Einzelkanzlei oder Großkanzlei?

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Refa-Susi

#1

30.10.2008, 19:02

Hallo ihr lieben Leute,

ich bin zurzeit auf Jobsuche und kann mich zwischen zwei Kanzlein nicht entscheiden.

Die eine Kanzlei ist eine kleine Kanzlei, ein Anwalt und ich als Refa. Da war ich auch schon einen Tag Probearbeiten. Der Anwalt ist ganz nett, aber auch sehr streng. Er verlangt, dass ich alles mache und er nur da ist zum Unterschreiben und um Beratungs- und Gerichtstermine wahrzunehmen. Er kontrolliert auch nichts. Ich muss von vorn bis hinten alles machen, auch Klagen und er schaut es sich nicht einmal an. Das wäre der Punkt, wo ich sagen würde, das passt mir nicht so. Da ich ja auch noch nicht so gut bin und erst eine einjährige Berufserfahrung habe.

Die andere Kanzlei ist eine Großkanzlei mit ca. 13 Anwälten. Da war ich noch nicht Probearbeiten, von daher weiß ich auch nicht wie es da ist. Ich würde sozusagen in den sauren Apfel beißen, wenn ich da anfange. Bei dieser Kanzlei stört mich bis jetzt nur, dass ich um 7 uhr anfangen muss und wahrscheinlich dann bis 18 uhr arbeiten. Also Überstunden machen muss, die ich nicht bezahlt bekomme. Weil der Anwalt mir sagte, dass viel zu tun ist und ich des öfteren mal länger arbeiten muss.

Was soll ich nun machen? Ich muss mich bis nächste Woche entscheiden für eine Kanzlei. Ist echt schwierig, was würdet ihr machen?
Kimmy

#2

30.10.2008, 19:11

:hm richtig was raten, kann man dir wohl nichts, aber ein paar Gedanken gebe ich Dir mal mit:

Überstunden in der Großkanzlei: Klar, das ist - leider - fast immer so. Andererseits hast du da Kolleginnen, ihr könnt miteinander arbeiten und euch gegenseitig helfen (wenn die denn dann auch nett sind). Überstunden fallen aber bestimmt auch in der Einzelkanzlei an, oder nicht? Wer, wenn nicht Du machst die Sachen fertig? Was ist, wenn Du krank bist? Wie ist das mit dem Urlaub? Musst Du nehmen, wenn die Kanzlei geschlossen wird? Kommt dann eine Vertrteung? Kannst Du gut alleine arbeiten oder fühlst Du Dich wohler mit Kolleginnen oder bist Du froh, dass Du keine Zicken ;-) mehr um Dich drum herum haben musst?

Wie auch immer, ich drück Dir die Daumen, dass Du die richtige Jobwahl für Dich findest :-)
Refa-Susi

#3

30.10.2008, 19:16

Ich glaub ich habe mehr oder weniger damit ein Problem so früh aufzustehen, auch wenn das jetzt blöd klingt. Ich bin echt kein Frühaufsteher, ich müsste dann 5.15 uhr aufstehen und wenn ich dann erst 19 uhr zu hause bin, ist das schon krass.

Ich habe bis jetzt nur in kleineren Kanzleien gearbeitet, da war ich immer die einzige Refa. Ich weiß eben nicht, wie das ist, wenn ich mehrere Leute um mich herum habe. Allerdings finde ich es gut, wenn ich jemanden habe, den ich mal Fragen kann, wenn ich was nicht weiß. Bloß ich weiß auch nicht, ob das da so nette Leute sind und die mir helfen.
HIMI
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#4

30.10.2008, 20:10

also ich denke, daß Du jedenfalls mehr lernst, wenn Du auf Dich alleine angewiesen bist. Man muß sich dann selbst durchbeißen. Durch alles!

Wenn der Einzelanwalt Klagen, die Du schreibst, nicht durchliest und derartige Dinge mehr, muß er die Folgen tragen. Unsereins ist in dem Sinn kein "Westentaschenjurist".

Aber ich verstehe schon, daß Du wegen geringer Berufserfahrung unsicher bist. Vielleicht legst Du noch ein Gespräch nach.

Wie macht sich denn der Unterschied gehaltstechnisch?
ich glaub mich knutscht ein Elch
Refa-Susi

#5

30.10.2008, 20:20

Gehaltstechnisch gibt es keinen Unterschied.

Wie ist denn das Arbeiten in einer Großkanzlei? Behält man da noch den Überblick? Hat man da auch die Möglichkeit sein eigenes System einzubringen, oder muss man sich nach dem dortigen System halten, d. h. ich muss genau den gleichen Verhaftungsantrag nehmen, den die in der Großkanzlei immer nehmen usw. Das ist ja auch so eine Sache. In einer kleinen Kanzlei kann man sein eigenes System, seine eigenen Formulare usw. verwenden.

