Geduld, die edle Tugend… Mit Mandanten umgehen, deren Verfahren sich hinziehen

0
1518


Eine überlastete Justiz hinterlässt Spuren: Personalmangel, schleppende Terminierung bei Gericht usw. Neu ist das für Kanzleimitarbeiter nicht. Rechtsanwaltsfachangestellte berichten häufig von Diskussionen mit Mandanten, denen der holprige Verfahrenslauf oft nur schwer zu vermitteln ist. Wie geht man damit sinnvoll um, bringt sich nicht in Erklärungsnöte und vor allem: wie erklärt man Mandanten, dass man nicht eben schnell eine Verzögerungsrüge erheben kann?

Gäbe es eine Art Justizwetter, dann wäre ein „zähfließender Rechtsverkehr“ wohl keine seltene Vorhersage. Es wundert nicht, dass Mandanten verärgert sind, wenn sie selbst von Verzögerungen in ihrem Rechtsstreit betroffen sind. Kommentare derart, ob denn „bei Gericht überhaupt nichts mehr geht“, und warum der Anwalt hier nicht einmal „ordentlich Druck“ mache, fallen daher auch nicht selten in Kanzleien. Dann stecken die Fachkräfte in der Zweckmühle: Zum einen sind ihnen lange Verfahrensdauern und die Hintergründe dazu nicht fremd, zum anderen verstehen sie ihre Mandanten, die sich zügig eine verbindliche Gerichtsentscheidung wünschen, da sie auf ihre geltend gemachten Forderungen angewiesen sind. Dann sind auch literarisch befruchtete Beschwichtigungen á la Tolstoi („Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann) nicht unbedingt erste Wahl.

Ziel ist, die der Geduldprobe ausgesetzten Mandanten nicht einfach nur zu beruhigen, sondern auch zu erklären, woraus das lästige Warten resultiert und warum auch ein Rechtsanwalt mit den Gegebenheiten arbeiten muss, die er vorfindet. Das heißt nicht, dass er alles hinnimmt, er wird aber sicher auch überlegen, wie er angemessen reagiert. Ebenso lassen sich personelle oder krankheitsbedingte Engpässe bei Behörden und Gerichten oder längere Verfahrensdauern nicht einfach wegzaubern.

Vermuten erlaubt, aber bleiben Sie unverbindlich

Natürlich dürfen Sie dem Anwalt nicht vorgreifen und dem Mandanten kurzerhand mitteilen, dass es bestimmt nicht mehr „lange dauere“. Wer konkrete Daten oder Zeitspannen nennt, bis wann das Gericht terminiert oder der Sachverständige ein Gutachten erstellt hat, katapultiert sich selbst ins Abseits: Erfüllt sich der Blick in die Glaskugel nicht, steht als Resultat später ein noch weit unzufriedener Mandant vor Ihnen. Vor allem dann, wenn Sie damit auch den sachbearbeitenden Anwalt in Bedrängnis bringen, der im nächsten Gespräch mit ihrer „Prognose“ konfrontiert wird und ihm dann die unangenehme Aufgabe zufällt, dies zu korrigieren.

Hinweis

Kanzleimitarbeiter entwickeln Routinen und können aus ihrer Erfahrung berichten, wie schnell manche Gerichte sind und wo mit längeren Wartezeiten zu rechnen ist. Wenn Sie hier unverbindlich bleiben und keine konkreten Zusagen, können Sie sich durchaus entsprechend äußern („Nach meinen Erfahrungen arbeiten das hiesige [….]gericht und das .. derzeit ganz zügig. Erst vor wenigen Monaten hatte ich eine Zivilsache auf dem Schreibtisch, wo zwischen Klageerhebung und Terminierung nur .. Tage/Wochen lagen. Das heißt nicht, dass es gleichermaßen auch in Ihrer Angelegenheit so geschehen muss, aber meine Erfahrungswerte sind hier doch positiv“).

Auch in der ReNoSmart-Bibliothek finden Sie jede Menge praktische Handlungshilfen und Tipps, wie Sie mit Mandanten und Beschwerden umgehen, mit denen Sie während des laufenden Mandats konfrontiert werden können, z.B. im Arbeitsplatz ReFa: Der Allrounder, der vor wenigen Monaten neu erschienen ist.

„Da gibt es doch so eine ‚Warterüge‘, warum wird die nicht gemacht?“

Die „Warterüge“ heißt eigentlich Verzögerungsrüge, und diese wurde tatsächlich als ein Werkzeug geschaffen, mit dem sich Prozessparteien gegen überlange Verfahrensdauern wehren können bzw. einen Entschädigungsanspruch haben (§ 198 Abs. 1 GVG). Ob ein Verfahren aber tatsächlich zu lange dauert, richtet sich nach den individuellen Umständen. Konkrete zeitliche Grenzwerte nennt das Gesetz eben nicht. Vor allem spielt eine Rolle, wie komplex sich der Konfliktstoff darstellt, welche Bedeutung das Verfahren hat und wie sich die Verfahrensbeteiligten verhalten. Mandanten hoffen vielleicht, dass ihr Rechtsanwalt schnell eine Verzögerungsrüge in Stellung bringen kann. Einmal mehr dürfen Sie dann sagen: So einfach ist es leider nicht. Sie müssen nicht gleich den BGH zitieren, der recht deutlich sagt, dass eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit scheitere das schon daran, dass Verfahren und prozessuale Situationen vielschichtig und unterschiedlich sind (BGH, Urt. v. 14.11.2013, III ZR 376/12). Machen Sie es kürzer und zitieren Sie den Juristen-Klassiker: Es kommt darauf an. Gerügt werden kann erst bei einem konkreten Anlass, der die Sorge füttert, dass das Verfahren nicht in angemessenem Tempo durchgeführt wird. Wird zum Beispiel zu früh gerügt, bleibt sie wirkungslos. Ganz tückisch dabei: Eine solche verfrühte Verzögerungsrüge wird auch dann nicht wirksam, wenn es später tatsächlich zu einer unangemessenen langen Verfahrensdauer kommt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.09.2018, OVG 3 A 3.18).

In Sozialgerichtssachen, in denen nicht selten die Verfahrensdauer gerügt wird, gilt beispielsweise die vom Bundessozialgericht bestätigte 12-Monats-Regel, wonach eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu 12 Monaten pro Gerichtsinstanz zulässig ist. Diese ist von der Gesamtverfahrensdauer abzuziehen (BSG, Urt. v. 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R). Was der Mandant auch wissen sollte: Die Verzögerungsrüge erfüllt nicht den Zweck einen Anspruch durchsetzen, dass das Verfahren jetzt sofort beschleunigt wird, seine Akte bei Gericht sozusagen einen Aufkleber erhält, auf dem „zu bevorzugen“ steht. Es geht einzig um einen Anspruch auf Entschädigung für die überlange Wartezeit. Und auch in Sachen Entschädigung geht es dann nicht so flott, wie vielleicht gedacht, wenn sie wirklich geltend gemacht wird. Erst frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge ist dies möglich.

Hinweis

Kompakt zusammengefasste Einzelheiten sowie ein Musterformulierung zur Verzögerungsrüge finden Sie auch in der ReNoSmart-Bibliothek in den AnwaltFormularen.

Und wie Sie den Bürostress aufnehmen, erfahren Sie in unserem Blogbeitrag hier.

Dieser Beitrag wird zur Verfügung gestellt von:ReNoSmart, die Online-Bibliothek für Kanzlei- und Notariatsmitarbeiter