Braucht das Land Rechtsfachwirte?

Hier können allgemeine Fragen zur Weiterbildung Rechtsfachwirt/Rechtsfachwirtin gestellt werden.
QueenMum

#1

16.07.2007, 18:12

Hallo meine Lieben!
Ich krieg hier grade echt nen Fön! Ich bin seit... 3 Monaten mehr oder weniger ernsthaft auf der Suche nach einer beruflichen Alternative zu meiner jetzigen Stelle, weil ich sowas von supermies bezahlt werde, dass mir nach fast 2 Jahren 150 % geben hier langsam die Lust vergangen ist, zumal mein Cheffchen gehaltstechnisch nicht wirklich mit sich reden lässt...

Und so kucke ich regelmäßig auf der HP meiner Rechtsanwaltskammer, weil da immer Anzeigen drin stehen und in der SZ.

Und was suchen die?
Rechtsanwaltsfachangestellte für allgemeine Sekretariatsaufgaben (also Schreiben nach Band)
Anwaltsekretärinnen mit oder ohne Vorkenntnissen
Sekretärinnen für die Telefonzentrale

Wofür habe ich eigentlich meinen Fachwirt gemacht?

Ich würde eigentlich nur ungern ein Stellengesuch von mir aufgeben, weil Cheffchen noch nicht klar ist (obwohl es das sollte), dass ich hier nicht zufrieden bin und weg bin, sobald sich eine Möglichkeit ergibt, aber ich fürchte fast, es bleibt mir nichts anderes übrig.

Das, was ich hier mache, finde ich cool. Es macht mir Spaß und es fordert mich und ich habe hier nur 15 - 20 Minuten mit dem Auto zu fahren und kann vor der Türe parken. Wenn ich also die Stelle wechsle und wieder nach München gehe (worauf es hinauslaufen wird), würde ich das ungerne tun, um dann den ganzen Tag stupide Bänder runterzuhacken :angst

Ich frage mich halt langsam, ob es sich unter den Anwälten einfach noch nicht rumgesprochen hat, dass es Fachwirte gibt und dann die echt suuperschlau sind :wink:

:frust
och menno...
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schneeflocke
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#2

16.07.2007, 18:31

Liebe Queen Mum,

dass von Dir beschriebene Phänomen zieht sich wie einer roter Faden, auch durch unsere Berufsleben.

Ich selbst bin "nur" ReFa, beobachte aber auch, dass gut ausgebildete Frauen und Männer, die ihre Bewerbungen zu uns schicken, nicht beachtet werden.

Liegt es daran, dass die Anwälte befürchten dann mehr bezahlen zu müssen? Liegt es daran, dass der Laden auch mit 400 Euro Kräften gut läuft, die oftmals nicht minder schlecht ausgebildet sind, aber nie die Chance auf eine Stelle mit Steuerkarte bekommen haben, und um "am Ball zu bleiben" auch den 400 Euro Job machen?

Ich denke mal, es liegt, wie so oft im Leben, vieles am Geld=Gehalt.

In anderen Branchen ist es leider ähnlich. Alle Freunde meiner Kinder, fertig studiert und bestens ausgebildet, stehen arbeitssuchend auf der Straße. Alle. Nicht ein einziger hat mehr als ein unbezahltes Praktikum angeboten bekommen......

Irgendwie drehen wir uns im Kreis.
Eine studierte Freundin meiner Tochter, beginnt nun eine Ausblildung in einem kaufm. Bereich. Eine Freundin meines Sohnes, bricht ihr Studium nun ab, weil ihre älteren Kollegen ebenfalls nur in die Arbeitslosigkeit gegangen sind von der Uni weg.

Ich wünsche Dir alles Gute und hoffe, Du hast bald Glück und findest was.

LG Chris
Andreas

#3

16.07.2007, 19:17

Die Frage, wozu hat man seinen Fachwirt gemacht, stellen wir uns wohl alle hin und wieder :wink:

Wobei ich jetzt das Glück habe, daß mein Chef gehaltstechnisch sehr wohl mit sich reden läßt und da auch vernünftige Ergebnisse rumkommen.

Es geht aber tatsächlich vielen so:

Studium fertig, und nix zu finden. Prima. Am Arbeitsleben vorbeistudiert...