Wieso kann ich mich nicht entscheiden, ich ärger mich so. Eigentlich ist es schön, dass ich was gefunden habe und die mich nehmen würden, aber irgendwie hab ich angst, dass es mir da nicht gefällt und dass ich mich dann hinterher ärger, dass ich nicht das andere genommen habe.
QueenMum

#6

30.10.2008, 20:48

Refa-Susi hat geschrieben: Bei dieser Kanzlei stört mich bis jetzt nur, dass ich um 7 uhr anfangen muss und wahrscheinlich dann bis 18 uhr arbeiten. Also Überstunden machen muss, die ich nicht bezahlt bekomme.
Hallo Susi,

das würde ich persönlich NIE machen, wenn das im Bewerbungsgespräch schon so klar kommuniziert wird. Das sind mit einer Stunde Mittagspause 10 Stunden Arbeit am Tag. Dazu kommen noch 2- 3 Stunden Fahrzeit, die du mE beim Gehaltsvergleich zu deinen Arbeitsstunden dazu rechnen musst.

Macht 13 "Arbeitsstunden" pro Tag mal 5 Tage die Woche.... von "gehaltstechnisch kein Unterschied" kann man da wohl nicht sprechen, wenn dir der andere Anwalt das gleiche anbietet.


Was man aber auch bedenken muss, wenn man Einzelkämpferin für einen Einzelkämpfer ist, dass man immer ALLEINE ist. Niemand da ist, der einem wenn man krank oder im Urlaub ist, die Arbeit wenigstens ein bisschen wegarbeitet. Und Überstunden sind hier ab und an auch nicht ausgeschlossen.

Ich habe bei einem Einzelkämpfer gelernt, war dann in einer größeren Kanzlei und bin jetzt wieder bei einem Einzelkämpfer (mit freiberuflicher RAin dabei) gelandet. Ganz abgesehen von einer 62 Stundenwoche vs. 40 Stundenwoche mag ich den Gedanken nicht, ein kleines Rädchen in einer großen Maschine zu sein. Ich bin gern wer. Das bedeutet halt auch, dass man im Zweifel auch öfter mal eins auffe Mütze bekommt, wenn man was verbockt hat, weil es einfach schneller auffällt, wenn man die "Schuldigen" an einer Hand abzählen kann. Aber das ist es mir wert.

Ob das für andere und insbesondere für dich das Nonplusultra ist, musst du selbst entscheiden. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile. Allerdings wäre für mich (auch wenn ich Großkanzleien mögen würde) die Ansage, dass ich TÄGLICH 2 unbezahlte Überstunden zu schieben habe, der Ausschlag da nicht hinzugehen.

Und wenn ich hier dann lese, dass das eben so üblich ist, kann ich nur den Kopf schütteln.... und da wundern sich manche noch, dass wir sooooo schlecht bezahlt werden. Wer so mit sich umspringen lässt bitteschön. Ich würde das auf jeden Fall nicht machen.

so und nun [flame on] :D
rosa

#7

30.10.2008, 20:57

also jetzt mal ganz außen vor gelassen, wo du früh aufstehen musst oder wo du besser verdienst, sag ich dir mal meine meinung zum unterschied groß und kleinkanzlei

aaallsoooo ich bin SCHON IMMER in einen kleinen kanzlei um was zu lernen ist meiner meinung nach auch nur das genau richtig. hier lernst du alles, du kannst (so wie du auch schilderst) schnell eigenverantwortlich arbeiten, hast ein großes abwechslungsreiches aufgabengebiet. du lernst einfach alles da, wirs selbstbewusster und einfach auch echt besser. das ist meine meinung! ich kann es nur mit den erfahren vergleichen, die mir andere aus großkanzleien berichten, da gibts die a die macht nur zv und die b die macht die gerichtlichen kostenrechnungen und die c die macht die botengänge

SO das ist die eine seite
für mich war es auch sehr gut und ich würde es immer wieder machen
ABER ich möchte nach em studium auch wechseln (zwar nich in eine kanzlei aber vergleichbar mit ner großkanzlei) WEIL dadurch, dass du eben NICHT für ALLES verantwortlich bist, ist das ganze halt viel strukturierter. du kannst vielleicht hauptsächlich die sachen machen, die dir liegen und spass machen. ich mach zb auch die gehälter und beitragsnachweise etc ich HASSE das, in großkanzleien gibt es dafür die personalabteilung oder halt zumindest en externes unternehmen die die abrechnung machen, jetzt nur so als bsp

fazit; wenn du in allen gebieten fit werden willst, dann mach ALLES und geh in die kleinkanzlei

wenn du eher sachbearbeiter für ein oder wenige gebiete sein willst, geh in ne großkanzlei

ps: jetzt werden vielleicht einige kommen, die sagen, "hey ich bin in ner großkanzlei und ich mach auch ALLES" wie gesagt, ich kann nur sagen, was ich kenne .....

