Empfangsbereit oder abgestempelt? – Was bei Zustellungen in der Kanzlei schiefgeht

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Was neue Auszubildende schnell mitbekommen: Es ist schwierig mit der Eingangspost. Fristen, Anlagen, Gerichtstermine notieren und so. Zustellungen und korrekt ausgefüllte Empfangsbekenntnisse sind noch einmal besondere Knacknüsse. Das zeigt sich auch daran, dass sich Gerichte regelmäßig damit beschäftigen, ob korrekt zugestellt wurde oder nicht. Welche Fallen dabei konkret im Büro lauern, veranschaulichen jüngere Entscheidungen. Sie zeigen auch: Azubis sollten rasch genau Bescheid wissen, wie Sie mit diesen sensiblen Urkunden umgehen müssen.

Umschlag öffnen, Eingangsstempel drauf, Schriftstück samt zugehöriger Akte vorlegen. Ein einfacher Dreiklang. Aber wenn die farbigen Umschläge der Zustellungsurkunden und Empfangsbekenntnisse auf den Schreibtisch purzeln, hat das buchstäblich Signalwirkung: Vorsicht, was hier drin ist, wünscht partout noch etwas mehr Aufmerksamkeit.

Hinweis

Was Sie über die Zustellung, ihre unterschiedlichen Arten und das Empfangsbekenntnis wissen müssen, fasst auch das Handbuch für Rechtsanwaltsfachangestellte zusammen, das komplett in der ReNoSmart-Bibliothek vorhanden ist.

Ein Empfangsbekenntnis gem. § 416 ZPO erbringt als Privaturkunde den Beweiswert, dass der Anwalt ein Schriftstück entgegengenommen und zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgreich zugestellt erhalten hat (BGH, Beschl. v. 19.04.2012, Az. IX ZB 303/11). Nur ein Beispiel, wie die Kanzleiorganisation hier fehlschlägt: Der Anwalt unterzeichnet das Empfangsbekenntnis, weist sein Personal aber an, es noch nicht abzuschicken. Denn er will zunächst noch die Frist berechnen und notieren. Nun wird das Empfangsbekenntnis doch versehentlich versandt und geht bei Gericht ein. Gilt das Empfangsdatum nun? Und ob, denn grundsätzlich hat der Anwalt seine für die Zustellung notwendige Empfangsbereitschaft signalisiert. Es kommt zwar nicht nur darauf an, wann das Schriftstück zugestellt wurde, sondern auch darauf, dass der Anwalt es entgegengenommen und seinen Willen gezeigt hat, die Zustellung gelten zu lassen. Dieser „Wille“ war hier auch vorhanden, denn die anwaltliche Weisung an das Personal bezog sich lediglich zunächst auf ein „Warten“, nicht auf die Entgegennahme selbst.

Grundsätzlich gilt die in § 14 BORA normierte Anwaltspflicht: Ordnungsgemäße Zustellungen von Anwaltskollegen, Gerichten und Behörden sind entgegenzunehmen und  Empfangsbekenntnisse zügig unterschrieben zurückzusenden. Aktuell entschied das Anwaltsgericht Celle, dass ein Anwalt aber auch ablehnen darf (Beschl. v. 27.09.2018, 2 AnwG 6/2018). Nämlich dann, wenn das Mandat bereits beendet war und die Zustellung an ihn daher nicht mehr durch den Willen seiner Mandantin getragen gewesen ist. Und hier haben wir ihn ebenfalls wieder, den „Anwaltswillen“. Im Vergleich zur obigen BGH-Entscheidung hatte der Anwalt hier von vorneherein die Annahme abgelehnt. § 14 BORA sagt aber auch: Verweigert der Anwalt die Annahme, muss er dies dem Absender unverzüglich mitteilen. Das war hier auch geschehen, indem der Anwalt gleich am ersten Tag nach seiner Urlaubsrückkehr dem Gericht mitteilte, dass das Mandat erloschen war. Dass der Anwalt dies dem Gericht erst nach der abgelehnten Zustellung mitteilte, ändert hieran nichts, so das AnwG.