Eine Bekannte von Freunden, hab ich noch vor ein paar Tagen, erzählt bekommen, hat ihr Studium abgeschlossen, Dipl.-Psychologin war sie (ist sie) glaub' ich. Hat wahnsinnige 1.600 € netto monatlich verdient nach mehreren Jahren Berufserfahrung.

Jetzt arbeitet sie auf der Tankstelle im benachbarten Luxemburg - für 1.800 € netto monatlich.

Die hat sich schwarz geärgert, daß sie überhaupt soviel Zeit für's Studium verschwendet hat und bleibt jetzt halt auf der Tanke.

Was ich damit sagen will:

Wenn du dich unterbezahlt fühlst, mußt du dafür sorgen, daß deine Chefs merken, was deine Kompetenz bringt. Wenn du denen immer nur die Arbeit abholst, die du aufgrund der Zusatzqualifikation erledigen kannst, dann merken die nicht, daß da was fehlt.

Wenn aber plötzlich der Tag der RAe ein paar Stündchen mehr brauchen könnte, weil mal eben noch zwanzig Akten täglich mehr da rumliegen, die vom Anwalt bearbeitet werden sollen, wird es ihnen auffallen.

"Nanu, wo kommen die Akten denn alle her ?"

Naja, langer Rede kurzer Sinn:

Entweder machst du dir als absoluter Crack nen Namen in der regionalen Anwaltschaft und zeigst damit gleichzeitig deinen Chefs, daß du unverzichtbar bist, oder du mußt weiterhin auf die Gnade hoffen, ein "Almosen" mehr zu kriegen.

Oder du schaltest ein Chiffre-Inserat und hoffst, daß sich jemand findet, der besser bezahlt. Aber ich vermute, da wirst du im Anwaltsbereich nicht viel Glück haben.

Ich durchforste seit bestimmt zwei Jahren die regionalen Tageszeitungen, um zu schauen, ob was für meinen Bruder (Kfz-Meister) dabei ist, damit der mal Perspektiven hat. Ich glaub, ich hab in der Zeit zwei Stellenangebote für BV / RFW gesehen. Und hier gibt's recht viele Anwälte...
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schneeflocke
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#4

16.07.2007, 19:51

In diesem Zusammenhang fällt mir noch was ein, worüber ich auch nur den Kopf schütteln kann. Es geht vorliegend um die abverlangte Flexibilität, die wir ja auch alle irgendwo haben.

Mein Bruder hat auch deutschlandweit gearbeitet. Eine Zeitlang auch in München. Hier im Ruhrgebiet hat dann bei dieser Firma jemand aus Bayern gearbeitet. Gleiche Ausbildung gleiche Qualifikation.

Warum? Frag ich mich da. Warum packen zwei Familien ihre ganzen Sachen, ziehen um, wenn doch vor Ort ebenfalls die Stelle zu besetzen gewesen wäre..... spielen wir hier die Reise nach Jerusalem? Das ist meinem Bruder im Laufe seines Lebens öfters passiert.

Nun denn, das alles hilft Dir herzlich wenig und macht nicht wirklich Mut. Aber manchmal da hat man auch Glück. Daran glaub ich einfach mal.

@Andreas

Einer Anwältin, frisch von der Uni, bot eine RA-Kanzlei 1.500 Euro brutto an, erzählt man sich hier im Ort. Und weißt Du was? Ich glaube das sogar !
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Curry
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#5

16.07.2007, 19:52

Einer Anwältin, frisch von der Uni, bot eine RA-Kanzlei 1.500 Euro brutto an, erzählt man sich hier im Ort. Und weißt Du was? Ich glaube das sogar !
Ach, das ist ja noch gar nix. Ich kenne eine Anwaltskanzlei, da verdient eine Anwältin 1.200 € brutto!
Curry

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schneeflocke
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#6

16.07.2007, 19:54

Noch was, Dein Tipp, sich dergestalt zu verhalten Andreas ist wirklich gut. Hab es selbst mal im kleinen Rahmen ausprobiert und so die Einstellung einer weiteren Kollegin erstreiten können.

Die Akten blieben einfach liegen-weil man kann nicht immer bis zum Umfallen arbeiten- das geht nur für eine kurze Zeit.