viel glück bei deiner entscheidung
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#8

30.10.2008, 21:23

Allerdings wäre für mich (auch wenn ich Großkanzleien mögen würde) die Ansage, dass ich TÄGLICH 2 unbezahlte Überstunden zu schieben habe, der Ausschlag da nicht hinzugehen.

Und wenn ich hier dann lese, dass das eben so üblich ist, kann ich nur den Kopf schütteln.... und da wundern sich manche noch, dass wir sooooo schlecht bezahlt werden. Wer so mit sich umspringen lässt bitteschön. Ich würde das auf jeden Fall nicht machen.
Genau so ist es!!!
Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.

Versuche zu lächeln, auch wenn die Traurigkeit Dich zu ersticken droht…
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#9

30.10.2008, 21:29

Großkanzlei.

Das das Gehalt gleich sein soll wundert mich, aber ok. Wobei ich bei 13 Anwälten noch nicht von Großanzlei sprechen würde (die liegen in der Spanne 40 - 100 Anwälte). Eigentlich verdienen ReNos in richtigen Großkanzleien soviel wie woanders oft die Anwälte. Daher werden auch Überstunden öfter erwartet. Anwälte in Großanzleien arbeiten selber oft 60 - 80 Stunden in der Woche.

Pro: Großkanzleien sind besser ausgestattet (bessere, neuere Technik, Gratisgetränke, bessere Computer, schöneres Ambiente). Großkanzleien sollten eigentlich professionellere Anwälte haben. Der Choleriker, der Fristen verschludert und das dann seiner ReNo in die Schuhe schiebt dürfte dort nicht alt werden. Wenn die Mandanten aus der Wirtschaft kommen ist auch hier der Umgang einfacher bzw. die Herausforderungen sind anders (Fremdsprachen etc.).

Nachteil: Großkanzleien sind sehr hierarchisch. Schon innerhalb der Anwälte. Als ReNo wird man dort seltener partnerschaftlich als gleichwertig betrachtet.
LAG Düsseldorf, Az: 12 (18 ) Sa 196/98:
Der Tritt ins Gesäß der unterstellten Mitarbeiterin gehört auch dann nicht zur "betrieblichen Tätigkeit" einer Vorgesetzten, wenn er mit der Absicht der Leistungsförderung oder Disziplinierung geschieht.
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#10

30.10.2008, 21:51

Schau Dich doch hier mal um

http://www.foreno.de/viewtopic.php?t=4505&highlight=

sowie hier

http://www.foreno.de/viewtopic.php?t=183&highlight=

Hier haben wir schon mal einige Dinge zu diesem Thema ausdiskutiert.

Entscheiden musst Du selbst. Hier bei den Vorschlägen kommt es mir vor, als wenn ich die Wahl zwischen Pest und Cholera hätte.
Auf der einen Seite ein RA der nichts selbst macht (was ich grenzwertig finde, um es mal nett zu formulieren), andererseits eine größere Kanzlei, die Dich abschreckt, weil dort viel und lange gearbeitet werden muss.

Woher weißt Du genau von den vielen Überstunden (hab ich das überlesen?), woher weißt Du, dass sie nicht bezahlt werden?

Andererseits, Du bist jung und voller Schwung, wenn man erst ne olle Tante ist wie ich, muss man schon mal kürzer treten, aber in jungen Jahren kann man doch mal eine Runde Gas geben und die Ärmel hochkrempeln.

Die Frage ist nicht, wo soll ich heute und jetzt arbeiten gehen, die Frage ist, wo willst Du langfristig hin? Willst Du karriere machen? Oder willst Du in 20 Jahren immer noch die Anmeldung eines unzumutbaren Einzelkämpfers -wie von Dir beschrieben- zieren wie am ersten Arbeitstag?

Un glaub mir, ich kenne sooo viele Menschen, aber niemand von denen steht gerne freiwillig morgens und früh auf. Dies nur am Rande erwähnt. :wink:

Also frag Dich vielmehr was Du willst? Nicht heute, sondern für die Zukunft allgemein. Entscheidungen, die heute getroffen werden, entscheiden vielleicht über deine weitere berufliche Zukunft.
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