„Das Vergütungsrecht ist laufend in Bewegung“
Abrechnungs- und Kostenerstattungsfragen sind oftmals kompliziert. Horst-Reiner Enders ist der richtige Ansprechpartner für alle Fragen zur Gebührenoptimierung im Rahmen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Der geprüfte Bürovorsteher ist langjähriger Referent zu diesem Thema und hat unter anderem das Buch „RVG für Anfänger“ verfasst. Zudem ist er Mitautor des RVG Kommentars Hartung/Schons/Enders.
Warum ist das anwaltliche Gebührenrecht so komplex?
Horst-Reiner Enders:
Das Vergütungsrecht und die damit in Verbindung stehenden Rechtsgebiete, wie z.
B. die Kostenerstattung und die Kostenfestsetzung sind durch die ergehende
Rechtsprechung laufend in Bewegung. Erst jüngst hat der BGH entschieden, dass
die Ausarbeitung eines Testaments durch den Rechtsanwalt keine Geschäftsgebühr
auslöst (die je nach Gegenstandswert mehrere Tausend Euro betragen könnte),
sondern gebührenrechtlich als Beratung zu qualifizieren ist. Dies hat zur
Folge, dass der Rechtsanwalt für die Ausarbeitung eines Testaments von dem
Mandanten, der Verbraucher ist, maximal eine Gebühr von 250 Euro fordern kann,
wenn er nichts anderes mit seinem Mandanten vereinbart hat.
Wo liegen nach Ihren Erfahrungen die größten Hürden in der Praxis?
Horst-Reiner Enders:
Probleme gibt es sehr häufig bei der außergerichtlichen Vertretung des
Mandanten. Sehr oft wird darüber gestritten, ob eine Terminsgebühr entstanden
ist oder nicht. Hier ist der dem Rechtsanwalt von seinem Mandanten erteilte
Auftrag entscheidend. Dieser wird allerdings selten so klar gefasst sein, dass
daraus ohne Zweifel hervorgeht, ob der Rechtsanwalt einen außergerichtlichen
Vertretungsauftrag (keine Terminsgebühr) hat oder schon den Vertretungsauftrag
für ein gerichtliches Verfahren (Terminsgebühr entsteht). Im Zweifel wird der
Rechtsanwalt mit dem Mandanten klären müssen, was gewollt ist.
In jüngster Zeit taucht dann eine neue Problematik auf, nämlich die Frage, ob ein
Verbraucher den mit seinem Anwalt abgeschlossenen Vertrag widerrufen kann oder
nicht. Der BGH hat dies für die Fälle bejaht, in denen der Mandatsvertrag im
Rahmen eines für den Fernabsatzes organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystems
zustande gekommen ist.
Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz gilt als intransparent. Gibt es Bestrebungen das
zu ändern?
Horst-Reiner Enders:
Der Deutsche Anwaltverein und die Bundesrechtsanwaltskammer fordern eine Anpassung
der seit 2013 unveränderten Höhe der Anwaltsgebühren an die allgemeine
wirtschaftliche Entwicklung. Im Rahmen eines angedachten 3.
Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes sollen dann auch einige Streitfragen
gesetzlich geklärt werden. Die grundsätzliche Struktur der anwaltlichen
Vergütung soll aber unverändert bleiben. Es ist allerdings meines Wissens noch
vollkommen unsicher, wann und in welchem Umfang die von der Anwaltschaft
geforderten gesetzlichen Änderungen kommen werden.
Kommt es vor, dass Anwälte Gebühren „verschenken“, nicht zuletzt weil das
Gebührenrecht so komplex ist?
Horst-Reiner Enders:
Ja, das denke ich schon. Oft wird in der Praxis eine 1,3 Geschäftsgebühr
abgerechnet, weil es der bequemste Weg ist. So akzeptiert z. B. die hinter dem
Mandanten stehende Rechtsschutzversicherung eine höhere Gebühr innerhalb des
gesetzlichen Rahmens (0,5 bis 2,5) nur, wenn der Anwalt die Höhe „begründet“.
Oft wird auch nicht darüber nachgedacht, ob denn neben der Betriebsgebühr nicht
doch noch eine Einigungsgebühr oder eine Terminsgebühr entstanden ist.
Andererseits wieder sind in bestimmten Fällen die gesetzlichen Gebühren gegenüber dem
Mandanten überhaupt nicht durchsetzbar. So können z. B. für die Prüfung eines
Mietvertragsentwurfs schnell mehrere Tausend Euro an Gebühren nach dem RVG
entstehen. Der Mandant wird aber wohl kaum bereit sein, für die Prüfung eines
Mietvertragsentwurfs Gebühren in dieser Höhe zu zahlen. Der Anwalt wird deshalb
darauf achten, dass Gebühren und sein Arbeitsaufwand im angemessenen Verhältnis
zueinander stehen und ganz genau hinschauen, Gebühren in welcher Höhe für den
Mandanten akzeptabel sind. Er will schließlich von seinen Mandanten „weiter
empfohlen“ werden. Für den außergerichtlichen Bereich darf der Rechtsanwalt mit
seinem Mandanten eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung vereinbaren, für
den gerichtlichen Bereich ist dies nicht zulässig.