Zeitraum abgelaufen ist.

Änderung des Arbeitgebers
Wechselt der Drittschuldner z. B. durch Änderung der Rechtsform, liegt keine Änderung des  Arbeitgebers vor, wenn das Unternehmen wirtschaftlich dasselbe bleibt. Dies gilt z.B. bei: Erstarken einer GbR zur OHG durch Aufnahme eines vollkaufmännischen Gewerbes; Umwandlung einer Einzelfirma in eine Personengesell­schaft oder juristische Person, wenn der Einzelkauf­mann wirtschaftlicher Alleininhaber bleibt, Betriebs­übergang nach § 613a BGB (Flockenhaus in Musielak/ Voit, ZPO, 1 7. Aufl. 2020 , § 833 Rn . 2).

In einem solchen Fall sollte der Gläubiger jedoch die Pfändung vom neuen Drittschuldner bestätigen lassen bzw . ihm den alten Beschluss vorsorglich erneut zustel­len, um eine gutgläubige Auszahlung an den Schuldner zu vermeiden.

Regelung gilt auch für den Bezug von ALG I und Krankengeld
Die vorgenannten Ausführungen gelten auch für die Agentur für Arbeit bzw . die Krankenkasse als Dritt­schuldner : Werden Ansprüche gegen die Agentur für Arbeit gepfändet und wird der Schuldner innerhalb der 9-Monats-Frist erneut arbeitslos, findet § 833 Abs . 2 ZPO ebenfalls Anwendung (Gott wald/ M ock, Zwangs­vollstreckung , 7. Au fl. 201 5, § 833 Rn . 8; VE, 1 2/ 2015, 213). Bei Saison-Arbeitskräften, die jeweils einige Mo­nate arbeiten und dann Arbeitslosengeld beziehen, wird durch den Pfändungs- und Überweisungsbe­schluss quasi eine Dauerpfändung ausgebracht – im­mer unter der Voraussetzung, dass die 9-Monats-Frist nicht überschritten wird.

Beispiel
Fortsetzung des Sachverhaltes in Beispiel 1: Gläubiger G bringt im November einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen die Agentur für Arbeit aus. Diese führt in der Zeit von November bis März den pfändbaren Betrag an G ab. Ab 01.04. arbeitet S wieder befristet bis Oktober an der Ostsee. Im Anschluss beantragt S erneut Arbeitslosengeld. Die Agentur für Arbeit muss daher den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erneut beachten.

Gleiches gilt für den Bezug von Krankengeld: Ist der Schuldner häufiger krank und bezieht Krankengeld, lebt auch eine Pfändung gegen die Krankenkasse innerhalb der 9-Monats-Frist grundsätzlich wieder auf und ist an entsprechender Rangstelle durch die Krankenkasse als Drittschuldner zu berücksichtigen.