Hinweis

Wie Sie mit Empfangsbekenntnissen am besten umgehen, sie bearbeiten und dem Anwalt vorlegen, können Sie kompakt im schon o.g. Handbuch bzw. in ReNoSmart nachschlagen:

Hier finden Sie auch wichtige Grundlagen und Vorschriften, die Sie in der Berufsschule benötigen bzw. zitieren können sollten. Dazu gehört auch: den Empfang von Dokumenten elektronisch via beA bestätigen. Dazu finden Sie anschauliche Hinweise in den Newslettern der Bundesrechtsanwaltskammer:

www.brak.de/zur-rechtspolitik/newsletter/bea-newsletter/2018/sondernewsletter-v-03092018.news.html , siehe ab 4.; https://www.brak.de/zur-rechtspolitik/newsletter/bea-newsletter/2017/ausgabe-48-2017-v-30112017.news.html

Kaum eine Überraschung: Es kommt auf das Empfangsdatum an, das Kanzleimitarbeiter oder Anwalt in das Empfangsbekenntnis eintragen. Mit diesem Zeitpunkt beginnen auch Fristen zu laufen. Das ist auch dann der Fall, wenn das Schriftstück an den Mandanten weitergeleitet wird, dieser es jedoch aufgrund seiner alten, noch in der Kanzlei-EDV falsch abgespeicherten, Adresse verspätet erhält. Ein Bevollmächtigter ist Zustellungsadressat, so jüngst das VG Augsburg (Beschl. v. 19.09.2018, Az. Au 4 K 18.31490) und führte aus, dass sich aus § 56 Abs. 2 VwGO i.V. mit § 174 Abs. 4 S. 1 ZPO ergebe, dass eine Zustellung nachweislich bewirkt ist, wenn das  Empfangsbekenntnis vom Anwalt unterschrieben ist. Die Fristen beginnen nicht erst dann zu laufen, wenn der Mandant persönlich Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück erlangt.

Und wenn nun irrtümlich ein falsches Datum in das Empfangsbekenntnis eingetragen wurde? Schwierig, zwar kann durchaus der Gegenbeweis angetreten werden, aber einfach ist das nicht. Denn dies setzt voraus, dass die Richtigkeit der Angaben nicht nur angezweifelt oder erschüttert wird. Die Möglichkeit, dass die Angaben im Empfangsbekenntnis richtig sein könnten, muss ausgeschlossen sein. Dies kann der Fall sein, wenn der Anwalt von der Datumsanzeige seiner – um einen Tag nachgehenden – Armbanduhr ein falsches Datum abliest (05.07.2018), die Kanzleiangestellte aber bestätigen kann, dass der zugestellte Beschluss erst einen Tag später in der Kanzlei einging (BGH, Beschl. v. 11.09.2018, XI ZB 4/17). Vorliegend konnte dies auch glaubhaft dargelegt werden, da die Kanzleiangestellte das Formblatt zum Empfangsbekenntnis erst am 06.08. an den im Homeoffice arbeitenden Anwalt gefaxt hatte. Mittels der Ausdrucke war nachvollziehbar, dass die handschriftliche Datierung des Anwalts auf den 05.07. nicht korrekt war.

Hinweis

Empfangsbekenntnisse dürfen natürlich von Auszubildenden, Rechtsanwaltsfachangestellten oder anderen Kanzleimitarbeitern nicht unterschrieben werden. Auch Rechtsreferendaren ist dies nicht erlaubt. § 174 Abs. 1 ZPO nennt den Anwalt und den Personenkreis, der seinen Namen daruntersetzen darf. Hinweise dazu, wie Ausbilder das Thema Posteingang in der Kanzlei organisieren können, lesen Sie hier Ausbilder-Leitfaden – ReNoFa richtig ausbilden.

Auch diese informative Handreichung für ausbildende Anwälte oder Kanzleimitarbeiter sowie Bürovorsteher ist in der ReNoSmart-Bibliothek abrufbar.

Und ja, unmissverständlich sollte ein Empfangsbekenntnis auch sein, wenn es im Büro ausgefüllt wird. Ansonsten kann sein Beweiswert zweifelhaft oder sogar komplett dahin sein. Beispiel? Wenn zwei unterschiedliche Eingangsstempel der Kanzlei auf dem Empfangsbekenntnis aufgedruckt sind. Denn Ratespiele mag das Gericht nicht. Dann ist im Freibeweisverfahren zu klären, wann das Schriftstück (hier: Urteil) tatsächlich bei dem Anwalt einging, so jüngst das LAG Hessen (Urt. v. 11.05.2018, Az. 10 Sa 1628/17). Bei Schreibfehlern oder Fehlstempelungen sollte der Empfang daher mit einem neuen Formular bzw. schriftsätzlich so bestätigt werden, dass der Tag des Zugangs beim Anwalt sofort erkennbar ist. Auch das ist nicht neu: Vor Unterzeichnung ist der Anwalt verpflichtet zu prüfen, ob die Schriftstücke, deren Empfang er bestätigt, auch vollständig beigefügt sind (BGH, Beschl. v. 18.10.2018, Az. V ZB 163/18).

Dieser Beitrag wird zur Verfügung gestellt von:ReNoSmart, die Online-Bibliothek für Kanzlei- und Notariatsmitarbeiter