Alles reden und betteln half nicht. Als dann die Akten liegen blieben, geschah dann endlich die Wende. :lol:

Ist natürlich auch nicht ganz ohne Risiko. :?
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#7

16.07.2007, 21:02

Tja, also mit Deinem Tipp, Andreas, bin ich bisher noch nicht sehr weit gekommen.
Mein erster Arbeitgeber hat drauf gewartet, daß jemand an der Tür klingelt und fragt, ob er bei uns anfangen darf.
Der zweite sich auch gar nichts draus gemacht, ob ich in Arbeit erstickt bin oder nicht, die Hauptsache, er mußte nicht soviel arbeiten. Seine Akten sind auch liegengeblieben.
Und das Ende war: Ich habe gekündigt, weil ich keinen Bock mehr hatte.

Und bei meinem jetzigen Job: Das schlimmste ist, es interessiert hier keine Sau! Wenn ich Urlaub habe, bleibt alles liegen. Ich kann froh sein, wenn mal der Azubi die Posteingänge in die Akten tut. Ist ja egal, ob das Fristen oder dringende Sachen dabei sind. Es interessiert niemanden! Einfach nur deprimierend, kann ich sagen.

Ansonsten ist auch hier bei uns das Wort Rechtsfachwirt so gut wie unbekannt. Ich habe es das erste Mal vor ca. zwei Monaten gelesen. Doch die suchten dann im Endeffekt auch nur einen Depp vom Dienst, der alles macht und dem sie nichts bezahlen müssen.
Sorry, wenn ich jetzt so deprimiert klinge, bin ich auch irgendwie. Wenn man schon seit 6 Jahren einen Job sucht und keinen findet (ich bin ja auch überqualifiziert, man stell sich das vor!), dann macht einen das echt fertig.
Ich bin nicht die Signatur, ich putze hier nur.
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#8

17.07.2007, 08:08

Das scheint überall so zu sein. Ich suche auch seit längeren eine neue Stelle und ich stehe kurz davor, in meiner Bewerbung nichts von meinen Rechtsfachwirt zu erwähnen.
Warum bieten alle die ReFaWi-Kurse an, wenn man damit dann keine Stelle findet?
Liebe Grüße :pcwink
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butterflybabe
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#9

17.07.2007, 08:35

Es gibt viele Anwälte, die nur eine "Tipse" benötigen. Für die Buchhaltung hat man meist ne 400,00 €-Kraft und das Gebühren und Zwangsvollstreckungswesen erledigt man als Anwalt so neben bei.

Mein ehemaliger Chef meinte mal, er benötige nie eine Rechtsfachwirtin, was soll die denn auch im Büro. Wenn ich ihn jetzt wieder sehen würde, ich würd ihm wahrscheinlich als erstes erzählen, wieviel Geld er den "zum Fenster raus haut". Viele Gebühren werden nicht abgerechnet, weil Ex-Chef nicht weiß, dass man die abrechnen kann.

Es gibt auch viele Anwälte, die gerade so um die Runden kommen. Darlehen für die Kanzlei und die Angestellten, alles kostet. Und wenn man dann nicht unbedingt Streitwerte von 20.000,00 € hat, bleibt nicht mehr viel übrig. Dass die sich keine "teure" Angestellte leisten wollen oder können, könnte klar sein.

Ich würd auf jeden Fall den Fachwirtkurs machen. Es ist ja nicht nur eine Fortbildung, die man auf den RA-Bereich bezieht, es sind auch viele Sachen über Führungsstil und Mitarbeiterführung (Bewerbung, Arbeitszeugnis, Arbeitsrecht, Organisationsmöglichkeiten) enthalten.

Die Chancen stehen nicht schlecht, bei einer Bank oder Versicherung in die Rechtsabteilung zu kommen. Ob man dort dann die ZV bearbeitet oder Verkehrsunfälle reguliert oder wieder ganz was anderes macht, ist ja jedem selbst überlassen.
Gast

#10

17.07.2007, 08:46

Ich hatte schon so manch gute Einfälle in meinem Leben. Zur Zeit beschäftigt mich die Frage:

Wie wäre es wohl eine Kanzlei zu gründen bzw. zu übernehmen (es gibt hier viele RAe die zur Zeit in Rente gehen), einen Rechtsanwalt einzustellen mit einem Grundgehalt und anteiliger Bezahlung nach Umsatz. Auf die Idee hat mich vor geraumer Zeit eine Richterin gebracht und meinte, warum soll das nicht auch gehen?

Wie findet Ihr das????
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