Das Glück hat acht Arme

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Spätestens seit Paul 2010 die Ergebnisse der Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft orakelte weiß man, dass Kraken mehr können als nur Muscheln zu knacken und ihre Farben zu wechseln. Marcellus jedoch, ein pazifischer Riesenkrake, hat noch deutlich mehr drauf. Er lebt in dem Sea Life Aquarium der amerikanischen Kleinstadt Sowell Bay und langweilt sich schrecklich. So büchst er allabendlich, wenn alle Besucher weg sind, aus und macht kurze Ausflüge. Vor allem gerne in das Nachbaraquarium, wo er die Bestände der für ihn so schmackhaften Seegurken dezimiert.

Auf einem seiner abendlichen Streifzüge verheddert sich Marcellus zwischen Kabeln und kann sich nicht selbst befreien. So wird er von der Putzfrau Tova Sullivan entdeckt. Nach dem ersten Schrecken befreit Tova Marcellus aus seiner misslichen Lage und hilft ihm wieder zurück in sein Becken. Sie erkennt sofort die Intelligenz des Tieres und amüsiert sich über seine Frechheiten und heimlichen Aktivitäten. Und Marcellus seinerseits sieht auch in Tova etwas Besonderes. So knüpfen die Beiden, Putzfrau und Krake, eine ungewöhnliche Beziehung. Zwei einsame Seelen finden sich: Marcellus, der sein Leben in öder Gefangenschaft zubringen muss und den Ozean vermisst, und Tova, die ihren Ehemann und Sohn verloren hat.

Tova, 70 Jahre alt, führt nach dem Tod ihres Mannes ein einsiedlerisches Leben. Unterbrochen wird ihr eintöniger Alltag nur durch das wöchentliche Treffen mit ihren Freundinnen, bei denen der neueste Klatsch des Ortes und aktuelle Entwicklungen in den Familien ausgetauscht werden. Mit dem Alleinsein kommt bei Tova auch immer mehr die Erinnerung an ihren Sohn Erik hervor, der im Alter von 18 Jahren plötzlich und spurlos verschwand. Die Polizei ging von einem Selbstmord aus, was Tova aber nie wirklich glauben konnte. Und so kommt es, dass Tova auch ihrem neuen Freund Marcellus von ihrem vermissten Sohn erzählt, und Marcellus hört ihr auch sehr aufmerksam zu.

Dann geschieht das Unerhörte: Durch einen kleinen Arbeitsunfall muss sich Tova zum ersten Mal überhaupt für ein paar Wochen krankmelden. Zu diesem Zeitpunkt stellt sich ein junger Mann namens Cameron im Aquarium als Hausmeister vor. Cameron hat mit seinen 30 Jahren nicht viel in seinem Leben vorzuweisen: Kein Job, kein Geld, keine Freundin. Seine drogensüchtige Mutter gab ihn, als er neun Jahre alt war, zu seiner etwas exzentrischen Tante Jeannne, die ihn mit viel Liebe aufzog. Aber in Cameron nagt die Trennung von der Mutter und die Tatsache, dass sein Vater unbekannt ist. Schließlich entdeckt er einen vermeintlichen Hinweis auf seinen Vater und macht sich von Kalifornien auf und landet schließlich zufällig in Sowell Bay. Terry, der Leiter des Sea Life Aquariums hält zwar nicht viel von Cameron, stellt ihn aber dennoch ein, weil er auf Empfehlung des Supermarktbesitzers Ewan kommt, mit dem er regelmäßig Poker spielt. Und da Tova kurzfristig ausfällt, soll Cameron zusätzlich noch die Putzarbeiten von ihr übernehmen. So macht Cameron auch bald die Bekanntschaft mit Marcellus. Eine Begegnung, die sein und auch Tovas Leben grundlegend verändern wird.

Der Roman „Das Glück hat acht Arme“ dreht sich um einsame Herzen, die das Schicksal zusammenführt. In diesem Fall einen jungen Mann, eine alte Frau und einen Kraken. Eine schon interessante Mischung. Der Titel und das Cover machten mich auf Anhieb sehr neugierig und ich wurde nicht enttäuscht. Das Lesen dieses warmherzigen und humorvollen Romans macht einfach Spaß! Die Idee, einen Kraken als Schicksalsengel und Glücksboten agieren zu lassen, ist sehr witzig und gibt dem Roman den richtigen Pfiff. Und der gewitzte Krake Marcellus wächst einem sehr schnell ans Herz. Die Geschichte endet für alle im Guten und lehrt uns, nie die Hoffnung aufzugeben.


Shelby Van Pelt, Das Glück hat acht Arme
S. Fischer Verlag
Gebunden, 978-3-8105-3082-0, 22,00
EBook, 978-3-10-491535-7, 16,99 €