Lebe Deinen Traum

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Nein, keine Angst, hier geht es nicht ausschließlich um Malerei. Wer damit nicht unbedingt was am Hut hat, sollte sich nicht abschrecken lassen den Roman „Die Frauen von Skagen“ der deutsch-schwedischen Autorin Stina Lund  zu lesen.  Im Zentrum des Romans steht zwar die Künstlerkolonie Skagen, aber das eigentliche Thema ist ein anderes.

Die Künstlerkolonie in Skagen, einem kleinen Ort am äußersten nördlichen Zipfel von Dänemark, gründete sich in den 1880er Jahren. Die Maler etablierten einen ganz eigenen impressionistischen Stil, der sie bis heute weltberühmt macht. Zu dieser Künstlergruppe gehörten auch einige Frauen, und genau hier setzt die Autorin Stina Lund an. Der Roman „Die Frauen von Skagen“ handelt auf zwei Zeitebenen und zwei junge Frauen stehen im Mittelpunkt:

Kopenhagen 1883: Marie Triepke, Tochter eines Webereidirektors, wächst in einem wohlhabenden Haus auf. Das Leben einer jungen Frau dieser Zeit ist vorbestimmt: Ehefrau, Mutter, Hausfrau. Damit will sich Marie aber nicht abfinden. Sie will Künstlerin sein und kann tatsächlich durchsetzten, dass sie Unterricht in einer privaten Kunstschule erhält. Der Vater ermöglicht Marie sogar eine Reise nach Paris, dem damaligen Mittelpunkt einer neuen Kunstrichtung, dem Impressionismus.

Sie trifft dort den damals berühmtesten skandinavischen Maler Peder Severin (genannt Sören) Krøyer, mit dem sie bereits kurz in Kopenhagen Bekanntschaft gemacht hat. Marie setzt sich über alle Konventionen hinweg und heiratet Krøyer. Sie machen ihre Hochzeitsreise nach Italien und ziehen dann nach Skagen, wo sich bereits andere Künstler angesiedelt haben. Aber bereits zu Anfang ihrer Ehe kriselt es. Ihr Mann lässt sie oft und lange allein und tut alles, um sie vom Malen abzuhalten. Er ist der Meinung, Frauen müssten sich vornehmlich um Mann, Haus und Kind kümmern. Marie ist zu schwach sich dem zu widersetzen und verkümmert förmlich an der Seite ihres berühmten Mannes, dessen Geisteszustand sich über die Jahre verschlechtert. Er erleidet mehrfach Nervenzusammenbrüche und wird auch zweimal in eine Nervenheilanstalt eingeliefert. Sie trennen sich schließlich und Sören stirbt nicht lange darauf. Marie wird nicht glücklich bis zu ihrem Lebensende. Sie bleibt der Nachwelt nicht als Malerin, jedoch als bekannte Kunsthandwerkerin im Gedächtnis.

Frankfurt 2010: Vibeke Weber, die zweite Hauptperson des Romans, ist ebenfalls Tochter reicher Eltern in Frankfurt/M.. Der Vater ist Inhaber einer international bekannten Firma für Künstlerfarben. Er will, dass Vibeke einmal die Firma übernimmt, zusammen mit dem Patensohn, den sie am besten auch gleich heiraten soll.

Vibeke will jedoch Kunst studieren. Zunächst beugt sie sich dem Willen der Eltern, begehrt aber später dagegen auf und bekommt unerwartet Unterstützung von ihrer Mutter. Diese erzählt ihrer erstaunten Tochter von ihrem eigenen Wunsch Malerin zu werden, den sie zugunsten ihrer Ehe und dem Kind aufgab. Sie hatte Kunst studiert und interessierte sich sehr für die Skagener Künstlergruppe. Für die Mutter ist Marie Krøyer einen Seelenverwandte: beide gaben ihre Künstlerkarriere auf, beide malen nach der Heirat nicht mehr. Selbst ihre Tochter nannte sie nach dem ersten Kind Marie Krøyers Vibeke. Mutter und Tochter fahren zusammen nach Dänemark, nach Skagen.

Durch die Mutter ermuntert, die ihrer Tochter ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen möchte, bleibt Vibeke in Skagen. Sie wird an der dortigen Kunstschule angenommen. Später muss sie zurück nach Frankfurt, weil der Vater durch einen Herzinfarkt im Sterben liegt. Er erneuert seinen Wunsch, dass Vibeke die Firma übernimmt, gibt sie am Schluss aber dennoch davon frei. Das Erbe des Vaters ermöglichen sowohl Vibeke, als auch ihrer Mutter das Leben zu führen, was sie für sich wünschen.

Das ist die grobe Handlung des Romans. Die Autorin stellt darin zwei Frauenschicksale dar, zwischen denen über 120 Jahre liegen. Und dennoch sind sie sich sehr ähnlich. Die Personen sind einfühlsam gezeichnet, die Handlungsstränge geschickt miteinander verknüpft. Die beiden Zeitebenen machen die Handlung spannend. Die Essenz dieses Buches ist „Lebe Dein Leben, lebe Deinen Traum“. Es wird aber deutlich, dass dies auch heute immer noch nicht leicht umzusetzen ist. Jede Mutter, die voll berufstätig ist, weiß genau, worum es geht. Durch die direkten Parallelen zum Leben im 19. Jahrhundert macht dieses Buch aber nachdenklich. So viel scheint sich auf den ersten Blick nicht verändert zu haben. Aber dennoch hat die Autorin eine klare Botschaft an uns: schiebe nichts auf, schiebe keine äußeren Umstände vor, sondern strebe danach das Leben zu leben, dass Du Dir vorstellst – wo immer es uns am Ende auch hinführt.

Stina Lund, Die Frauen von Skagen
Rowohlt Verlag 2020
Taschenbuch, 16,00 € 978-3-499
29188-3
eBook, 9,99 €, 978-3-644-40669-8